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Wirtschaft: Die Nachfolge hat er schon geregelt, und die Verlierer des internen Machtkampfs müssen gehen

Der Chef des Herzogenauracher Sportartikelherstellers Adidas-Salomon AG gehört nicht zu jener Riege von Konzernführern, die sich gerne vor Fernsehkameras und mit mehrseitigen Magazingeschichten profilieren. Ähnlich scheu wie der Chef gibt sich der Konzern.

Der Chef des Herzogenauracher Sportartikelherstellers Adidas-Salomon AG gehört nicht zu jener Riege von Konzernführern, die sich gerne vor Fernsehkameras und mit mehrseitigen Magazingeschichten profilieren. Ähnlich scheu wie der Chef gibt sich der Konzern. Da waren die drei Mitteilungen, die die Pressestelle jüngst innerhalb von 30 Tagen verschickte, schon eine kleine Sensation. Die knapp formulierten Zeilen hatten es in sich. Finanzvorstand Dean Hawkins, Marketingchef Jan Valdmaa und der für das wichtige US-Geschäft verantwortliche Steve Wynne verlassen den Konzern. Es hat mächtig gekracht im Adidas-Vorstand. Robert Louis-Dreyfus hat zwar noch einen Vertrag bis 2003. Insider gehen aber davon aus, dass er sein Amt noch in diesem Jahr abgeben wird . Die Nachfolge hat er schon geregelt, und die Verlierer des internen Machtkampfs müssen gehen. Der Mann, der dem zuletzt etwas schwächelnden Konzern den Erfolg zurückbringen soll, heißt Herbert Hainer und ist Verkaufsvorstand für die Regionen Europa, Afrika und Asien. Auf einem kürzlich veröffentlichten Foto durfte sich Hainer schon neben seinem Chef ablichten lassen - noch allerdings eine Fußlänge zurück und den Blick bewundernd auf den großen Franzosen gerichtet.

Auf den gebürtigen Dingolfinger Hainer, den Louis-Dreyfus im November zu seinem Stellvertreter machte, wartet eine schwere Aufgabe: Seit der Übernahme des französischen Sportartikelherstellers Salomon vor gut zwei Jahren hat das Unternehmen die hohen Erwartungen nicht mehr erfüllt. Der Konzern prognostiziert zwar für 1999 ein Gewinnwachstum von zehn bis 15 Prozent. Für 2000 aber, ließ Noch-Finanzchef Dean Hawkins durchblicken, sehe es weniger gut aus: Stagnierender Umsatz, gestiegener Dollarkurs und eine höhere Steuerquote dürften den Gewinn drücken. Kenner des Unternehmens trauen Hainer die auf ihn wartende Aufgabe durchaus zu. "Ich habe selten einen Niederbayern erlebt, der so energisch und beharrlich durch Leistung an die Spitze gekommen ist", sagt einer, der ihn gut kennt. Er sei jemand, der "auch an der Basis

weiß, wen der Schuh drückt".

Der 45-Jährige hat bereits die für Adidas elende Zeit Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre miterlebt. 1987 wechselte er von Procter & Gamble nach Herzogenaurach. Der damalige Vorstandschef Steffen Stremme machte ihn 1993 zum Geschäftsführer Deutschland. Den Posten teilte er sich mit dem 42-jährigen Marketing-Experten Erich Stamminger. Im März 1997 rückte das Duo in den Vorstand ein - "Zwillinge, die sich enorm ergänzen, zusammenhalten und die Arbeit wohl auch in Zukunft teilen werden", beschreibt ein Insider. Intern ist es bei Adidas kein Geheimnis, dass Hainer und Stamminger im Kampf um die Nachfolge mit dem Gespann Wynne/Valdmaa konkurriert hatten. Für die Mitbewerber haben die beiden Deutschen nach gewonnenem Machtkampf offenbar keinen Platz mehr. Valdmaas Aufgaben würden ab sofort von Stamminger übernommen, hieß es vergangene Woche in einer Adidas-Mitteilung. Einen Tag später kam die Nachricht vom Ausscheiden Wynnes: Hainer persönlich werde sich um einen Nachfolger für den US-Chef kümmern. Keine Rede von neuen Aufgaben, die die beiden Vorstände gelockt hätten. Der viel sagende offizielle Kommentar Hainers: "Unsere jüngsten Management-Entscheidungen sind erste Maßnahmen, die Zukunft unserer Marken noch erfolgreicher zu gestalten." Noch-Finanzvorstand Dean Hawkins dagegen bleibt in der Branche. Er wechselt zum Londoner Online-Sportartikelshop Boo.com. Dabei gibt sich Adidas große Mühe, den vielen Ausländern in der Konzernzentrale das Leben in Franken angenehm zu machen. Sogar eine internationale Schule bietet das Unternehmen. Frühere Überlegungen, die Konzernzentrale auch wegen der höheren Anziehungskraft auf Führungskräfte nach London oder gar in die USA zu verlegen, hat Louis-Dreyfus längst fallen gelassen. Auch von Herzogenaurach aus dürften sich die Adidas-Anstrengungen in nächster Zeit auf Nordamerika konzentrieren. Vor allem auf dem einstigen Parademarkt USA sind die Aussichten für die gesamte Branche inzwischen eher düster. Nach Jahren, in denen die Marke Adidas teilweise um mehr als 50 Prozent zulegte, lassen die Auftragseingänge für das erste Halbjahr 2000 erneut Einbußen erwarten - und das auf einem Markt, der etwa die Hälfte des weltweiten Sportartikelumsatzes ausmacht. Der Umsatz war in den ersten neun Monaten um 15 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum. Beliebte Freizeitmarken wie Tommy Hilfiger, Gap oder Abercrombie & Fitch sind zu einer echten Konkurrenz geworden. Im Sommer hatte Louis-Dreyfus angekündigt, mit einer eigenen Freizeit-Kollektion gegen die Rivalen aus der Modewelt anzutreten. Noch steht aber nicht fest, ob die Mode-Idee auch umgesetzt wird.

Neue Impulse gebrauchen könnte vor allem die arg gebeutelte Aktie des Sportartikelherstellers. Der Kurs der Aktie fiel nach einer kurzen Aufschwungphase im Mai 1999 um mehr als 30 Prozent. Auch die Analysten, die die Aktie lange Zeit heiß und innig liebten, sind inzwischen von Adidas abgerückt. Marcus Reck, Adidas-Experte bei der Hypo-Vereinsbank, sieht keinen Grund, die Aktie zum Kauf zu empfehlen: "Das Unternehmen hat eher ein Branchen- als ein Managementproblem. Wenn die Börse mit Louis-Dreyfus unzufrieden wäre, müsste der Kurs doch jetzt steigen." Die Aktie aber bleibt weiter bleischwer im Keller.

Michael Freitag

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