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Ein junger Mann arbeitet als Barista in einem Café.

© IMAGO/Zoonar

Update

Dänemark hatte geklagt: EuGH kippt zentrale Vorgaben der EU-Mindestlohnrichtlinie

Darf die EU Kriterien für die Festsetzung von angemessenen Mindestlöhnen vorgeben? Das höchste europäische Gericht sagt in einem neuen Urteil Nein. Der Kläger bekommt aber nur teilweise recht.

Stand:

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zwei zentrale Bestimmungen der EU-Richtlinie über angemessene Mindestlöhne für nichtig erklärt. Die Richterinnen und Richter in Luxemburg gaben damit einer Klage Dänemarks gegen das 2022 beschlossene Regelwerk teilweise statt.

Mit einer Mehrheit von 24 der 27 Mitgliedstaaten hatte der EU-Rat im Herbst 2022 die „Richtlinie über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union“ angenommen, die europaweit ein angemessenes Mindestlohnniveau gewährleisten und Tarifverhandlungen stärken soll.

Dänemark und Schweden stimmten dagegen, da sie ihr spezielles Tarifmodell gefährdet sahen; Ungarn enthielt sich der Stimme. Dänemark, wo es traditionell eine hohe Tarifbindung gibt, klagte gegen die Vorgabe aus Brüssel.

Dass der EU-Gesetzgeber Kriterien für die Festlegung der Mindestlöhne aufgeführt habe, sei ein unmittelbarer Eingriff in die Festsetzung des Arbeitsentgelts, urteilten die Richterinnen und Richter.

„Dies greift unmittelbar in die Bestimmung des Arbeitsentgeltes ein“, meint dazu auch die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

Ferner sieht die Richtlinie eine Tarifbindung von 80 Prozent vor. Wenn Mitgliedstaaten darunter bleiben, müssten „Aktionspläne“ zur Erhöhung der Quote aufgestellt werden. In Deutschland fallen nur noch knapp die Hälfte der Beschäftigten unter den Schutz eines Tarifvertrags.

Auch deshalb will die Bundesregierung ein Tariftreuegesetz einführen, das Unternehmen verpflichtet, Tariflöhne zu zahlen, wenn sie Aufträge des Bundes ab einem Volumen von 50.000 Euro annehmen.

Richtlinie muss nicht abgeschafft werden

Im Übrigen bleibt die Mindestlohnrichtlinie dem Urteil zufolge bestehen. Sie verpflichtet die Länder etwa weiterhin, auf hohe Abdeckungsraten von Tarifverträgen hinzuwirken. Der EuGH verneinte hier einen unmittelbaren Eingriff in das Koalitionsrecht, das ebenfalls in der Zuständigkeit der EU-Länder liegt.

Die Bestimmung verpflichte die Mitgliedstaaten nämlich nicht, zu regeln, dass mehr Arbeitnehmer einer Gewerkschaft beizutreten haben.

Für Deutschland bedeutet das, dass das Land weiterhin einen Aktionsplan zur Steigerung der Tarifbindung vorlegen muss. Die Pflicht gilt nach der Mindestlohnrichtlinie, wenn weniger als 80 Prozent der Beschäftigten von Tarifverträgen erfasst werden.

Deutschland hat das nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bisher noch nicht gemacht, obwohl es den Schwellenwert nicht erreicht. Dies soll den Angaben zufolge bis zum 31. Dezember geschehen. Es wurden bereits Stellungnahmen von Sozialpartnern eingeholt.

Die bis jetzt geltende Richtlinie enthält Vorgaben für den Mindestlohn und die Tarifbindung. Danach sollen die Mitgliedstaaten Lohnuntergrenzen anstreben, die 60 Prozent des jeweiligen Medianentgelts (brutto) respektive 50 Prozent des Durchschnittsentgelts erreichen.

Keine direkte Auswirkung auf deutschen Mindestlohn

Auf die Höhe des Mindestlohns in Deutschland hat die Entscheidung keine direkte Auswirkung. Die Bundesregierung hatte jüngst beschlossen, dass der derzeitige Mindestlohn in Höhe von 12,82 Euro zum 1. Januar auf 13,90 Euro pro Stunde und ein Jahr später um weitere 70 Cent auf 14,60 pro Stunde steigt. 

Unklar ist weiterhin, ob und inwieweit die bereits seit elf Jahren geltenden nationalen Regelungen im Mindestlohngesetz an EU-Recht angepasst werden müssen.

Im Zusammenhang mit der EU-Mindestlohnrichtlinie gab es seit längerem die Forderung, dass Arbeitgeber mindestens 60 Prozent des mittleren Bruttolohns in Deutschland zahlen.

Der mittlere Bruttolohn ist dabei der Lohn, bei dem die eine Hälfte der Beschäftigten mehr und die andere Hälfte der Beschäftigten weniger verdienen. Die Mindestlohnrichtlinie sieht vor, bei der Bewertung der Angemessenheit des Lohns solche Referenzwerte zugrunde zu legen.

Bei Verwendung des mittleren Lohns hätte der Mindestlohn in Deutschland nach Gewerkschaftsangaben eigentlich auf mehr als 15 Euro angehoben werden müssen. (dpa/alf)

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