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© picture-alliance / dpa/dpaweb

Wirtschaft: Die Karrierebeförderer

Der Ältere soll dem Jüngeren ein Sparringspartner sein Von der Politik über die Wirtschaft bis zum Film: In allen Branchen erleichtern Mentoren den beruflichen Ein- und Aufstieg. Das nutzt nicht nur den Mentees

Alexander Graf arbeitet seit drei Jahren im Berliner Büro der Beratungsgesellschaft Capgemini Consulting. Von Anfang an steht ihm ein Mentor zur Seite: „In den ersten Tagen war es sehr hilfreich, jemanden zu haben, der mir das Unternehmen und seine Gepflogenheiten erklärt. Mittlerweile ist mein Mentor immer für mich da, wenn ich Fragen habe – zum Beispiel, wenn ich vor schwierigen Entscheidungen stehe, wenn ich eine neutrale Meinung einholen will oder ich nicht weiß, wie ich mich in einer bestimmten Situation verhalten soll.“

Der 34-jährige Unternehmensberater ist nicht der Einzige, der von einem Mentor profitiert: Unternehmen aller Branchen, aber auch Hochschulen und Forschungsinstitute, soziale Einrichtungen und Vereine, Städte und Kommunen stellen ihren Mitarbeitern erfahrene Kollegen zur Seite.

Manche Arbeitgeber bieten Mentoringprogramme für bestimmte Zielgruppen an, etwa für Trainees oder Direkteinsteiger mit Hochschulabschluss, für Nachwuchsführungskräfte oder Manager auf dem Sprung in die nächsthöhere Position. Derzeit steht bei vielen Unternehmen und Institutionen auch die Frauenförderung im Fokus.

Ein Mentor soll dabei seinem Schützling, dem so genannten Mentee, Orientierung geben und ihm ein Sparringspartner sein, der ihn in Übungssituationen auf neue, schwierigere Aufgaben vorbereitet. Er eröffnet ihm Netzwerke und verhilft ihm zu Informationen, die für die Karriere des Mentees nützlich sein können.

Der Berliner Karriereberater Gerhard Winkler sieht Mentoring vor allem als Aufstiegshilfe: „Kaum ein erfolgreicher Mensch hat seine Karrierelaufbahn ohne einen Mentor geschafft. Daher ist es gut, wenn der Arbeitgeber ein Mentoringprogramm anbietet. Wenn nicht, sollte man sich selber auf die Suche nach einem Unterstützer und Fürsprecher begeben.“ Winkler rät, eine passende Person offen zu fragen, ob sie als Mentor zur Verfügung stehe. „Dabei sollte man nur Menschen auswählen, von denen man etwas lernen kann, die mehr Erfahrung haben als man selbst“, so Winkler. „Außerdem muss natürlich die Chemie stimmen.“

Da ein Mentee mit seinem Unterstützer oft sensible Fragen bespricht, sollte der Mentor möglichst nicht aus dem direkten Umfeld des Mitarbeiters kommen, also zum Beispiel aus der gleichen Abteilung. Bei Alexander Graf etwa ist der Mentor eine Führungskraft aus dem Management. „Wir betreuen zwar zufällig die gleichen Branchen, haben aber noch nie am selben Projekt gearbeitet“, erklärt der Unternehmensberater.

Die fachliche Nähe führt dazu, dass Graf seinem Mentor hin und wieder bei dessen Arbeit unterstützen und ihm dadurch etwas für seine Hilfe zurückgeben kann. In anderen Fällen profitieren Mentoren davon, dass sie neue Ideen und Impulse von jüngeren Kollegen erhalten, ihre sozialen und kommunikativen Kompetenzen trainieren oder ihr eigenes Arbeiten reflektieren.

Damit die Mentoren auch Freude an ihrer Arbeit haben, sollten Mentees ihre Ratgeber mit anspruchsvollen Themen fordern, andererseits aber auch nicht ihre Hilfsbereitschaft überbeanspruchen. Denn da die Mentoren meist selbst erfolgreiche Menschen sind, müssen sie mit ihrer Zeit haushalten. Wer die Treffen sorgfältig vorbereitet und seinen Mentor regelmäßig über Entwicklungen informiert, zeigt auch seine Zielstrebigkeit.

Ein Beispiel für ein Mentoringprogramm ist das Mentorinnennetzwerk für Frauen in Naturwissenschaft und Technik, das größte und älteste Europas: Zehn Fachhochschulen und Universitäten aus Hessen haben sich zusammengeschlossen, um Studentinnen und Doktorandinnen auf ihrem Weg in Wissenschaft, Wirtschaft oder Verwaltung zu unterstützen. 120 bis 140 Tandems werden pro Jahr gebildet. „Die Mentees suchen sich bundesweit einen Mentor, der sie ein Jahr lang zum Beispiel beim Berufseinstieg oder einem Auslandsaufenthalt unterstützt, ihnen berufliche Möglichkeiten aufzeigt oder eine Doktorandenstelle vermittelt“, erklärt Geschäftsführerin Ulrike Kéré.

Auch an den Berliner Hochschulen haben sich Mentoringprogramme speziell für Frauen etabliert, etwa an der Hochschule für Wirtschaft und Recht, der Humboldt-Universität, der Universität der Künste und der Charité (siehe Kasten). Koordinatorin des Mentoringprogramms der Charité ist Nadine Westhoff: „Wir wollen unsere Wissenschaftlerinnen ermutigen und unterstützen, Spitzenpositionen einzunehmen“, erklärt die Medizinpädagogin. Die Ziele des Mentorings bestimmen die Mentees selbst. Die Eine möchte ihr Netzwerk erweitern, die Zweite will interdisziplinäre Teams aufbauen, die Dritte sucht ein Vorbild dafür, wie Frauen Kinder und Karriere unter einen Hut bekommen. Mindestens sechs Mal treffen sich Mentee und Mentor während des zwölfmonatigen Programms, das auch Seminare zu Themen wie Führungskompetenz oder Selbstpräsentation beinhaltet. Außerdem kommen die Mentees zu regelmäßigen Treffen zusammen. „Wissenschaftlerinnen sind oft Einzelkämpferinnen“, weiß Nadine Westhoff. Da ist Netzwerken besonders wichtig.

Alles in allem sind Mentoren, die mit Rat und Tat zur Seite stehen, also eine gute Sache. „Aber“, gibt Alexander Graf von Capgemini zu bedenken, „letztlich ist jeder seines Glückes Schmied. Der Mentor kann Hilfestellung in vielen Lebenslagen geben, aber die Möglichkeiten erkennen und nutzen muss jeder selbst.“

Wichtig ist auch, zu erkennen, wann man die Beziehung zu seinem Mentor beenden sollte: zum Beispiel, wenn man genauso erfolgreich geworden ist oder wenn man das Unternehmen wechselt. Man kann sich auf seinem weiteren Karriereweg einen neuen Mentor suchen. Oder die Seiten wechseln – und selbst zum Ratgeber werden.

Sabine Olschner

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