zum Hauptinhalt

Kaufhaus-Krise: Arcandor-Sanierung auf die harte Tour

Nach dem Aus für eine Staatsbürgschaft bangt Arcandor um den ebenfalls beantragten Notkredit über 437 Millionen Euro. Eine Insolvenz des Konzerns brächte harte Einschnitte für Beschäftigte, Immobilienbesitzer und Gläubiger. Nur einer könnte gewinnen: Metro-Chef Cordes.

Arcandor befindet sich in einer verzweifelten Lage. Am Montag gegen Mittag lehnte der Lenkungsausschuss des Bundes einen Antrag des angeschlagenen Handels- und Touristikkonzerns auf Bürgschaften aus dem Deutschlandfonds in Höhe von 630 Milllionen Euro ab. Nun bleibt dem Unternehmen und seinen rund 50.000 Beschäftigten nur noch die Hoffnung, dass die Regierung einen Notkredit der Staatsbank KfW über 437 Millionen Euro gewährt. Doch der Bund lehnte am Montag auch dies ab. Nur wenn die Arcandor-Eigentümer ihren Sanierungsbeitrag deutlich aufstocken, will sich der Bund an den Rettungsbemühungen für den Handelsriesen beteiligen und damit den Konzern vor der Insolvenz retten.

Arcandor läuft die Zeit davon. Die Miete für Juni, rund 23 Millionen Euro, konnte das Unternehmen schon nicht mehr an die Eigner der Immobilien überweisen. Das Eigenkapital des Unternehmens ist zuletzt auf rund 177 Millionen Euro geschrumpft und macht nur noch rund ein Prozent der Bilanzsumme aus. Die Finanzdecke ist mittlerweile so dünn, dass Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick angekündigt hatte, bereits am Montag Insolvenz anzumelden, sollte die Regierung sich der Rettung des Konzerns endgültig verweigern. Andernfalls könnte sich die Führung der Insolvenzverschleppung schuldig machen. Dazu kam es zumindest am Montag nicht.

Klar ist: Eine Insolvenz von Arcandor würde drastische Einschnitte nach sich ziehen – sowohl für die Beschäftigten, als auch für die Gläubiger und Immobilienbesitzer. Zugleich würde ein solcher Schritt die "Bedingungen grundlegend verändern, unter denen die Verhandlungen über die Zukunft von Arcandor fortgesetzt werden", sagt der Insolvenzexperte Hans Haarmeyer von der Fachhochschule Koblenz.

In einem ersten Schritt würde das Unternehmen einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen. Der hätte weit mehr Möglichkeiten, das Unternehmen zu sanieren als derzeit: So kann er langfristige Verträge kündigen, sowohl mit Vermietern als auch mit Lieferanten - und diese womöglich nachverhandeln.

Zugleich wird er die Verhandlungen mit möglichen Investoren aufnehmen, zuallererst mit dem Chef der Metro, Eckhard Cordes. Der hat schon seit längerem den Plan, den Kaufhof und Karstadt zu einer "Deutschen Warenhaus AG" zu verschmelzen. Das neue Unternehmen soll 160 Filialen weiter betreiben, darunter wären 60 der derzeit 90 Karstadt-Häuser. Die anderen 30 will Cordes schließen. 5000 Arbeitsplätze sollen nach Angaben der Metro dadurch wegfallen.

Nach Ansicht von Haarmeyer würde sich die Position der Metro im Falle einer Insolvenz deutlich verbessern: "Cordes kann die Bedingungen dann weitgehend diktieren", sagt der Insolvenzexperte. Die Metro könne sich die wertvollsten Filialen hinauspicken und die restlichen Häuser mit ihren Schulden in der Insolvenzmasse belassen. Ähnliche strategische Vorteile hätte auch der Hamburger Otto-Versand, der bereits Interesse an der Sparte Primondo angemeldet hat, zu der Quelle gehört, aber auch die Spezialversender Hess Natur und Baby Walz sowie der TV-Verkaufskanal HSE24.

Für die neuen Investoren wäre es zudem leichter, Jobs zu streichen, um Kosten zu sparen. Der Beschäftigungspakt, den Arcandor mit 32.000 Beschäftigen abgeschlossen hat, würde im Falle einer Insolvenz hinfällig werden. Auch deshalb traut man bei der Gewerkschaft ver.di den Versprechungen Cordes’ nicht über den Weg. Diese seien bislang sehr "unverbindlich" – womöglich, so fürchten die Gewerkschaften, könnte der Arbeitsplatzabbau im Falle einer Insolvenz und einer teilweisen Übernahme durch die Metro weit größer ausfallen als bislang von Cordes versprochen.

Doch nicht nur die Beschäftigten müssen mit Verlusten rechnen. Auch die Besitzer der Immobilien und ihre Gläubiger wären betroffen. Der damalige Arcandor-Vorstandschef Thomas Middelhoff hatte vor vier Jahren die 85 Warenhäuser, 29 Parkhäuser, zwölf Sporthäuser und 40 andere Immobilien an Finanzinvestoren verkauft, unter anderem an den Whitehall-Fonds der Investmentbank Goldman Sachs und den Rreef-Fonds der Deutschen Bank.

Die Eigentümer kassierten seither enorm hohe Mieten: für die Häuser in München, Leipzig, Potsdam, Wiesbaden und Karlsruhe pro Jahr 42,6 Millionen Euro, für die restlichen Immobilien 280 Millionen Euro jährlich. Diese Zahlungen würden im Falle einer Insolvenz ausbleiben. Zudem könnte Arcandor langfristige Mietverträge über unrentable Häuser kündigen, die derzeit das Geschäft belasten.

Bereits jetzt werden die Gläubiger der Immobilienbesitzer dem Vernehmen nach nervös. Bleiben die Zinszahlungen für die Kredite aus, mit denen damals die Fonds die Übernahme der Filialen finanzierten, könnten die Gläubiger – darunter auch öffentliche Institute und Hedge-Fonds – ihre Sicherheiten überdenken. Dann könnten weitere Umbauarbeiten bei Arcandor nötig werden.

Das alles will Arcandor-Chef Eick verhindern. Deshalb versucht er eine Insolvenz in letzter Minute abzuwenden. Am Montagnachmittag berichtet die Online-Ausgabe des Manager Magazin, Eick wolle die Gläubigerbanken dazu bewegen, Kredite zu verlängern. An diesem Freitag läuft ein Darlehen über 630 Millionen Euro aus, dann wird es noch enger für Arcandor. Dem Vernehmen nach sind die Banken aber nicht bereit, auf den Rettungsplan Eicks einzugehen. Eine Insolvenz von Arcandor wird damit immer wahrscheinlicher.

ZEIT ONLINE

Philip Faigle

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false