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23.500 junge Leute begannen 2024 die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker.

© picture alliance / dpa/Patrick Pleul

Autohäuser unter Druck : Personalsorgen und Tarifkonflikt

Keine Ausbildung wird so häufig begonnen wie die zum Kfz-Mechatroniker. Doch die Branche hat besonders ein Problem: Das Handwerk bildet aus, die Industrie stellt ein.

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Werkstatt oder Büro? Die meisten Jugendlichen, jedenfalls die männlichen, zieht es in die Werkstatt. 23.500 Azubis begannen im vergangenen Jahr die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker, das waren so viele wie in keinem anderen Beruf.

Trotzdem hat die Branche Nachwuchsprobleme und deshalb eine Fachkräftekampagne gestartet, um noch mehr junge Menschen „für unsere Berufe zu begeistern“ und um „die Fluktuationsrate zu reduzieren“.

Mit „Fluktuation“ umschreibt der Branchenverband ein Ärgernis: Das Handwerk bildet aus, die Industrie stellt ein. Viele gut ausgebildete Kfz-Mechaniker werden von Maschinenbauern, Autokonzernen oder der Bahn abgeworben.

Gewerkschaft möchte gegensteuern

„Nach unseren Beobachtungen wandern zwei von drei Ausgebildeten aus dem Handwerk in andere Branchen ab“, heißt es bei der IG Metall. Mit höheren Löhnen will die Gewerkschaft gegensteuern.

Ein Facharbeiter verdient nach dem 1. Gesellenjahr in einer baden-württembergischen Autowerkstatt 3447 Euro brutto bei einer 36-Stunden-Woche. In der Metallindustrie sind es gut 700 Euro mehr und eine Stunde Arbeitszeit weniger.

468.000
Beschäftigte hat das deutsche Kfz-Gewerbe.

Diese Lücke wird auch in der aktuellen Tarifrunde für das Kfz-Gewerbe nicht geschlossen. Die IG Metall fordert 6,5 Prozent sowie 170 Euro mehr für die Azubis.

Ferner möchte die Gewerkschaft eine „Entlastungskomponente“ durchsetzen: Bestimmte Beschäftigtengruppen, etwa Mitarbeitende mit kleinen Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen, dürften dann zwischen Geld und Zeit (zusätzliche freie Tage) wählen.

39.230 Autohäuser, Karosserie- und Kfz-Werkstätten mit 468.000 Beschäftigten gehören zum Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZdK). Etwa zwei Drittel der Betriebe sind kleine Werkstätten, ein Drittel Autohäuser, die mithilfe des Vertriebs mehrerer Marken tendenziell größer werden und andere Händler schlucken oder verdrängen.

Elektroautos sorgen für Doppelbelastung

Noch ein weiterer Umstand verstärkt den Konzentrationsprozess. Um einen Betrieb zu übernehmen oder zu gründen, bedarf es Kapital, doch viele Kfz-Meister scheuen den Gang in die Selbstständigkeit und Verschuldung, berichtet Jürgen Hasler vom ZdK.

Der Gebrauchtwagenhandel brummt und erzielt gute Renditen.

IG Metall

Belastend für viele Betriebe sei ferner die zähe Transformation zum Elektroauto. Die Werkstätten müssten über viele Jahre Werkzeuge und überhaupt Ressourcen für Autos mit Verbrennungs- und Elektromotor vorhalten. Diese Doppelbelastung stresse die Kfz-Branche, sagt Hasler.

Die IG Metall argumentiert anders. Seit 2017 hätten sich die Stundensätze in den Werkstätten um 40 Prozent erhöht, die Löhne nur um 20 Prozent. Einer Umfrage der Gewerkschaft zufolge schätzen 70 Prozent der Beschäftigten die wirtschaftliche Lage ihres Betriebs als gut oder sehr gut ein.

Nur ein Fünftel zahlt Tarif

„Der Gebrauchtwagenhandel brummt und erzielt gute Renditen“, heißt es bei der IG Metall. Dagegen komme der Neuwagenverkauf nicht in Schwung, was wiederum gut für das Servicegeschäft in den Werkstätten sei – die Fahrzeuge werden älter und reparaturbedürftiger.

Zunehmend berichteten Beschäftigte von steigender Arbeitsbelastung und hohen Krankenständen. Auch deshalb, so gaben 54 Prozent der Befragten an, würden vermehrt Kollegen den Betrieb verlassen. „Anderswo gibt es mehr Geld bei weniger Belastungen“, konstatiert die IG Metall.

Die Tariflandschaft im Kraftfahrzeuggewerbe gleicht mehr und mehr einem Schweizer Käse.

IG Metall bereits vor zehn Jahren

Dabei kann sich der vergangene Tarifabschluss durchaus sehen lassen: Die Entgelte der Kfz-Beschäftigten stiegen im November 2023 um fünf Prozent und im Oktober 2024 um weitere 3,6 Prozent.

Die Ausbildungsvergütungen erhöhten sich um 120 Euro und liegen nun zwischen 960 Euro im ersten und 1400 Euro im vierten Jahr. Dreieinhalb Jahre dauert die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker.

6,8
Prozent der Azubis sind weiblich.

Ausbildungsvergütung, Entgelte und Arbeitszeiten sowie Urlaubstage werden in Tarifen festgeschrieben. Ob sich Unternehmen an diese Tarife halten, ist eine andere Frage. Nach Angaben der IG Metall zahlt nur rund ein Fünftel der Betriebe im Kfz-Gewerbe nach Tarif.

„Beschäftigte ohne Tarifvertrag erhalten nach unseren Beobachtungen circa 23 Prozent weniger Geld“, heißt es bei der Gewerkschaft. Diese Differenz ergibt sich auch aus der mit 40 Wochenstunden deutlich höheren Arbeitszeit in tariflich ungebundenen Unternehmen.

Situation auf dem Arbeitsmarkt hat sich gedreht

In fast allen Bundesländern flankieren Warnstreiks seit mehreren Wochen die Tarifverhandlungen. Dabei kann die IG Metall fast nur Gewerkschaftsmitglieder in größeren Betrieben zu Aktionen aufrufen, in kleinen Werkstätten bekommt die Gewerkschaft, wie im Handwerk insgesamt, kaum ein Bein auf die Erde und kann wenig Druck aufbauen.

„Die Tariflandschaft im Kraftfahrzeuggewerbe gleicht mehr und mehr einem Schweizer Käse: Immer weniger Betriebe sind Mitglied in einer Tarifgemeinschaft oder Kfz-Innung“, konstatierte die IG Metall bereits vor zehn Jahren.

Seitdem hat sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt gedreht, Azubis und Beschäftigte haben die Wahl und wechseln bei schlechten Arbeitsbedingungen den Arbeitgeber.

Mit seiner „Fachkräftestrategie“, die auf ein besseres Image und das Beschäftigungspotenzial von Frauen und Migranten zielt, versucht der Kraftfahrzeugverband gegenzusteuern.

Bislang mit überschaubarem Erfolg: Von den im Herbst 2024 gestarteten 23.500 Azubis waren 6,8 Prozent weiblich. Immerhin. Vor 20 Jahren waren es nur vier Prozent.

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