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Commerzbank-Chef Martin Blessing beklagt die Papierflut durch Beratungsprotokolle.

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Exklusiv

Martin Blessing im Interview: Commerzbank-Chef wünscht sich Alternativen zum Beratungsprotokoll

Beratungsprotokolle seien "nicht zeitgemäß", sagt Commerzbank-Chef Martin Blessing. Lieber will er bei Kundengesprächen ein Band mitlaufen lassen.

Von Carla Neuhaus

Herr Blessing, Sie haben am Montag eine so genannte Flagship-Filiale in Berlin eröffnet. Eine der neuen City-Filialen ist bereits in Betrieb. Wie fällt ihre erste Bilanz aus?

Dass unglaublich viele Kunden, Journalisten und Konkurrenten sie schon besucht haben. Ich hatte das Gefühl, bis Anfang Februar war da kaum ein Normalbetrieb möglich. Daher sind Zahlenauswertungen noch nicht repräsentativ.

Ziel des neuen Konzepts ist es, Kunden häufiger in Beratungsgespräche zu verwickeln. Klappt das?
Wir sehen schon eine erhöhte Beratungsaktivität. Aber um daraus eine verlässliche Aussage abzuleiten oder irgendetwas hochrechnen zu können, ist es noch etwas zu früh. Das werden wir uns noch länger ansehen.

2013 stagnierte das Privatkundengeschäft. Was erwarten Sie für dieses Jahr?
Mehr. Wir investieren natürlich weiter in Wachstum. Die Planung für das Privatkundengeschäft steht ja. Daneben wollen wir das Ergebnis auf der Ertrags- und auf der Kostenseite verbessern. Wie mit dem Betriebsrat vereinbart, bauen wir auch Personal ab. Das betrifft Mitarbeiter im Filialgeschäft, aber ebenso Mitarbeiter in Service- und Abwicklungseinheiten, die für das Privatkundengeschäft arbeiten. Gleichzeitig wollen wir auf der Ertragsseite wachsen. Das funktioniert bereits sehr gut, wie wir 2013 gesehen haben.

Kommt die Steigerung eher aus dem Wertpapiergeschäft oder dem Kreditgeschäft?
Das Volumen im Kreditgeschäft wächst. In der Baufinanzierung dürften wir im ersten Quartal das Neugeschäftsvolumen im Vergleich zum Vorjahrszeitraum um mehr als 20 Prozent gesteigert haben. Wir hoffen auch auf ein gutes Wertpapiergeschäft. Dazu mehr bei der Vorstellung der Quartalszahlen Anfang Mai.

Sie wollen bis 2016 rund 5200 Stellen abbauen. Wie kommen Sie damit voran?
Rund ein Drittel ist bereits umgesetzt und für einen signifikanten Teil des Restes sind zumindest die vertraglichen Regeln getroffen. Wir liegen leicht vor dem Zeitplan, den wir im Sommer letzten Jahres vereinbart haben.

Warum zahlen Sie Neukunden ein Begrüßungsgeld?
Wir gewinnen damit Kunden. Und nicht nur das. Es rechnet sich auch für uns. Parallel zum neuen Werbespot mit der Nationalmannschaft zur Weltmeisterschaft haben wir es sogar um 50 auf 100 Euro erhöht. Das ist eine gute, zeitlich begrenzte Werbemaßnahme.

Was halten Sie von der Bundesratsinitiative, wonach Banken härter bestraft werden sollen, die Kunden bei Steuerhinterziehung helfen?
Grundsätzlich ist für die Steuererklärung der Kunde selbst zuständig. Aber natürlich darf es nicht sein, dass Banken ihre Kunden bei der Steuerhinterziehung unterstützen. Man muss jetzt sehen, was in der Gesetzesinitiative genau drinsteht.

Viele Banken jammern über zu viele Verbraucherschutzregeln. Jammern Sie mit?
Jammern hilft nicht. Aber ich bin nicht der größte Freund eines sehr aufwendigen Beratungsprotokolls. Ich halte dies angesichts der Papierflut für nicht zeitgemäß. Es wäre viel besser, wenn der Gesetzgeber zum Beispiel vorschreiben würde, solche Gespräche auf Band aufnehmen zu lassen. Das hielte ich für kundenfreundlicher und effizienter als so einen Papierberg.

Finden die neuen, schärferen Beipackzettel der Europäischen Union eher ihren Beifall?
Mir wäre es lieber, wenn es eine verbindliche Regelung geben würde, statt immer wieder neue Forderungen aufzustellen. Klar ist: Banken werden nicht aus jedem Anlageprodukt ein Garantieprodukt machen können. Unser Ziel als Bank ist es, mündige, aufgeklärte Kunden zu haben, die auf Augenhöhe mit dem Berater diskutieren. Nach einem Beratungsgespräch müssen sie in der Lage sein, ihrer Familie beim Abendessen zu erklären, was ihnen da empfohlen worden ist. Das hilft mehr als Beipackzettel, die so lang sind, dass sie keiner liest.

"Die Bank steht deutlich besser dar als 2008"

Commerzbank-Chef Martin Blessing beklagt die Papierflut durch Beratungsprotokolle.
Commerzbank-Chef Martin Blessing beklagt die Papierflut durch Beratungsprotokolle.

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Schiffsfonds verkauft die Commerzbank nicht mehr. Was passiert mit den Kunden, die die vor Jahren gekauft haben?
Das kommt auf den Einzelfall an. Haben wir Fehler gemacht, übernehmen wir dafür die Verantwortung. Aber es gibt auch Fälle, da hat das Produkt für die Kunden Sinn gemacht und wurde von diesen auch explizit nachgefragt. Wir schauen uns das deshalb ganz genau an. Ist die Kritik berechtigt, suchen wir mit dem Kunden eine Lösung. Außerdem ist es längst nicht so, dass jeder Schiffsfonds schlecht gelaufen ist.

Die neuen Filialen sind in der Testphase. Wann wollen Sie Bilanz ziehen?
Wir werden uns 2015 anschauen, was in den Pilotfilialen in Berlin und Stuttgart gut funktioniert hat und was nicht.

Bleibt es bei 1200 Filialen?
Ich bin mir sicher, dass es ein Privatkundengeschäft ohne Filialen nicht geben wird. Aber wie diese Filialen in 15 Jahren genau aussehen werden, wissen wir heute noch nicht. Das hängt vom Kundenverhalten ab, von der Entwicklung der Zinsen und vom Wettbewerb. Jedes Mal wenn der Mietvertrag für eine Filiale ausläuft, stellen wir uns auch die Frage, ob der Standort noch richtig für uns ist.

Die Commerzbank stand 2008 am Abgrund. Wann ist sie wieder gut aufgestellt?
Die Bank steht heute deutlich besser dar als 2008. Das ist der Verdienst der Mannschaft, die hart dafür gearbeitet hat. Was die Rückzahlung der Steuergelder angeht, haben wir alles zurückgezahlt, was in unserer Hand lag – und zwar schneller als das die meisten geglaubt hätten. Jetzt ist es allein die Sache des Bundes, ob und wann er seine Aktien verkauft.

Welche Rolle spielt der Standort Berlin für die Commerzbank?
Ich selbst war zum ersten Mal mit 16 auf Klassenfahrt hier. Seitdem hat sich die Stadt fantastisch entwickelt. Gerade im Privatkundengeschäft ist Berlin für uns ein sehr wichtiger Standort.

DER BANKER 

Martin Blessing (50) steht seit 2008 an der Spitze der Commerzbank. Gerade mal 100 Tage im Amt, verkündete er damals die Übernahme der Dresdner Bank. Als kurz darauf die Finanzkrise ausbrach, musste der Staat einspringen. Insgesamt stellte er dem Institut 18,2 Milliarden Euro zur Verfügung. Im Gegenzug wurde die Commerzbank teilverstaatlicht.

SEINE KARRIERE

Blessing kommt aus einer Bankerfamilie. Sein Großvater war Präsident der Bundesbank, sein Vater saß im Vorstand der Deutschen Bank. Blessing selbst stieg nach Stationen bei der Beratungsfirma McKinsey und der Dresdner Bank bereits mit 38 Jahren in den Vorstand der Commerzbank auf.

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