Wirtschaft: Aufbruch zum Abschied
Bertelsmann-Chef Gunter Thielen kündigt bei seiner letzten Bilanzvorlage neue Wachstumsstrategie an
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Berlin - Der Bertelsmann-Konzern will nach dem bisher besten Geschäftsjahr in seiner Geschichte aggressiver wachsen und Innovationen der digitalen Medienwelt schneller in neue Geschäftsmodelle umsetzen. „Wir haben ein Etappenziel erreicht und können künftig unser Wachstum beschleunigen“, sagte Vorstandschef Gunter Thielen, der Ende dieses Jahres an die Spitze des Aufsichtsrats wechselt, am Mittwoch in Berlin.
Seinem designierten Nachfolger Hartmut Ostrowski – noch Chef der Konzernsparte Arvato – hinterlässt Thielen ein profitables, aber mit 6,7 Milliarden Euro noch hoch verschuldetes Unternehmen. Nachdem sich Europas größter Medienkonzern in der Vergangenheit mit Investitionen in neue Geschäftsfelder, vor allem in der Internetwirtschaft, verkalkuliert hatte, soll nun erneut Anlauf genommen werden. „Im Jahr 2000 waren wir zu früh, heute müssen wir aufpassen, dass wir nicht zu spät kommen“, sagte Thielen. Von den 19,3 Milliarden Euro Umsatz, die Bertelsmann 2006 erlöste, stammen nach seinen Angaben rund eine Milliarde Euro aus Geschäften im Internet.
Bei seiner Suche nach neuer Größe will Bertelsmann nicht länger sparen. „Wir können bis 2010 insgesamt sechs Milliarden Euro investieren“, sagte Finanzvorstand Thomas Rabe. Von 2008 an will sich Bertelsmann nach zwei Jahren der Investitionszurückhaltung auch wieder nach Übernahmezielen umsehen. „Ab 2008 verfügen wir wieder über einen Finanzspielraum von jährlich zwischen 1,2 und 1,5 Milliarden Euro für Akquisitionen und zusätzlich von etwa 700 Millionen Euro für laufende Investitionen“, sagte Thielen. Zusätzlich hat der Gütersloher Konzern zusammen mit der Citigroup und Morgan Stanley einen eigenen Beteiligungsfonds aufgelegt. Der Private- Equity-Fonds mit Sitz in Luxemburg und einem Eigenkapital von bis zu einer Milliarde Euro (400 Millionen Euro von Bertelsmann) soll sich auf Minderheitsbeteiligungen vor allem im Mediensektor in Europa, den USA und Asien konzentrieren.
Im vergangenen Jahr musste sich Bertelsmann mit größeren Investitionen noch zurückhalten. Der von der Eigentümerfamilie des Firmenpatriarchen Reinhard Mohn erzwungene Aktienrückkauf vom belgischen Minderheitsaktionär Groupe Bruxelles Lambert (GBL) für 4,5 Milliarden Euro trieb die Schulden zeitweise auf 8,6 Milliarden Euro. Auch 2007 wird Bertelsmann nach den Worten von Thielen noch keine großen Sprünge machen – aber dennoch bei Umsatz und Gewinn zulegen. Aber: „Wir bauen unsere Schulden schneller ab als geplant“, sagte Finanzchef Rabe. Bertelsmann sei zudem noch nie so profitabel gewesen. 2006 lag die Umsatzrendite bei 9,7 Prozent, für das Jahr 2007 hat sich der Konzern nach früheren Prognosen zehn Prozent vorgenommen.
Bis auf die Musiksparte BMG konnten 2006 alle sechs Geschäftsbereiche einen positiven Wachstumsbeitrag leisten. Die Fernsehtochter RTL steigerte dank höherer Werbeeinnahmen und Zuwächsen in der TV-Produktion den Umsatz um gut zehn Prozent und trug wesentlich zur Ergebnissteigerung bei. Die Direct Group meldete eine Verdoppelung des operativen Gewinns vor Sondereinflüssen. Die Buchclubs in Deutschland und Großbritannien arbeiten wieder profitabel. Das Musikgeschäft kämpft – wie die gesamte Branche – hingegen nach wie vor mit den enormen Problemen beim Verkauf von klassischen Tonträgern. Der Internetvertrieb konnte den Markteinbruch um elf Prozent im vergangenen Jahr nicht auffangen. Insgesamt stieg der operative Gewinn vor Zinsen, Steuern und Sondereinflüssen wie Veräußerungsgewinnen sowie Restrukturierungskosten im Konzern um 16 Prozent auf 1,87 Milliarden Euro. Netto verbuchte Bertelsmann mit 2,4 Milliarden Euro mehr als doppelt so viel Gewinn wie vor Jahresfrist. Darin enthalten ist der Buchgewinn aus dem Verkauf von BMG Music Publishing an den französischen Medienkonzern Vivendi.
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