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Wirtschaft: Gassi gehen mit dem Hund vom Chef

Viele Auszubildende werden von Unternehmen ausgenutzt, sagt der DGB

Berlin – Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat „gravierende Missstände“ in der Ausbildung angeprangert und auf die teilweise extrem schlechten Arbeitsbedingungen von Auszubildenden in Deutschland hingewiesen. „Es ist erschütternd, mit welchen Fällen wir konfrontiert werden“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Ingrid Sehrbrock am Donnerstag in Berlin.

Sehrbrock stellte das neue „Schwarzbuch Ausbildung“ vor. Es enthält 77 Fälle, in denen Lehrlinge ausgenutzt, gemobbt oder sexuell belästigt wurden. Das Schwarzbuch stützt sich auf rund 2000 Beschwerden von Auszubildenden, die sich an die Online-Beratung „www.doktor- azubi.de“ gewandt haben. Der DGB betreibt „Doktor Azubi“ seit Juli 2003.

Beispiele gibt es viele: Statt Leitungen zu legen, habe ein Auszubildender im dritten Lehrjahr (Gas- und Wasserinstallateur) einen Monat lang die Werkshalle gestrichen. Eine andere Auszubildende habe ständig mit dem Hund des Chefs Gassi gehen müssen, und in einer Fahrzeuglackiererei seien die jungen Leute gezwungen gewesen, mit krebserregenden Stoffen zu arbeiten. Angesichts solcher Zustände sei es nicht verwunderlich, dass rund ein Fünftel der Jugendlichen die Lehre abbrechen, sagte Sehrbrock. Besonders betroffen: das Hotel- und Gaststättengewerbe mit einer Abbrecher- Quote von mehr als 40 Prozent.

Der DGB forderte die Industrie- und Handelskammern (IHK) auf, die Qualität der Ausbildungsplätze besser zu kontrollieren. Der Gewerkschaftsbund will mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und den Arbeitgeberverbänden über einen Qualitätspakt sprechen, mit dem auch die hohen Abbrecherquoten gesenkt werden sollen. Auf EU-Ebene müsse die Ausbildungsqualität eines Betriebes zu einem Kriterium für die Vergabe von Aufträgen gemacht werden, sagte Sehrbrock.

Arbeitgeber und Kammern wiesen die Kritik am Donnerstag scharf zurück. Bei 1,6 Millionen Auszubildenden lägen die 77 im Schwarzbuch genannten Fälle im Promillebereich, heißt es bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Die Diskussion sei „bizarr“ und „unverantwortlich“, sagte die Leiterin der Berufsbildungsabteilung, Barbara Dorn, dem Tagesspiegel. Die Gewerkschaften sollten sich besser daran beteiligen, möglichst viele neue Ausbildungsplätze zu mobilisieren. Auch DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben sprach von „Einzelfällen“. Betroffene Jugendliche sollten sich an die IHK-Ausbildungsberater vor Ort wenden. Bei Konflikten würden die Schlichtungsstellen vermitteln. Notfalls könne dem Betrieb auch die Ausbildungsberechtigung entzogen werden.

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