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Schatten über London: Alles hängt davon ab, ob das Unterhaus für den Brexit-Vertrag stimmt.

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Angst vorm Chaos: Deutsche Firmen fürchten harten Brexit

Großbritannien will den Austrittsvertrag neu verhandeln, die EU lehnt das ab. Die Wirtschaft bereitet sich deshalb nun auf das Schlimmste vor.

Von Carla Neuhaus

Auf jedes Wort kommt es im Brexit-Streit inzwischen an. Zum Beispiel auf den kleinen, aber feinen Unterschied zwischen reden und verhandeln. Reden will die EU laut Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) weiter mit den Briten – verhandeln aber nicht. Es gebe allenfalls Spielraum für weitere Gespräche zwischen der EU und Großbritannien, nicht aber für Neuverhandlungen, sagte Altmaier am Wochenende.

Großbritanniens Premierministerin Theresa May steckt in einer mehr als schwierigen Situation. Vor knapp einer Woche hatte sie die Abstimmung im Londoner Unterhaus verschoben. Um ein Nein der Abgeordneten zum Brexit-Vertrag nicht zu riskieren, wollte May zunächst die Europäer zu Nachverhandlungen überreden. Doch die erteilten May Freitagabend eine Absage. Damit ist die Angst vor einem harten Brexit wieder da. Altmaier sagt: Ob letztlich ein ungeordneter Brexit noch vermieden werden könne, wisse er schlicht nicht.

Verbände warnen vorm Verlust von Jobs und Wohlstand

Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft sind deshalb alarmiert und warnten am Wochenende vor den Folgen eines chaotischen Brexits ohne Abkommen mit der EU. Eric Schweitzer, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), befürchtet „massive Auswirkungen“ auf die deutsche Wirtschaft: „Das kann zum Verlust von Jobs und von Wohlstand führen.“ Industriepräsident Dieter Kempf sprach von einer „dramatischen“ Situation: „Jede Verzögerungstaktik ist brandgefährlich. Die Wirtschaft braucht endlich Klarheit.“ Ein ungeordnetes Ausscheiden des Vereinigten Königreichs riskiere ein Außenhandelsvolumen Deutschlands von über 100 Milliarden Euro: „Es droht eine unmittelbar durchschlagende Rezession in der britischen Wirtschaft, die auch an Deutschland nicht unbemerkt vorüberziehen würde.“

Alles hängt am britischen Unterhaus, das bis zum 21. Januar über den Brexit- Vertrag abstimmen muss. Sagen die Abgeordneten Nein, wäre das Abkommen mit der EU hinfällig. Ohne Abkommen darf es rechtlich aber nicht einmal eine Übergangsphase geben. Ein Szenario, vor dem Verbände und Unternehmen Angst haben, weil man weder in Großbritannien noch in der EU darauf vorbereitet ist. Allein logistisch gäbe es enorme Probleme: So müssten bei einem ungeordneten Brexit vom ersten Tag an Zollkontrollen an der Grenze zu Großbritannien durchgeführt werden. Weder in Dover noch in Calais gibt es aber ausreichend Parkplätze, auf denen die Lkw auf ihre Abfertigung warten könnten.

Großbritannien ist Deutschlands fünftwichtigster Handelspartner

Ein solcher harter Brexit träfe den Handel zwischen Deutschland und Großbritannien massiv. Die Insel ist für deutsche Firmen der fünftgrößte Absatzmarkt. 750.000 Arbeitsplätze hängen hierzulande vom Export nach Großbritannien ab. Deutsche Unternehmen reagieren deshalb schon jetzt, allein die Furcht vor dem harten Brexit hat also Folgen: Seit der Entscheidung über den EU-Austritt vor zweieinhalb Jahren sind die deutschen Exporte auf die Insel um fünf Prozent zurückgegangen. Auch mit neuen Investitionen in Großbritannien halten sich die Deutschen zurück. Industriepräsident Kempf meint, dass die Erlöse, auf die die Firmen dadurch verzichtet haben, im Millionenbereich liegen.

In dieser Woche will die EU einen Notfallplan vorlegen: Sie will darüber informieren, was konkret bei einem harten Brexit passieren wird. Das soll Unternehmen Klarheit geben. Aber vor allem soll es den Druck auf Großbritannien weiter erhöhen. mit rtr, dpa

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