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Chronologie: Der Streit um das Wertheimerbe

Die Ursprünge des Streits um das Erbe der jüdischen Kaufmannsfamilie Wertheim gehen weit in die Vergangenheit zurück. Die Auseinandersetzung ist ein Spiegel der jüngere Geschichte Deutschlands.

Stand:

Berlin - Die wichtigsten Stationen von den Anfängen der Dynastie bis zur jetzt vereinbarten Beendigung des juristischen Konflikts mit dem KarstadtQuelle-Konzern in einer Übersicht.

1875: Ida und Abraham Wertheim eröffnen in Berlin ein kleines Geschäft zum Verkauf von Kleidung und Fertigwaren.

1920: Abraham Wertheims Kinder Georg, Franz und Wilhelm werden Haupteigentümer des nun in Deutschland bereits führenden Warenhauskonzerns.

1937 - 1939: Nach der Machtübernahme durch die Nazis wird Georg Wertheim als Letzter gezwungen, sich vom Geschäft zurückzuziehen. Die meisten Mitglieder der Wertheim-Familie flüchten in die USA. Die Reichsregierung beschlagnahmt Grundstücke und Gebäude.

1945: Nach Kriegsende beschlagnahmt die sowjetische Besatzungsmacht den Wertheim-Grundbesitz.

1961: Bau der Berliner Mauer, die auch den Wertheim-Grundbesitz in Berlin-Mitte teilt.

1988: Grenzbereinigung in Berlin zwischen der DDR und dem Senat, womit der Grundbesitz auf westlicher Mauer-Seite an West-Berlin übertragen wird.

1991: Das inzwischen zu Hertie gehörende Warenhaus Wertheim erhält vom Land Berlin Eigentum an den Grundstücken im so genannten Lenné-Dreieck am Potsdamer Platz.

1994: Die KarstadtQuelle AG erwirbt Hertie. Wertheim wird eine 100-prozentige Tochter von KarstadtQuelle.

2000: KarstadtQuelle verkauft 20.000 Quadratmeter Land am Lenné-Dreieck an Metro-Gründer Otto Beisheim. Der Senat hatte dieses Gelände zum symbolischen Preis von einer DM einst an Hertie abgegeben. Beisheim zahlt jetzt an KarstadtQuelle 145 Millionen Euro und errichtet dort das Beisheim-Center sowie die Luxushotels Ritz-Carlton und Marriott.

2001: Das Berliner Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen überträgt das Eigentum an umstrittenen Wertheim-Liegenschaften an die Jewish Claims Conference (JCC), welche die Rechte an jüdischem Vermögen in Deutschland betreut.

2001: In New York klagt die Wertheim-Familie gegen die KarstadtQuelle AG wegen "betrügerischen Erwerbs des Wertheim-Konzerns".

2003: Der Deutsche Bundestag eröffnet das auf früherem Wertheim-Besitz errichtete Marie-Elisabeth-Lüders-Haus am Spreebogen. Der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse lädt sieben Wertheim-Erben persönlich zur feierlichen Eröffnung ein und sagt, berechtigte Ansprüche seien zu erfüllen.

2004: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheidet, dass das Vermögensgesetz auch auf Flächen im Lenné-Dreieck anzuwenden ist und spricht der JCC Entschädigungsrechte auf die Grundstücke des Beisheim-Centers zu.

2005: Das Verwaltungsgericht Berlin weist die Klage der KarstadtQuelle AG gegen die Rückübertragungsbescheide zu Gunsten der JCC ab. Nach dem Urteilstenor ist nicht KarstadtQuelle Rechtsnachfolger der im Wertheim-Konflikt betroffenen NS-Verfolgten sondern die Jewish Claims Conference.

2005: Die Bundesregierung einigt sich mit den Wertheim-Erben auf eine Entschädigung in Höhe von 17,3 Millionen Euro für das Grundstück des Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestags im Regierungsviertel von Berlin-Mitte.

August 2006: Das Bundesamt für offene Vermögensfragen bestätigt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, dass auch für das Lenné-Dreieck und damit das Beisheim-Center Restitutionsansprüche der JCC stellvertretend für die Wertheim-Familie bestehen. KarstadtQuelle kündigt an, bis zur letztinstanzlichen Regelung weiter den Rechtsweg gehen zu wollen.

September 2006: In einer Pressekonferenz im Ritz-Carlton auf dem früheren Wertheim-Grund erneuert die Sprecherin der etwa 50 noch lebenden Wertheim-Erben, Barbara Principe (73), die Forderungen nach Entschädigung durch KarstadtQuelle und wendet sich mit der Bitte um direkte Gespräche persönlich an Konzernchef Thomas Middelhoff. Sie wird unterstützt von dem Publizisten Henryk M. Broder, dem JCC-Chef Roman Haller und dem Anwalt und früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP). KarstadtQuelle reagiert am selben Tag und hält der JCC eine Kampagne vor mit dem Ziel, KarstadtQuelle öffentlich unter Druck zu setzen. Das Unternehmen lehnt die Forderung nach direkten Kontakten zur Wertheim-Familie ab und beharrt auf dem Rechtsweg.

März 2007: In Düsseldorf wird nach monatelangen Geheimgesprächen zwischen Konzernchef Middelhoff und JCC-Präsident Haller unter Vermittlung von Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl die außergerichtliche Einigung bekannt gegeben. Nach Darstellung der Wertheim-Anwälte in Berlin und in den USA ist damit der Konflikt beendet. Alle laufenden Verfahren werden von beiden Seiten aufgegeben. KarstadtQuelle zahlt 88 Millionen Euro an die Wertheim-Erben. (tso/dpa)

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