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Gastgewerbe als „Integrationsmotor“: Ohne ausländische Arbeitskräfte kein Wohlstand
Eine Fraunhofer-Studie zeigt: In der Gästebranche haben 40 Prozent der Beschäftigten eine Einwanderungsgeschichte. Der Arbeitskräftemangel wird trotzdem weiter wachsen.
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Das Gastgewerbe versteht sich als „Integrationsmotor“ und könnte einer Studie zufolge noch mehr Migranten beschäftigen, sofern die Politik den richtigen Rahmen setzt. „Im Ausland erworbene Qualifikationen werden häufig nicht oder erst mit langen Verzögerungen anerkannt“, schreibt das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Ferner sei die Bearbeitungszeit für Arbeitsvisa und Arbeitserlaubnisse zu lang. Außerdem brauche es berufsorientierte Sprachförderprogramme, Weiterbildungs- und Beratungsangebote sowie Hilfestellung beim Umgang mit Behörden.
Im Gastgewerbe haben gut 40 Prozent der Beschäftigten eine Einwanderungsgeschichte, in der Gesamtwirtschaft trifft das auf 15 Prozent zu. Zwölf Prozent der Geflüchteten, die sich derzeit in Deutschland aufhalten, arbeiten in Hotels und Restaurants. Das sind knapp 150.000 Personen. „Für die öffentliche Hand bedeute dies Einsparungen von monatlich rund 150 Millionen Euro oder rund 1,8 Milliarden Euro pro Jahr“, hat das IAO ausgerechnet.
„Wenn die Eingliederung von Menschen aus dem Ausland in den Arbeitsmarkt schnell und unkompliziert gelingt, stärkt sie dauerhaft unser Sozialsystem und sichert den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, schreibt das Institut in einer Studie, die im Auftrag der Denkfabrik Zukunft der Gastwelt entstand. Zur Denkfabrik gehören unter anderem die Bahn, Metro, Dussmann und Gerolsteiner sowie Hotelketten.
Pro Jahr sind laut Bundesagentur für Arbeit mehr als 400.000 Einwanderer erforderlich, um den demografiebedingten Arbeitskräftemangel zu kompensieren und die Wirtschaft am Laufen zu halten. Allerdings kommen derzeit zu wenige qualifizierte Migranten: Im OECD-Vergleich rangierte die Bundesrepublik bei der Fachkräfte-Attraktivität 2023 „nur“ noch auf Platz 15 (2019: Platz zwölf, schreibt das IAO.
Auf der anderen Seite werde das Arbeitsmarktpotenzial der Menschen ausländischer Herkunft, die bereits länger im Land leben, nicht ausgeschöpft. Deren Beschäftigungsquote liege aktuell bei „lediglich 70 Prozent“, heißt es in der Studie.
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Dem Gastgewerbe fehlen derzeit mindestens 65.000 Mitarbeitende. Das Fraunhofer IAO geht davon aus, dass sich der Mangel mit dem Renteneintritt der Babyboomer bis Anfang der 2030er-Jahre auf bis zu 600.000 Beschäftige erhöhen könnte. Also benötige „die Gastwelt unbedingt bessere Möglichkeiten, Geflüchtete und Zuwanderer schnell und effizient einzubinden“, zum Wohle der Volkswirtschaft insgesamt.
„Ein Mitarbeitender erwirtschaftet im Gastgewerbe eine Bruttowertschöpfung von durchschnittlich 35.000 Euro pro Jahr. Bei den 65.000 unbesetzten Stellen gehen Deutschland pro Jahr rechnerisch 2,3 Milliarden Euro an Wertschöpfung verloren“, hat das IAO ausgerechnet.
Um die Integration zu erleichtern, schlägt die Denkfabrik der Politik einen Blick nach Österreich und Kanada vor, beide Länder bieten ein Integrationsjahr für Geflüchtete an. Zudem hätten die Österreicher einen Integrationsfonds aufgelegt, „um Sprachkurse und Arbeitsmarktintegration zu finanzieren“. Die Politik, so rät die IAO-Wissenschaftlerin und Studienautorin Vanessa Borkmann, „sollte ihr besonderes Augenmerk auf die spezifischen Bedürfnisse der Gastwelt richten, die in Sachen Integration besonders effektiv unterwegs ist“.
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