Wirtschaft: Berliner New Economy: Bei Inter.net stehen die Elefanten vom Zoo mitten im Büro
"Wahnsinnig zentral" schwärmt Jamba-Vorstandsmitglied Alexander Samwer über sein Büro am Kreuzberger Spreeufer. Jamba, ein Handyportal für das Internet, ist im vergangenen Sommer in den "Getreidespeicher" unweit der Oberbaumbrücke gezogen.
"Wahnsinnig zentral" schwärmt Jamba-Vorstandsmitglied Alexander Samwer über sein Büro am Kreuzberger Spreeufer. Jamba, ein Handyportal für das Internet, ist im vergangenen Sommer in den "Getreidespeicher" unweit der Oberbaumbrücke gezogen. Aus gutem Grund. Das großzügige 1000-Quadratmeter-Loft hat für ein New-Economy-Unternehmen viel zu bieten: ein freundliches Großraumbüro, dem man den Top-Standard in Sachen technischer Ausstattung allenfalls auf den zweiten Blick ansieht, Tageslicht von drei Seiten und ein herrlicher Panoramablick über die Spree. Hinzu kommen gute U- und S-Bahn-Anbindungen und vor allem: Der SO-36-Kiez mit seinen bunten Kneipen und bezahlbaren Wohnungsmieten.
Die Maxime heißt "Alles zum Wohl der Mitarbeiter" - und ist typisch für die Berliner New-Economy-Gemeinde. "Wir wollen uns wohlfühlen", sagt Daphne Rauch vom Verbraucherportal dooyoo.de, das seit Sommer 1999 in den "Grünberger Höfen" in Friedrichshain residiert. Die inzwischen auf 60 Leute angewachsene Belegschaft profitiert in den kurzen Mittagspausen und am späten Feierabend von der szenigen Infrastruktur, die sich rund um die Simon-Dach-Straße entwickelt hat. Und nach Hause haben es die meisten auch nicht weit.
Wer bei Jamba, bei dooyoo oder bei den vielen anderen Firmen in den Innenstadtbezirken arbeitet, wohnt auch dort. Oder andersrum: Wer gerne im Kiez wohnt, möchte dort am liebsten auch arbeiten. Die meisten Startup-Arbeitergeber haben das erkannt und ihren Unternehmenssitz entsprechend ausgewählt.
Die Personalberater von Kienbaum Executive haben eine Begründung für dieses Phänomen. Typisch ist für Geschäftsführer Jürgen Below der Netzwerkgedanke: "Die suchen die Nähe auch zu Firmen, die in Konkurrenz stehen". Das erkläre Standorte wie Oberbaum-City oder Brunnenstraße, wie die "Silicon Alley" genannte Chausseestraße oder die Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg. "Gleiche Sorgen, die Notwendigkeit zur Improvisation und die Möglichkeit zur zwischenmenschlichen Kommunikation sind ein guter Humus für Innovationen."
Gleichzeitig beobachtet Below, dass sich viele der jungen Start-up-Unternehmer "ihre ganz persönlichen Wünsche erfüllen". Die Standortwahl habe ebenso viel mit Emotionen wie mit logistischen oder technischen Überlegungen zu tun. "Die wollen etwas mit Pfiff machen, die wollen sexy sein."
Das erklärt die Entscheidung für geräumige ehemalige Fabriketagen wie bei mytoys in Prenzlauer Berg oder dooyoo in Friedrichshain, für entkernte und top-aufgestylte Innenstadtgebäude wie bei area5f in der Rosenthaler Straße in Mitte oder auch für das Hochhaus am Zoo in Charlottenburg, wo die Mitarbeiter von Inter.net (früher snafu) vom 15. Stockwerk aus den Elefanten beim Saufen zuschauen können.
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Doch nicht nur die "sexy" Innenstadtlagen sind bei den Jungunternehmern gesucht. Die Umsatzzahlen der Immobilien-Consulter Jones Lang Lasalle zeigen keinesfalls eine Konzentration bei IT-Unternehmen, Internetdienstleistern und Telekommunikationsbetrieben auf die Teilmärkte "Mitte 1A" oder "innerstädtisch Ost", sondern auf "innerstädtisch West" und "außerhalb Nord". Der simple Grund: Die Hauptstadt verfügt mit 141 000 Kilometern verlegtem Glasfasernetz über die beste Versorgung in ganz Europa. New Economy-Unternehmen können ihre Computerarbeitsplätze überall aufbauen. Und das tun sie auch. Sie lassen sich nicht in die Standort-Märkte der Old Economy eingrenzen. Günstige Gewerbemieten mit Quadratmeterpreisen von unter 20 Mark spielen für die Standort-Entscheider nur eine untergeordnete Rolle - wenn dafür andere Kriterien erfüllt sind. Für Top-Adressen werden auch bis zu 50 Mark bezahlt. Zum Beispiel vom B-2-B-Telefondienstleister gecco.net, der für seine 17 Mitarbeiter zählende Belegschaft 230 Quadratmeter Bürofläche im vornehmen Kronprinzenpalais angemietet hat. Vorstandssprecher Jan Budinski: "Hier ist das Arbeiten auch nach mehr als acht Stunden und für mehr als fünf Tage in der Woche angenehm. Außerdem haben wir alles in fußläufiger Umgebung: den Bahnhof Friedrichstraße, unseren Rechtsanwalt, unseren Steuerberater, unseren Aufsichtsratsvorsitzenden." Außen vor lassen will Budinski auch den repräsentativen Aspekt nicht: Nicht nur, dass eine solche Location auch den Mitarbeitern das Gefühl des Besonderen gibt. "Das 250 Jahre alte Gebäude, umgeben von Theatern und Museen, hat ein Ambiente, das bei begehrten Kunden mit einem Monatsumsatz von einer halben Million Euro wichtig sein kann."
Regina C. Henkel