zum Hauptinhalt
Kein Spiel. Die 2001 eingeführte Riester-Rente sollten vor allem Geringverdienern bei der privaten Altersvorsorge helfen. Foto: dpa

© dpa-tmn

Wirtschaft: Der Riester-Flop

DIW-Studie: Die staatlich geförderte Zusatzrente zahlt sich nicht aus.

Berlin - Eine Rendite von fünf Prozent auf die Ersparnisse für die Rente – das klingt gut. Muss man dafür allerdings erst 96 Jahre alt werden, geht die Rechnung für die meisten Menschen nicht mehr auf. Sie sollten sich mit weniger zufrieden geben. Mit sehr wenig sollten Sparer rechnen, die einen vom Staat geförderten Riester-Vertrag auf Versicherungsbasis abgeschlossen haben oder dies noch tun wollen. Zu diesem Ergebnis kommen Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurden.

Zehn Jahre nach der Einführung der kapitalgedeckten, privaten Altersvorsorge zogen die Wissenschaftler eine vernichtende Bilanz: „Riester-Sparer erzielen in vielen Fällen nur so viel Rendite, als hätten sie ihr Kapital im Sparstrumpf gesammelt“, sagte Kornelia Hagen, DIW-Expertin für Verbraucherpolitik. Statt, wie von der Politik gewollt, gerade schwächeren Einkommensgruppen eine neben der gesetzlichen Rente zuverlässige Möglichkeit der privaten Vorsorge zu geben, seien Riester-Produkte seit 2001 „systematisch zu Ungunsten der Verbraucher gestaltet“ worden. Die Aussage, Riester- Verträge lohnten sich wegen der staatlichen Zulagen für alle, sei falsch, sagte Axel Kleinlein, Mitverfasser der Studie und Vorstandsvorsitzender des Bundes der Versicherten (BdV). Er warnte vor „Schnellschüssen“ und empfahl Verbrauchern, sich angesichts des „unüberschaubaren Angebots“ und der „Kreativität der Versicherungsbranche“ individuell und unabhängig beraten zu lassen. Wer bereits einen Riester-Vertrag habe, solle diesen auf keinen Fall überstürzt kündigen, sagte DIW-Chef Gert G. Wagner. „Das kostet eine Menge Geld.“ Bei einer Kündigung müssen staatliche Zulagen oder eventuell in Anspruch genommene Steuerersparnisse zurückgezahlt werden.

Nur 40 Prozent der Anspruchsberechtigten (etwa 15 Millionen Deutsche) haben laut DIW eine Riester-Rente, im unteren Einkommensbereich seien es sogar deutlich weniger. Auch Menschen mit geringer Bildung und Migrationshintergrund riestern seltener als der Durchschnitt der Bevölkerung. Der größte Anteil der Verträge entfällt laut Investmentverband BVI auf die vom DIW in Kooperation mit der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung untersuchten Riester-Rentenversicherungen. Weniger verbreitet sind Fonds- oder Banksparpläne oder die 2008 eingeführte Eigenheimrente, der sogenannte Wohn- Riester. Förderberechtigte Sparer (rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer, Beamte, versicherungspflichtige Selbstständige oder Bezieher von Arbeitslosengeld) haben Anspruch auf eine staatliche Zulage – unabhängig vom Einkommen. Neben der jährlichen Grundzulage von 154 Euro (sofern der Sparer mindestens vier Prozent seines Einkommens, maximal aber 2100 Euro eingezahlt hat) sind dies insbesondere Zuschüsse für Kinder von bis zu 300 Euro pro Jahr und Kind. Außerdem sind jährlich Einzahlungen von bis zu 2100 Euro steuerlich absetzbar.

Damit sich das Riester-Modell künftig rechnet, empfehlen das DIW und der BdV eine umfassende Reform – etwa transparente Kalkulationsgrundlagen und eine begrenzte Zahl von Produkten, die in einer von unabhängigen Experten erstellten Positivliste veröffentlicht werden sollten.

Auch die Bundesregierung sieht bei Riester „Nachbesserungsbedarf“, wie eine Sprecherin von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Mittwoch sagte. „Die Kosten der Produkte müssen transparenter werden. Und es muss für die Versicherten möglich sein, den Anbieter mit geringem Aufwand und geringen Kosten zu wechseln.“ Die Riester-Rente soll nach dem Willen von der Leyens auch attraktiver werden, weil die von ihr geplante Zuschuss-Rente gegen Altersarmut nur den Menschen gewährt werden soll, die einen Riester-Vertrag haben.

Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe in der Unions-Fraktion, Peter Weiß, kündigte an, dass die Koalition im nächsten Jahr zusätzliche Informations- und Transparenzpflichten der Versicherer einführen will. „Wir müssen die Situation der Sparer verbessern“, sagte er. Weiß warnte zugleich davor, das Riester- Sparen kaputtzureden. Auch SPD-Sozialexperte Karla Lauterbach sagte, die Riester-Rente sei nach wie vor eine gute Anlage, die er jedem empfehlen könne. „Man kann nicht beides haben: eine Riesen-Rendite und hohe Sicherheit“, sagte Lauterbach. Problematisch sei allerdings, dass diejenigen, die am dringendsten eine Absicherung fürs Alter bräuchten, häufig keinen Riester-Vertrag abschlössen. „Wir brauchen daher andere Instrumente, um Altersarmut zu verhindern“, sagte er.

Der rentenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Wolfgang Strengmann-Kuhn, sprach sich hingegen für eine grundlegende Reform der Riester-Rente aus: „Es geht nicht darum, die Versicherungswirtschaft zu fördern, sondern den Lebensstandard von Menschen im Alter zu sichern“, sagte er. Konkret sprach er sich dafür aus, die Förderung stärker auf Geringverdiener zu konzentrieren. Die Riester-Rente müsse sich für diese Personen stärker lohnen – auch dadurch, dass sie später nicht voll auf die Grundsicherung angerechnet werde. Darüber hinaus regte er an, nach dem Vorbild von Schweden eine staatlich organisierte kapitalgedeckte Zusatzvorsorge einzuführen. „Die Rentenversicherung könnte einen transparenten und stärker regulierten Standardkatalog von Anlageformen verwalten, die riester-förderungswürdig sind. Davon würden diejenigen profitieren, die den Überblick über die komplizierten Produkte verloren haben“, sagte er.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false