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Wirtschaft: Ein „Non“ mit Folgen

Stimmen die Franzosen gegen die Verfassung, dürfte der Euro weiter fallen / Paris fürchtet Wirtschaftskrise

Berlin - Wenn die Franzosen am Sonntag gegen die Europäische Verfassung stimmen, könnte das auch Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung der Eurozone und den Euro haben. „Ein Nein würde den Euro weiter unter Druck setzen, er könnte unter den Wert von 1,25 Dollar sinken“, sagte Ulrich Hombrecher, Chefvolkswirt der West LB, dem Tagesspiegel. Auch Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Hypo-Vereinsbank, ist dieser Meinung. „Wenn es zum Nein kommt, wird es einen moderaten Rückgang beim Wert des Euro geben.“ Ein gewisser Wertverlust sei an den Finanzmärkten bereits eingepreist worden, sagte Krämer. In den vergangenen zehn Tagen war die Gemeinschaftswährung von einem Wert von 1,27 Dollar auf 1,25 gesunken. Am Freitag legte sie jedoch wieder etwas zu.

Die Märkte reagieren zumindest kurzfristig nervös, weil ohne die Verfassung möglicherweise die gesamte europäische Integration ins Stocken geraten könnte. Das würde auch die Vollendung des gemeinsamen Binnenmarkts beeinträchtigen. In Frankreich ist die Europäische Verfassung vor allem deswegen umstritten, weil viele denken, sie sei stark von einem ungezügelten Kapitalismus geprägt.

Kommt es zum Nein, rechnen Wissenschaftler damit, dass die Liberalisierung langsamer voranschreiten würde. „Frankreich gehört zu den Gründungsmitgliedern der EU – wenn hier die Abneigung gegen eine liberale Marktwirtschaft so groß ist, wird das die Liberalisierung verlangsamen“, sagte Daniel Gros, Direktor des Centre for European Policy Studies in Brüssel. Die Dienstleistungsrichtlinie etwa, mit der weitere Hürden für den grenzüberschreitenden Diensthandel abgebaut werden sollen, werde dann später verabschiedet werden als jetzt geplant, sagte Gros. Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, glaubt das. „Ohne die Verfassung stockt die politische Integration – von der ist aber auch die ökonomische Integration abhängig.“ Gros und Zimmermann rechnen jedoch nicht damit, dass ein Nein das Wachstum in diesem Jahr verlangsamen würde.

Anders Philippe Dessertine, Wirtschaftsprofessor an der Pariser Universität Nanterre. Er rechnet vor allem in Frankreich mit sinkenden Auslandsinvestitionen. „Ein Nein der Franzosen zur Verfassung würde ausländischen Investoren klar zeigen, dass die notwendigen liberalen Strukturreformen in Frankreich noch viel Zeit in Anspruch nehmen werden, mehr Zeit als bisher erwartet“, sagte Dessertine dem Tagesspiegel. Nach einem Nein werde sich deswegen das Wachstum in Frankreich abschwächen. Der französische Premierminister Jean-Pierre Raffarin hatte dieses Schreckensszenario ebenfalls verbreitet: Er warnte, bei einem Nein werde es eine „mehrmonatige Wirtschaftskrise“ in Frankreich geben.

Was den Wert des Euro angeht, rechnen Volkswirte jedoch nicht mit einer langfristigen Abwertung. „Das ist ein vorübergehendes Phänomen“, sagt WestLB-Chefvolkswirt Hombrecher. „Denn ein Nein zur Verfassung würde ja nicht direkt die Währungsunion in Frage stellen.“ Auch Dirk Schumacher von Goldman Sachs ist dieser Meinung. „Europa fällt ja dann nicht in ein schwarzes Loch, es geht halt weiter wie bisher“, sagt er. „Es wird keinen nachhaltigen Einbruch beim Euro geben.“ Viel wichtiger für den Wert des Euro seien andere Faktoren, wie etwa das Leistungsbilanzdefizit der USA und die Geldpolitik der USA und der EZB.

Flora Wisdorff

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