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Cum-Fake-Geschäfte: Mit Phantom-Aktien den Staat melken

Ein neues Finanzgutachten zeigt: Mit Cum-Fake-Deals holten sich Anleger-Betrüger mehr als 200 Millionen US-Dollar vom Staat.

Sich Geld vom Staat zu ergaunern, in dem sie sich Steuern mehrfach erstatten ließen – das war einigen besonders findigen Bankern und Aktienhändler irgendwann nicht mehr genug. Sie tricksten mit Phantom-Aktien, die sie noch nicht einmal besaßen: Zu den sogenannten Cum-Ex-Deals kam der Cum-Fake-Skandal.

Schon bei der Cum-Ex-Masche ließen sich die Anleger durch ein geschicktes Karussellgeschäft Bescheinigungen über Kapitalertragsteuern und den darauf entfallenen Solidaritätszuschlag von den Behörden mehrfach ausstellen. Denn für die Finanzämter war nicht mehr klar, wer zum Dividendenstichtag der Aktienbesitzer gewesen war. Bei Cum-Fake jedoch verlangten die Händler vom deutschen Staat sogar Steuern für Schein-Papiere zurück.

Wie die kriminellen Deals ablaufen

Erstmals lässt sich nun eine Summe über diesen zusätzlichen Steuerraub beziffern: Laut einem noch unveröffentlichten Finanzgutachten für die Linken im Bundestag, das dem Tagesspiegel vorliegt, beläuft sich der Schaden allein durch die Cum-Fake-Deals auf mindestens 200 Millionen Dollar. Demnach lassen Unterlagen der US-Börsenaufsicht SEC Rückschlüsse auf den Schaden zu, der den Steuerbehörden insgesamt entstanden ist - und die Beute. „Die reinen Gewinne beziffern bislang insgesamt einen Betrag von über 200 Millionen US-Dollar“, heißt es im Papier. Explizit wird darauf verwiesen, dass der Schaden wahrscheinlich noch „ein Vielfaches“ darüber liege.

Möglich waren die kriminellen Aktiendeals durch Geschäfte mit „American Depositary Receipts“ (ADR). Diese Belege händigen Banken den Anlegern in den USA als Ersatz für deutsche Aktien aus. Immer weniger deutsche Wertpapiere sind an einer US-Börse notiert, weil die Unternehmen den hohen Aufwand für die dazugehörigen zusätzlichen Finanzberichte scheuen. Durch die ADRs aber können auch amerikanische Investoren mit deutschen Aktien handeln.

Zu einem krummen Geschäft wird dieses Vorgehen, wenn das ADR-Papier nicht mehr mit einer tatsächlich gekauften Aktie hinterlegt ist. Wenn dann die Banken den Anlegern eine Steuerbescheinigung ausstellen für eine Kapitalertragsteuer, die sie wegen der fehlenden Aktie gar nicht gezahlt haben, kann dem Staat das Geld aus der Tasche gezogen werden.

Bafin informierte Ministerium nicht

Von diesen Geschäften bekamen die deutsche Bankenaufsicht Bafin und auch das Bundeszentralamt für Steuern bereits zwei Jahre vor dem öffentlichen Bekanntwerden der Cum-Fake-Deals im November 2018 Wind. Das berichtete der Tagesspiegel diese Woche. Doch beide Behörden unterließen es, das Bundesfinanzministerium darüber zu informieren. Dabei wären sie laut Grundgesetz eigentlich verpflichtet gewesen, entsprechende Informationen weiterzuleiten.

Das Finanzministerium sagte auf Anfrage zu den Gründen nichts. Ein Sprecher teilte lediglich mit, dass die Bafin seit Dezember 2018 - also im Nachhinein - an rund 60 Banken und an 135 Kapitalverwaltungsgesellschaften ein Auskunftsersuchen mit der Frage versendet habe, inwieweit eine Einbindung in den Handel oder die Emission von ADR vorgelegen habe. Zudem sei das digitale Erstattungsverfahren nach dem öffentlichen Bekanntwerden gestoppt worden und eine Task-Force der Bafin und des Bundeszentralamts für Steuern eingerichtet, um die „Gefährdungslage“ aufzuklären.

"Fehlendes Jagdfieber"

„Das ist Organisationsversagen und fehlendes Jagdfieber“, sagte der finanzpolitische Sprecher der Linken, Fabio de Masi, dem Tagesspiegel. „Wir brauchen eine dauerhafte Task Force zwischen Finanzministerium, Bafin und Bundeszentralamt für Steuern. Durch einen permanenten Austausch über einerseits bezahlte und andererseits erstattete Steuern müssen systematische Betrugsmuster wie etwa bei faulen Cum-Ex, Cum-Cum und Cum-Fake Deals bereits im Vorfeld erkannt werden.“

Der neu gegründete und gemeinnützige Verein „Bürgerbewegung Finanzwende“ drängt ebenfalls darauf, dass die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure im Geschäftsbereich des Finanzministers künftig besser organisiert werde. Dazu gehörten systematische Auswertungen der Marktaktivitäten an der Börse durch die Bafin.

Auch die Grünen-Politikerin Lisa Paus forderte, eine Taskforce müsse „dauerhaft eingerichtet und zu einer Spezialeinheit ausgebaut werden.“ Die Vergangenheit habe gezeigt, dass die kriminelle Energie von Steuerbetrügern unerschöpflich sei. Die Bafin müsse eigenen Ermittlungsbefugnisse erhalten. „Gleichzeitig braucht es eine Anzeigepflicht für Steuergestaltungsmodelle, damit die Behörden frühzeitig über Trends informiert sind“.

Die Deutsche Bank etwa hatte es laut Süddeutscher Zeitung schon bei den Cum-Ex-Geschäften versäumt, die Regierung über den Aktienhandel zu informieren. Die Bank erklärte, sie sei als Dienstleister in „Cum-Ex-Geschäfte von Kunden eingebunden“ gewesen. Dem Bericht zufolge liegen interne Mails vom März 2007 vor. Darin heißt es mit Blick auf Auslandslücken in den Steuerabteilungen, bestimmte Geschäfte würden wahrscheinlich dazu führen, dass von den Finanzbehörden eine Erstattung von Steuern verlangt werde, die niemals gezahlt worden war. Das Institut warnte die Bundesregierung aber nicht.

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