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Wirtschaft: Die Koalition streitet über die Schulden des Bundes

Berlin. Die Nervosität unter den Wirtschafts- und Finanzexperten der Berliner Regierungskoalition nimmt spürbar zu.

Von Antje Sirleschtov

Berlin. Die Nervosität unter den Wirtschafts- und Finanzexperten der Berliner Regierungskoalition nimmt spürbar zu. Seit Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) am Donnerstagmorgen zum ersten Mal seit Wochen eingestanden hat, dass das Wachstum der deutschen Wirtschaft in diesem und auch im kommenden Jahr weit unter den Erwartungen liegen wird, streiten die Parlamentarier von SPD und Bündnis 90/Die Grünen über die Auswirkungen des Konjunkturtiefs auf den Bundeshaushalt. Die einen fordern nun im Gleichschritt mit den Gewerkschaften öffentlich finanzierte Konjunkturprogramme zur Ankurbelung der Aufträge für Unternehmen und sind durchaus bereit, dafür auch das Konsolidierungsziel der Bundesregierung - bis zum Jahr 2006 die Netto-Neuverschuldung des Bundes kontinuierlich auf Null zurückzufahren - über Bord zu werfen. Die anderen, allen voran der Grünen-Haushaltsexperte Oswald Metzger, beschwören dieses Ziel als Beweis für die finanzpolitische Kompetenz der rot-grünen Bundesregierung und warnen davor, den Damm brechen zu lassen.

Nicht einmal die sonst so pointierten Worte des Finanzministers konnten den Koalitionären zum Wochenende die Richtung weisen. Weil der Staat angesichts des geringen Wirtschaftswachstums weniger Steuern einnehme, müsse "die Finanzplanung überarbeitet werden", sagte Eichel. Heißt das nun, dass er seinen Schuldenkurs überdenken will, oder wird in den kommenden Monaten zum Ausgleich für Steuermindereinnahmen noch mehr gespart werden?

Für die Vorsitzender des Finanzausschusses im Bundestag, Christine Scheel (Grüne), liegt die Sache klar. In diesem Jahr - das würden die für Anfang November erwarteten Steuerberechnungen zeigen - sei der Bundeshaushalt durchfinanziert. Einbrüche, die zu guter Letzt noch Nachträge erfordern würden, seien nicht zu erwarten. Anders sehe es im kommenden Jahr aus. "Der Haushalt 2002 bieten keinen Spielraum", sagt Scheel. Wenn die Steuerplanungen nicht aufgingen, mehr Arbeitslose mehr Zuschüsse für die Bundesanstalt für Arbeit erforderten und die Terrorfolgen zu finanzieren sein, "dann muss die Nettoneuverschuldungsgrenze für 2002 erhöht werden", sagt sie. Im Klartext: Eichel muss mehr als 21,1 Milliarden Euro Kredite aufnehmen, um die Ausgaben des Bundes bezahlen zu können. Zwar sei nichts beschlossen, sagt Scheel. Doch allein die Tatsache, dass die Bundesregierung Tabak- und Versicherungssteuer in einer Zeit erhöht, da eigentlich Steuersenkungen angezeigt seien, weise auf die Konsistenz der Bundeskasse hin. Im Gegensatz zu seiner Kollegin beschwört der Haushälter Oswald Metzger die Koalition, "keinen Millimeter vom Neuverschuldungsziel abzuweichen". Auch nicht für ein Jahr. "Wenn wir jetzt den magischen Pfad verlassen, erreichen wir die Zielmarke 2006 nie", ahnt er. Gerade im Wahljahr 2002 "wird man sagen, die Roten und Grünen können doch nicht mit Geld umgehen", beschwört er die Kollegen, nach anderen Wegen zu suchen, um ein Finanzierungsloch im kommenden Jahr zu schließen.

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