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2002 war sie die fünfte Mitarbeiterin des Amsterdamer Start-ups Booking.com: Gillian Tans.

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Booking.com-Chefin Tans: „Frauen sind die besseren Planerinnen“

Gillian Tans, Chefin von Booking.com, über den Trend zur Ferienwohnung, Sprachtalente in Berlin und Frauen in Spitzenpositionen.

Gillian Tans (47) ist seit April 2016 Chefin von Booking.com. Als die Niederländerin 2002 bei dem Start-up in Amsterdam anheuerte, war sie die fünfte Mitarbeiterin. Seitdem gestaltete sie den Aufstieg des Unternehmens zum weltweit führenden Hotel-Buchungsportal mit. Inzwischen werden auf der Plattform jeden Tag 1,5 Millionen Übernachtungen gebucht, das Portal bietet 1,7 Millionen Unterkünfte an. Damit ist Booking.com wichtigster Teil des amerikanischen Mutterkonzerns Priceline, zu dem unter anderem auch die Portale Kayak, Rentalcars und Opentable gehören. Tans jobbte in jungen Jahren in einem Ferienhotel im Allgäu, später besuchte sie eine Schule für Hotelmanagement und arbeitete für den US-Schokoladenkonzern Hershey.

Frau Tans, wer bucht die Hotels, wenn Sie privat verreisen: Sie oder Ihr Mann?

Mal er, mal ich, würde ich sagen. Aber aber wenn ich jetzt nachdenke: Häufiger wohl ich.

Warum trauen Frauen ihren Männern nicht, wenn es um Urlaubsplanung geht?

Tatsächlich zeigen unsere Daten, dass eher Frauen die Hotels aussuchen und buchen. Warum das so ist, kann ich nur vermuten. Vielleicht, weil Frauen lieber Dinge erforschen? Ich mache es ja auch, obwohl ich dafür eigentlich keine Zeit habe. Frauen sind am Ende wohl einfach die besseren Planerinnen.

Richten Sie Ihre Website deshalb speziell auf weibliche Kunden aus?

Nicht direkt, wir orientieren uns grundsätzlich daran, was gut funktioniert. Aber wenn die Mehrheit der Nutzer Frauen sind, dann hat das selbstverständlich einen Einfluss auf unsere Website.

1,55 Millionen Übernachtungen werden jeden Tag bei Booking.com gebucht. Welche Reisetrends beobachten Sie derzeit?

Zwei große Trends fallen uns auf: Erstens wächst das Segment Internationale Reisen weiterhin stark. Und zweitens wollen Touristen nicht mehr nur Beobachter, sondern aktive Teilnehmer am lokalen Geschehen sein. Inzwischen suchen viele Kunden kein Hotel mehr, sondern eine Ferienwohnung oder ein Appartement. Die Leute geben im Urlaub auch lieber mehr Geld für Erlebnisse aus als für Dinge wie Kleidung oder Mitbringsel.

Warum wollen immer mehr Menschen lieber in der Ferienwohnung übernachten als im Hotel?

Wenn ich mit meinen drei Kindern reise, buche ich auch lieber eine Ferienwohnung, weil ich dort mehr Platz habe und das dann am Ende komfortabler ist.

Wird es also langfristig deutlich weniger Hotels geben?

Nein, es kommt einfach ganz auf die Bedürfnisse der Kunden an. Bei Geschäftsreisen werden weiterhin Hotels bevorzugt. Wir sehen auch nicht, dass Hotels darunter leiden, dass Leute gleichzeitig mehr Ferienwohnungen buchen.

Allerdings ist die Konkurrenz auf dem Markt groß mit Anbietern wie Airbnb oder Home to Go.

Wir haben bereits mehr als 1,3 Millionen Ferienwohnungen im Angebot, aber sicher wollen wir das Segment noch stärker ausbauen. Eine eigene Abteilung kümmert sich bei uns um den Aufbau.

Wie viele Wohnungen sollen 2018 dazukommen?

Zu den Zahlen kann ich keine Angaben machen.

Sicher aber dazu, ob Booking.com künftig auch Flugreisen anbietet?

Tatsächlich wollen wir das Thema angehen, denn ein Drittel aller Kunden, die bei Booking.com Unterkünfte buchen, denkt vor der Zimmerbuchung an die Buchung ihres Fluges, ein weiteres Drittel denkt darüber während des Hotelbuchungsprozesses nach und das letzte Drittel, nachdem es die Zimmerbuchung abgeschlossen hat. Deshalb wollen wir nun verstärkt auf der Website testen, was sich unsere Kunden über die reine Hotelbuchung hinaus wünschen.

Welche speziellen Wünsche haben denn deutsche Kunden – abgesehen davon, am Pool frühmorgens immer die Liegen mit einem Handtuch belegen zu können?

Wir haben dazu keine Auswertungen. Es gibt eigentlich keine so großen Unterschiede zwischen den Kunden.

Kaum zu glauben, wenn man alleine schon bedenkt, wie wichtig den Deutschen ihr Frühstück ist und den Spaniern das Mittagessen. Gemeinsam haben sicher alle Kunden, dass sie bei der Buchung auf die Bewertungen schauen. Wie einfach sind die zu manipulieren?

Bei uns ist das nicht möglich, denn nur diejenigen, die in einem Hotel übernachten, dürfen auch eine Bewertung abgeben.

Sind die Bewertungen für eine Buchung inzwischen wichtiger als die Anzahl der Sterne, die ein Hotel hat?

Ja, das zeigen zumindest unsere Daten. Auch hier gilt wieder: Die Leute wollen eine gute Erfahrung haben für ihr Geld – ob es die bei einem Haus ohne Stern gibt oder bei einem mit fünf Sternen, ist dann weniger wichtig. Aber selbstverständlich kommt es auch immer auf das jeweilige Budget an.

Viele ihrer Kundenanfragen landen in Berlin, wo Booking.com mehr als 1000 Mitarbeiter beschäftigt. Was machen die?

Wir haben in Berlin zwei große Abteilungen für den Kundenservice, die Gäste und Partner in der ganzen Welt in über 40 Sprachen unterstützen. Berlin ist wirtschaftlich gesehen ein hervorragender Standort, wenn es darum geht, Nachwuchskräfte zu gewinnen. Zum Beispiel eben, um Sprachtalente zu finden, weil hier so viele Menschen aus aller Welt leben.

Wie wollen Sie den Berliner Standort weiterentwickeln?

Sicher werden wir hier weiter wachsen, ohne dass ich jetzt genaue Zahlen nennen kann. Neben dem Kundenservice haben wir hier auch ein großes Büro für den Partnerservice, dessen Mitarbeiter Hotels in und außerhalb der Region unterstützen, sowie ein deutsches Übersetzungsteam. Insgesamt beschäftigen wir in Deutschland 1155 Mitarbeiter.

Ist Berlin für Sie ebenso wichtig als Touristenziel?

Selbstverständlich. Zwar geben wir zu den absoluten Zahlen an Nutzern in Deutschland und ihren Buchungen keine Auskunft. Aber Berlin gehört neben Hamburg, München, Frankfurt am Main und Köln zu den fünf beliebtesten Destinationen unserer deutschen Kunden. International waren es Prag, London, Amsterdam, Wien und Paris.

Was muss Berlin tun, um weiter als Reiseziel auch international beliebt zu bleiben?

Vielleicht den Flughafen fertigstellen?

Das ist leider gar nicht witzig.

Im Ernst: Wenn der Flughafen fertig ist, können ja tatsächlich mehr Touristen kommen. Es ist alles eine Sache von Angebot und Nachfrage. Außerdem muss die Stadt den Tourismus vielleicht noch mehr aus der Stadt rausbringen, um eben die außergewöhnlichen und regional besonderen Erlebnisse zu bieten, die von Touristen immer mehr nachgefragt werden. Generell hat Berlin aber sehr viel zu bieten mit seiner Geschichte, der Kultur, den Shoppingmöglichkeiten und dem Nachtleben. Dazu ist es hier sehr grün und es ist einfach, sich in der Stadt zu bewegen. Das alles schätzen unsere Kunden sehr.

Sie sind seit zwei Jahren Chefin von Booking.com, einem der führenden Tech-Unternehmen weltweit. Wie einsam ist es dort oben als Frau?

Es fühlt sich nicht einsam an. Ich bin aber auch hier, weil die Firma ist wie sie ist. Wir haben einen Frauenanteil von 50 Prozent.

Im Gegensatz zu anderen Tech-Firmen, in denen vor allem Männer dominieren.

Ja, das stimmt leider - und nicht nur in der Tech-Szene, wie der Bericht des Weltwirtschaftsforums zeigt, wonach 2017 die Lücke zwischen den Geschlechtern im Hinblick auf Gesundheit, Bildung, ökonomische Teilhabe und politische Mitwirkung erstmals seit 2006 wieder gewachsen ist. Wir fördern bei Booking.com deshalb Frauen sehr aktiv, vergeben beispielsweise Stipendien für Mädchen, die sich in der Schule fürs Programmieren interessieren. Auch Frauen in Spitzenpositionen zu bringen, ist wichtig für die Vorbildfunktion.

Und, klappt das gut bei Ihnen?

Na ja, ich sage auch immer zu meiner Tochter, dass sie Programmieren lernen soll, aber sie winkt nur ab, und meint, dass das später ohnehin die Computer übernehmen. Ich freue mich aber, wenn ich für andere Frauen ein Vorbild bin und zeigen kann, dass man eine solche Führungsposition auch mit Familie vereinbaren kann. Für Männer sollte das aber übrigens genauso ein Thema sein.

Sie haben im vergangenen Jahr 17,1 Millionen Dollar verdient. Investieren Sie das Geld auch in Start-ups?

Ja, das tue ich.

Auch in Start-ups aus Berlin?

Ja, aber dazu möchte ich mich nicht weiter äußern. Aber Booking.com selbst hat ein Förderprogramm für Start-ups namens „Booking Booster“, das nun aufgestockt wird und junge Start-ups sowie Non-Profit-Projekte im Bereich nachhaltiger Tourismus dieses Jahr mit insgesamt sechs Millionen Euro fördern wird.

Sie haben als Studentin im Hotel gejobbt, später an der Hochschule für Hotelmanagement studiert. Welche Fähigkeiten von damals sind für Sie heute noch nützlich?

Zu wissen, dass eine positive Kundenerfahrung das Wichtigste ist. Sie kommen dann nämlich gerne wieder und empfehlen auch das Hotel weiter. Das hilft mir noch immer, kundenorientiert zu arbeiten und Booking.com entsprechend aufzustellen.

Ab und zu dürfen Sie auch selbst Touristin sein. Wohin geht die nächste Reise, die Sie für Ihre Familie gebucht haben?

Nach Hongkong. Meine Familie kommt daher und bei unserer letzten Reise waren die Kinder noch sehr klein und haben wenig mitbekommen. Deshalb wollen wir ihnen jetzt die Stadt zeigen.

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