„Es gibt nichts zu verteilen“: Arbeitgeber weisen IG-Metall-Forderung zurück
Sieben Prozent mehr Geld – das sei aus der Zeit gefallen, sagen die Arbeitgeber. Die Gewerkschaft will mit höheren Einkommen die Konjunktur in Schwung bringen.
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Von einer „richtungsweisenden Tarifrunde für den Standort“ sprechen die Arbeitgeber. Die Gewerkschaft möchte mit einer Einkommenserhöhung „einen Beitrag gegen die Verunsicherung leisten“. Am Donnerstag läuteten beide Seiten die größte Tarifauseinandersetzung in diesem Jahr ein: Kommende Woche beginnen die Verhandlungen über die Einkommen von knapp vier Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie. Die IG Metall fordert sieben Prozent, die Arbeitgeber weisen das als „aus der Zeit gefallen“ zurück.
„Die Lage ist ernst, die Aussichten sind schlecht, die Produktion liegt um mehr als zehn Prozent unter dem Niveau von 2018“, rechnete Bertram Brossardt, Chef der bayerischen Metallarbeitgeber, vor.
Die Auftragseingänge seien ebenso rückläufig wie die Auslastung der Betriebe, die Produktivität geringer als vor Corona. „Der Standort steht enorm unter Druck, die Deindustrialisierung läuft“, sagte Brossardt. Hohe Energiepreisen und Unternehmenssteuern belasteten die Firmen ebenso wie die Bürokratie. „Die Musik spielt im Ausland.“
Wir wollen mit unserer Tarifpolitik einen Beitrag gegen die Verunsicherung der Konsumierenden leisten.
Christiane Benner, Vorsitzende der IG Metall
Christiane Benner, Vorsitzende der IG Metall, räumte die schwierige Ausgangslage für den anstehenden Verteilungskonflikt an. „Wir haben nicht den Aufschwung, den wir erhofft haben.“ Die Forderung – neben sieben Prozent möchte die Gewerkschaft die Ausbildungsvergütungen um 170 Euro erhöhen und Wahlmöglichkeiten zwischen Zeit und Geld für die Beschäftigten erweitern – sei dennoch „gerechtfertigt und mit Augenmaß“.
Der Aufschwung im Herbst komme nicht, weil die Verbraucherinnen und Verbraucher „das Geld nicht ausgeben, die Sparquote ist gestiegen“, meint Benner. „Wir wollen mit unserer Tarifpolitik einen Beitrag gegen die Verunsicherung der Konsumierenden leisten.“
Die Gewerkschaftsvorsitzende betonte die gemeinsamen Interessen der Sozialpartner und deren Verantwortung für die gesamte Industrie, die für rund ein Drittel der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung hierzulande stehe. „Wir möchten Wohlstand sichern sowie gute Arbeit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt festigen.“
Die Gewerkschaft steckt den Kopf in den Sand, das ist nicht auszuhalten.
Bertram Brossardt, Chef der bayerischen Metallarbeitgeber
Brossardt zufolge ist man sich in der Analyse der wirtschaftlichen Situation durchaus einig mit der IG Metall, die er als „klug, aber widersprüchlich“ bezeichnete. Auch die Gewerkschaft beklage die schlechten Bedingungen hierzulande und die Deindustrialisierung, „doch bei den eigenen Tarifverhandlungen steckt sie den Kopf in den Sand. Das ist nicht auszuhalten.“ Benner tue so, „als gebe es groß etwas zu verteilen“, das sei nicht der Fall. „Wir sind in der Rezession, der Rückgang der Beschäftigung hat begonnen.“
Im November 2022 hatten sich die Tarifpartner zuletzt auf Einkommenserhöhung um 5,2 Prozent 2023 und weitere 3,3 Prozent ab Mai 2024 verständigt. Der entsprechende Tarifvertrag läuft Ende September aus, sodass jetzt Verhandlungen anstehen. Bis Ende Oktober befindet sich die IG Metall in der Friedenspflicht, Warnstreiks sind also ab dem 29.10. möglich. Mit einem Tarifkompromiss wird frühestens im November gerechnet, wenn die 3. Verhandlungsrunde in den Regionen ansteht.

© dpa/Arne Dedert
Die diesjährige Tarifauseinandersetzung ist nicht allein aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage speziell. Für Christiane Benner, die im Oktober letzten Jahres als erste Frau an die Spitze der 2,1 Millionen Mitglieder großen IG Metall gewählt wurde, ist es die erste große Tarifbewegung, die sie zu steuern hat. Mit behutsamer Rhetorik bemüht sie sich um Sachlichkeit.
Als vor Monaten die Arbeitgeber in Baden-Württemberg verlauten ließen, dass selbst eine Nullrunde zu teuer sei, nannte das Benner überraschend zurückhaltend „respektlos“. Selbst im Arbeitgeberlager hatte es Empörung gegeben über das taktisch unkluge Verhalten der Stuttgarter, das Gewerkschaft und Arbeitnehmer provozierte.
Baden-Württemberg, wo 2022 der Pilotabschluss erreicht wurde, den die regionalen Tarifparteien übernahmen, übernimmt auch deshalb in diesem Herbst keine Leitfunktion. Dafür kommen die Bayern, die Tarifparteien an der Küste und in NRW infrage.
Brossardt betonte am Donnerstag, er wisse, dass eine Nullrunde unrealistisch sei. „Wir wollen die Arbeitsplätze sicherstellen, wir wollen, dass die Beschäftigten eine Zukunft haben, wir wollen, dass die Entgelte hoch bleiben.“ Benner klingt ganz ähnlich: „Wir haben gemeinsame Interessen und müssen unserer Verantwortung gerecht werden.“
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