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Wirtschaft: Devisenhändler schreiben den Dollar ab

Euro-Kurs steigt bis auf 1,3074 Dollar – den höchsten Stand seit der Einführung/Finanzminister Eichel: „Eine brutale Entwicklung“

Berlin /Frankfurt am Main - Der Kursverfall des Dollar gegenüber dem Euro hat sich am Donnerstag fortgesetzt. Die europäische Gemeinschaftswährung kletterte am Vormittag auf 1,3074 Dollar und damit auf den höchsten Stand in ihrer Geschichte. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,3024 (Mittwoch: 1,3026) Dollar fest. Am Abend sackte der Euro wieder knapp unter die Marke von 1,30 Dollar.

Der 1999 eingeführte Euro hat damit seit seinem Tiefstand im Oktober 2000, als er bei 82 US-Cents lag, rund 58 Prozent zugelegt. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) nannte die Wechselkursentwicklung „brutal“. Bundesbank- Präsident Axel Weber bezeichnete die jüngste Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar als von den Notenbanken „unerwünscht“. Gleichzeitig zeigte sich Weber im Gespräch mit der „Börsenzeitung“ gelassen wegen möglicher Folgen für die deutsche Wirtschaft. Der bisherige Rückgang der preislichen Wettbewerbsfähigkeit gefährde den exportgetriebenen Aufschwung „nicht ernsthaft“.

Der Deutsche Aktienindex (Dax) zeigte sich vom starken Euro zunächst unbeeindruckt. Am Vormittag stieg der Dax auf den neuen Jahreshöchststand von 4191 Punkten. Dann setzten Verkäufe ein, weil Anleger ihre Kursgewinne sichern wollten. Zum Handelsschluss lag der Dax bei 4178,68 Punkten mit 0,11 Prozent im Minus. Marktbeobachter erklärten den Kursanstieg zuvor mit Umschichtungen aus dem Dollarraum. Für Amerikaner sind europäische Aktien attraktiv, weil Währungsgewinne Kursgewinne bedeuten.

Auslöser für den erneuten Kursverfall des Dollar sei die Nachricht gewesen, Russland wolle im kommenden Jahr die Dollar-Anbindung des Rubel aufgeben, sagte Devisenanalyst Carsten Fritsch von der Commerzbank. Beachtung fanden auch Äußerungen von US-Finanzminister John Snow. Dieser hatte am Vortag erklärt, dass der Wechselkurs des Dollar den Märkten überlassen werden sollte. Zwar bekräftigte er das Interesse an einem starken Dollar, schloss aber eine offizielle Intervention aus. Damit machte er Hoffnungen auf eine gemeinsame Strategie der Industriestaaten zur Stabilisierung des Dollars beim am Freitag in Berlin beginnenden G20-Treffen zunichte.

Bundesfinanzminister Eichel sieht wegen des anhaltenden Anstiegs des Euro- Kurses Gesprächsbedarf auf internationaler Ebene. Doch mit einer gemeinsamen Position der G20 rechnet Eichel nicht. „Die G20-Gruppe ist kein Forum für Währungsfragen“, sagte er. Dieses Thema könne man nur „hinter verschlossenen Türen“ mit den USA und Japan erörtern. Im Vorfeld des G20-Treffens warnte Siemens-Chef Heinrich von Pierer, der starke Euro sei ein Problem. „Unsere Produkte haben sich in den letzten Monaten um 30 Prozent verteuert. Die Europäer müssen einmal klar zum Ausdruck bringen, dass wir einen weiter steigenden Euro nicht haben wollen“, sagte von Pierer dem Handelsblatt.

Händlern und Analysten zufolge ist die Dollar-Schwäche aber noch lange nicht zu Ende. Die Analysten der Schweizer Bank UBS erwarten beispielsweise eine Fortsetzung des Trends. Die Stimmung gegenüber dem Dollar sei derzeit „ausgesprochen schlecht“. Nachdem die psychologisch wichtige Marke von 1,3055 Dollar für einen Euro gefallen sei, sei das nächste Ziel ein Kurs von 1,3185 Dollar. Auch die Devisenhändler der Hypo-Vereinsbank erwarten, dass die Dollar-Abwertung „längst nicht abgeschlossen“ sei. Sie halten Ende 2005 einen Kurs von 1,35 Dollar je Euro und 1,40 Dollar im Jahr 2006 für „nicht überzogen“. Ähnlich schätzen die Experten der Commerzbank die Lage ein. Viele Marktteilnehmer seien vom jüngsten Anstieg des Euro überrascht worden und nutzten offenbar Kursrückgänge zum Einstieg. Allerdings nehme der politische Widerstand gegen eine weitere Abwertung des Dollar zu.

Daniel Rhee-Piening

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