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Wirtschaft: Berlin fordert Reform der Strombörse

Der Betreiber hat keine Hinweise auf Manipulation. Auch die Finanzaufsicht prüft jetzt die Handelsdaten

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Frankfurt am Main/Berlin - Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) hat eine Reform der Leipziger Strombörse gefordert. „Der Bundesgesetzgeber muss einschreiten. Das Kartellrecht und die Missbrauchsaufsicht müssen verschärft und die Strombörse reformiert werden“, sagte er dem Tagesspiegel. Hintergrund sind Vorwürfe, dass die Energiekonzerne die Preise an der Leipziger Strombörse manipuliert haben.

Deren Vorstandschef Hans-Bernd Menzel schloss am Dienstag Manipulationsabsichten nicht aus. „Wir erfragen nicht die Motivation der Marktteilnehmer. Niemand muss bei uns sagen, warum er Strom kauft oder verkauft“, sagte er in Frankfurt am Main. Er könne nicht sagen, was außerhalb der Börse geschehe, der Handel selbst laufe „geordnet“ ab. „Ich schließe absolut aus, dass das Verfahren an der Börse benutzt wird, um die Preise hochzutreiben“, sagte Menzel.

Wegen möglicher Marktmanipulationen laufen Vorermittlungen der Leipziger Staatsanwaltschaft. Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) analysiert mittlerweile die Vorgänge. Die Vorwürfe sind Inhalt einer anonymen E-Mail, die Mitte Februar verschickt worden war. Die EXX hat Strafanzeige gegen den unbekannten Absender gestellt.

Menzel wies Vermutungen zurück, an der Strombörse würden einzelne mächtige Marktteilnehmer den Handel bestimmen. „Wir haben bei der täglichen Auktion 120 Teilnehmer.“

Wolf sagte, das Problem sei, dass vier Gebietsmonopolisten über einen Großteil der Erzeugungskapazitäten verfügten, gleichzeitig aber relativ geringe Mengen an der Strombörse gehandelt würden. „Das öffnet Missbrauch Tür und Tor“, sagte er. „Der Wettbewerb an der Strombörse funktioniert nicht. Die Preise lassen sich einfach manipulieren. Hinzu kommt, dass sich dort inzwischen auch Finanzinvestoren betätigen.“

Nötig sei es, künftig alle Kapazitäten über die Strombörse zu handeln. Ferner sei das kartellrechtliche Instrumentarium unter anderem durch eine Beweislastumkehr zu verschärfen. „Das Kartellamt muss einschreiten können, wenn ein Energieversorger höhere Preise nimmt als irgendein anderer Wettbewerber, er aber keine höheren Kosten nachweisen kann.“

Nach Wolfs Darstellung bekommen die Endverbraucher den mangelnden Wettbewerb bereits zu spüren. „Die Energiekonzerne legen auch bei den Strommengen, die nicht in Leipzig gehandelt werden, Börsenpreise zugrunde, die dann als entstandene Kosten an die Verbraucher weitergereicht werden. Das erklärt, warum die Preise, die Sie und ich zahlen, zum Teil 50 Prozent und mehr über den tatsächlichen Kosten liegen.“

Die Strombranche wies die Vorwürfe zurück. Beim Branchenverband VDEW hieß es: „Das ist ein Wettbewerbsmarkt.“ Eine Sprecherin von Vattenfall Europe sagte, die Europäische Kartellkommission verfüge über die notwendigen Daten. Der Börsenpreis von Strom sei der Referenzpreis auch für Verträge, die mit großen Verbrauchern direkt abgeschlossen würden. „Die Börse ist schließlich eingeführt worden, um in einem liberalisierten Markt ein marktwirtschaftliches Instrument zu schaffen“, sagte die Sprecherin. Auch bei den Tarifen für Privatkunden werde der Kurs berücksichtigt – genauso wie die Veränderungen bei den Beschaffungskosten etwa für Kohle oder Gas und die höhere Steuerlast (siehe Grafik). Derzeit würden mehr als 50 Prozent des vom Konzern erzeugten Stroms außerhalb der Börse gehandelt, sagte sie. Man könne sich aber durchaus vorstellen, die gesamte Produktion in den Börsenhandel zu geben, sagte die Sprecherin mit Blick auf Wolfs Vorschlag.

Aus Sicht des Konzernkritikers Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher würde das nichts bewirken, weil dann immer noch einige wenige Großkonzerne den Markt bestimmen könnten. „Man muss europaweit kleinere Einheiten schaffen“, forderte Peters.

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