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Wirtschaft: Die drittgrößte deutsche Bank will alleine bleiben - Vorstandschef Walter legt Programm zur Neuausrichtung vor

Eigentlich sind es schon mehr als Gerüchte: Dass die Dresdner Bank und die HypoVereinsbank spätestens im nächsten Jahr unter ein Dach schlüpfen, gilt für viele Experten als ausgemachte Sache. Allein schon, weil dies der Allianz-Konzern so wolle, der bei beiden Geldhäusern ein dickes Aktienpaket halte.

Eigentlich sind es schon mehr als Gerüchte: Dass die Dresdner Bank und die HypoVereinsbank spätestens im nächsten Jahr unter ein Dach schlüpfen, gilt für viele Experten als ausgemachte Sache. Allein schon, weil dies der Allianz-Konzern so wolle, der bei beiden Geldhäusern ein dickes Aktienpaket halte. Der immer härtere Wettbewerb im Bankensektor lasse gar keine andere Wahl. Dresdner-Bank-Vorstandssprecher Bernhard Walter hat diese Entwicklung seit seinem Amtsantritt vor 23 Monaten mit erstaunlicher Gelassenheit beobachtet. Ab und an eine Ankündigung über geplante Übernahmen. Mehr nicht. Kritik blieb denn auch nicht aus.

"Jetzt endlich", wie viele sagen, hat der 59jährige Schwabe reagiert. Gemeinsam mit dem Vorstand legte Walter unlängst ein Fitnessprogramm für die drittgrößte deutsche Bank vor. "Weiterentwicklung 2002" soll das Geldhaus - und das ist das erstaunliche - alleine nach vorne bringen. "Das ist eine klare Antwort auf die Gerüchteküche aus München", sagt Michael Harms, Bankenanalyst beim Bankhaus Delbrück.

Die rund 48 000 Mitarbeiter der Bank selbst, die vom Vorstand per e-mail informiert wurden, sollen das Programm mit Neugier aufgenommen haben. "Das war überfällig", heißt es innerhalb und außerhalb der Bank, nachdem das Geldhaus in den letzten Monaten mehr Objekt des Geschehens war als Akteur, der die eigene Richtung bestimmt.

Der Großbank wird mit dem Programm eine Neuausrichtung und ein ehrgeiziges Renditeziel verpasst: Im Jahr 2003 soll die Eigenkapitalrendite nach Steuern bei 16,3 Prozent liegen. Akquisitionen und Fusionen sind nicht ausgeschlossen. Vor allem geht es um Flexibilität: Durch die Ausgliederung einzelner Segmente und den allmählichen Abbau einer Holdingstruktur schaffe sich die Bank die Chance, sagen Analysten, in bestimmten Feldern mit Konkurrenten zu kooperieren, ohne gleich an eine große Fusion denken zu müssen. Das Filial- und das Firmenkundengeschäft werde konsequent durchforstet: Filialen, die innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre keinen Ertrag abwerfen, sollen entweder mit anderen Zweigstellen zusammengelegt oder geschlossen werden. Spätestens bis 2003 soll das bislang offenbar wenig erfreuliche Filialgeschäft schwarze Zahlen schreiben. Gedacht ist auch in Zukunft an aggressive Werbekampagnen. Unlängst hatte die Umtausch-Offerte Sparbuch gegen Investmentfonds vor allem im Sparkassenlager für Ärger gesorgt. Bei den Mitarbeitern der Dresdner Bank fand der Vorstand aber viel Beifall dafür. Endgültig vom Tisch ist eine Zusammenlegung des Filialgeschäftes mit der entsprechenden Sparte einer anderen Großbank. Am Ende ohne Ergebnis hatte die Dresdner Bank darüber wochenlang mit der Deutsche Bank 24 verhandelt.

Das Geschäft mit vermögenden Kunden, in dem die Dresdner Bank mit einem verwalteten Vermögen von 220 Milliarden Euro als kleinerer Spieler gilt, soll forciert werden. Auch Frankreich, Italien, Österreich und die Beneluxländer hat Walter jetzt verstärkt im Auge, nachdem sich sein Haus bislang vor allem auf die Schweiz und Luxemburg konzentriert. Die Direktbank-Tochter Advance Bank soll ebenfalls ihre Fühler nach Europa ausstrecken. Als entscheidenden Schritt betrachtet Walter offenbar die Ausgliederung der Investmentsparte in eine eigene Tochter. Bis zum Frühsommer soll ein endgültiges Konzept vorliegen, 700 Millionen Mark sollen investiert werden. Auch will die Bank in Sachen Vermögensverwaltung ihre Position in den USA ausbauen. Außerdem will die Bank in den nächsten Jahren rund eine Milliarde Mark in die Einheiten stecken, die für die Abwicklung der Bankgeschäfte zuständig sind. Im Firmenkundengeschäft soll jede Kundenbeziehung auf ihren Ertrag hin durchleuchtet und im Zweifelsfall beendet werden, denn diese Sparte gilt seit Jahren als Problemkind.

Nicht still, aber angesichts der in Mainmetropole in den letzten Wochen alles überlagernden Holzmann-Krise ist Walters neue Entschlossenheit der breiten Öffentlichkeit bislang weitgehend verborgen geblieben. Besonders offensiv hat die Bank das Programm aber auch nicht verkauft. Obwohl die Dresdner bislang die einzige Großbank war, die keine klare erkennbare Strategie hatte. "Das war weder Fisch noch Fleisch. Es hat sehr, sehr lange gedauert, bis ein Konzept auf den Tisch gekommen ist", sagt Bank-Analyst Harms. "Aber jetzt setzt die Dresdner Bank ein Signal." Ein Signal, das sie bei einer möglichen Fusion, vermuten viele, sogar in die Position des Stärkeren bringen könnte.

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