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Wachstum, sei es nun grün oder nicht, ist nötig, um den Wohlstand im Land in Zeiten des demografischen Wandels zu erhalten.

© imago images/Andreas Vitting

Demografischer Wandel: Der Klimawandel ist nicht das einzige drängende Generationenproblem

Eine OECD-Studie zeigt, dass das Wachstum der Industriestaaten abnehmen wird - und der Wohlstand in Gefahr ist. Doch das lässt sich ändern. Ein Kommentar.

Die Antwort, wie Deutschland bei fortschreitendem demografischen Wandel seinen Wohlstand halten kann, hieß bislang: Wirtschaftswachstum. Durch höhere Produktivität dank neuer Technologien sollten auch weniger Menschen die gleichen Wachstumsraten erwirtschaften, um immer höhere Ausgaben für Gesundheits- und Rentensystem zu finanzieren.

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Eine Studie der OECD säht nun Zweifel daran, ob das klappt. Das Wachstum der Industriestaaten werde in den kommenden 40 Jahren immer schwächer, so das Fazit der Untersuchung. Die Industriestaaten müssten auf lange Sicht mit deutlich schwächeren Wachstumsraten rechnen. Demnach werde das durchschnittliche Plus des Bruttoinlandsproduktes der G20-Staaten in den kommenden Jahren von 3,0 Prozent auf 1,5 Prozent im Jahr 2060 abschmelzen.

Wachstumstreiber bleiben der Prognose zufolge Indien und China, wobei Indien die Volksrepublik in den 2040er Jahren als Zugpferd der Weltwirtschaft ablösen werde.

Es braucht Wachstum - nur wie?

Für die Staatsfinanzen gerade in Deutschland wird das ein massives Problem. Denn parallel zum sinkenden Wachstum wird sich den Berechnungen zufolge der demografische Wandel fortsetzen. Das führt dazu, dass immer weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter für die Erhaltung des Wohlstands sorgen müssen.

Machbar ist das nach der herrschenden Meinung unter Ökonomen nur mit hohen und verlässlichen Wachstumsraten. Diese sind wiederum unter diesen Bedingungen nur mit dem Schlüsselwort Produktivität zu erreichen – das heißt, die Arbeitskräfte müssen effizienter genutzt werden.

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Doch ob Innovation allein reicht, ist nicht klar. Um nicht allein darauf angewiesen zu sein, verlangt die OECD Arbeitsmarktreformen. Besonders in den Bereichen Rente, Gesundheit und Pflege werden die Ausgaben demnach in den kommenden Jahren deutlich zunehmen. Wollten Staaten ihre Standards bei öffentlichen Dienstleistungen und ihr Schuldenniveau beibehalten, brauchten sie deshalb höhere Einnahmen, so die OECD. Im Mittel müsste ein Mitgliedsland bis 2060 ein Wachstum um acht Prozentpunkte hinlegen.

Zuwanderung und Rentenreformen

Konkret schlagen die Studienautoren ein höheres Renteneintrittsalter sowie die Vermeidung von Frühverrentung vor. Eine Erhöhung des Rentenalters um zwei Drittel der zusätzlichen Lebenserwartung, würde die Hälfte der zusätzlich nötigen Aufwendungen finanzieren, rechnet die OECD vor. Die aktuelle Staatsverschuldung durch die Coronakrise sei im Vergleich zu den finanziellen Herausforderungen des demografischen Wandels kaum nennenswert.

Damit ist das OECD-Papier ein Weckruf. Gerade auch für die Ampel-Verhandler. Denn deutlich wird, dass es mit dem demografischen Wandel neben dem Klimawandel ein weiteres gigantisches Problem gibt, das die jüngeren Generationen auszubaden haben. Ein Weiter-So im Rentensystem darf es nicht geben. Ein Vertrauen auf Deutschlands Tradition als Industrieland wird ebenfalls nicht reichen. Und eine Erhöhung des Renteneintrittsalters reicht auch nicht aus.

Es braucht eine offensive Zuwanderungspolitik, Förderung von Forschung und Technologien sowie Rentenreformen, die die Empfänger am Wachstum der Weltwirtschaft teilhaben lassen. Sonst wird die OECD recht behalten. Was die OECD mit ihrer Studie nämlich nicht infrage gestellt hat, ist das Wachstumspotential. Nur den Weg, der dieses Potential nicht ausschöpft.

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