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Wirtschaft: Der Allfinanz-Konzern: Aktien profitieren vom Konzept des Allroundunternehmens

Unternehmerischer Gigantismus ist en vogue. Ob die Größe Laster oder Tugend ist, ist allerdings eine unbeantwortete Frage.

Unternehmerischer Gigantismus ist en vogue. Ob die Größe Laster oder Tugend ist, ist allerdings eine unbeantwortete Frage. Jetzt hat sich auch die deutsche Finanzbranche infiziert: Der weltgrößte Versicherer Allianz übernimmt mit der Dresdner Bank die drittgrößte deutsche Bank. Daraus erwächst ein Allfinanz-Konzern bisher ungekannter Größenordnung. Beachtlicher Nebeneffekt: Wenn auch die Münchener Rück und Hypo-Vereinsbank enger zusammenrücken, entsteht ein zweites Allroundunternehmen.

"Die Voraussetzungen für ein Gelingen des Allianz-Dresdner-Deals sind gut", sagt Hans Peter Roßgoderer, Fondsmanager bei Merck Finck Invest. "Da es eine freundliche Übernahme ist, dürfte es auch gelingen, die beiden Unternehmenskulturen zusammenzuführen. Die Vorteile lägen allerdings mehr auf Seiten der Allianz, die einen breiteren Vertriebsweg für ihre Produkte erhalte. Aber auch die Dresdner verzeichnet ein Plus: Ihr Status als Bank bleibt erhalten. "Allein wäre sie zu klein, um zu überleben", urteilt der Fondsmanager.

Die Idee des Allfinanzkonzerns ist nicht neu. Bereits in den achtziger Jahren versuchten Banken und Versicherer ihre Vertriebswege gemeinsam zu nutzen: Die Bankfilialen und das Vertreternetz ergänzen sich prächtig. Die gemeinsame Produktpalette deckt das gesamte Spektrum der Anlagemöglichkeiten ab. In guten Börsenzeiten floriert das Geschäft mit Aktien, in schlechten verkauft man verstärkt Fonds und Versicherungen.

Die amerikanische Citigroup, die 1998 aus dem Zusammenschluss von Citibank und Travelers Group entstand, gilt als das bislang erfolgreichste Experiment, einen globalen Finanzkonzern zu zimmern. "Das Beispiel ist ermutigend, wenn man sich die Performance des Aktienkurses ansieht", sagt Rossgoderer. Souverän zog Citigroup an so etablierten Investmentbanken wie J.P. Morgan vorbei. Die Citigroup bietet ihren 100 Millionen Kunden nicht nur traditionelle Bankprodukte und Versicherungspolicen an, sondern auch die Dienste ihrer Investmentbank Schroder Salomon Smith Barney. Diese Strategie revolutionierte das US-Bankenwesen, das im Gegensatz zum deutschen eine strikte Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken vorschreibt. Die in Kontinentaleuropa verbreiteten Universalbanken waren bis dahin in den USA unbekannt. Doch die Citigroup ist noch nicht satt. An Wall Street kursieren Gerüchte, dass sich ihr Chef Sandy Weill für den Kauf von American Express interessiert. Prompt legte die Aktie des Kreditkartenunternehmens, das auch in der Vermögensverwaltung eine starke Position hat, um sieben Prozent zu.

Die Credit Suisse Group ist ein kleines Beispiel für eine gelungene Kombination von Expertise im Geldgeschäft mit dem Fachwissen einer renommierten Versicherung: Das Schweizer Institut übernahm die Winterthur Versicherung. Allerdings steht das Bankengeschäft hier eindeutig im Vordergrund. Versicherungen spielen nur die zweite Geige, zumal Winterthur nur regional positioniert ist.

Die niederländische ING Groep gilt in Europa als Vorreiter des Allfinanzkonzepts. Bereits Anfang der neunziger Jahre vereinten sich die Versicherung Nationale Nederlanden und die NMB-Postbankengruppe. ING hat sich inzwischen - trotz der unglücklichen Barings-Übernahme - zu einer homogenen Gruppe entwickelt. "Die Verschmelzung von Versicherung und Bank ist dort am besten gelungen", sagt Rossgoderer. Bilanzsumme und Nettogewinne wuchsen zur Freude der Aktionäre rasch.

Bislang überschreiten Fusionen in Europa selten nationale Grenzen. "Durch die Übernahme der Dresdner wird auf europäischer Ebene eine Konsolidierung der Finanzbranche angestoßen", ist Rossgoderer überzeugt. Das ist für Aktionäre eine gute Nachricht, sorgen Gerüchte doch für Kursfantasie. Die Deutsche Bank und die Commerzbank dürften bei der Suche nach neuen Partnern einen Zahn zulegen.

In Europa verbleiben der französische Versicherer Axa und die italienische Generali, die mit der Commerzbank bereits verflochten ist. In Bankenkreisen heißt es schon seit langem, die Commerzbank sei zu klein, um allein zu überleben, ein ausländisches Haus könnte nach ihr greifen. "Die Deutsche Bank wird wohl die Zusammenarbeit mit der französischen Axa verstärken und kapitalmäßig untermauern," vermutet Rossgoderer. Allerdings sei die Deutsche Bank zu groß, um übernommen zu werden.

Der Investmentprofi bleibt skeptisch, ob Mischkonzerne der Königsweg zum Erfolg sind. Der Euphorie Anfang der achtziger Jahre folgte jedenfalls Ernüchterung. Für die Größe spricht die Hoffnung auf Kostenersparnis. Werden die unübersichtlichen Überkreuzbeteiligungen zwischen Versicherern, Banken und der Industrie entwirrt, ist eine wichtige Voraussetzung für ein konkurrenzfähiges und profitables Finanzsystem geschaffen. Davon profitieren die Aktien.

Der gewichtigste Einwand gegen Gigantomanie liegt in organisatorischen Aspekten. Dabei geht es nicht nur um Aufbau und Ablauf der Geschäfte, sondern insbesondere auch um die Bezahlung und Motivation der Mitarbeiter. Zudem lösen Fusionen nicht das Problem der chronisch niedrigen Profitabilität der deutschen Geschäftsbanken, insbesondere im Kreditgeschäft. Größe allein ist also weder Sünde, noch Verdienst.

Catherine Hoffmann

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