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Urteil im Sinne der Gewerkschaft. Verdi-Chef Frank Bsirske und seine Kollegin Ellen Paschke hatten am Dienstag in Erfurt gut lachen.

© dapd

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: Gegen die Kirche darf gestreikt werden

Verdi gewinnt vor dem Bundesarbeitsgericht und bestimmt künftig mit über Arbeitsbedingungen bei den Wohlfahrtsverbänden.

Einer der größten Arbeitgeber hierzulande muss sich künftig mit Gewerkschaften und Tarifverträgen auseinandersetzen und darf dabei auch bestreikt werden. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt am Montag im Streit zwischen der evangelischen Diakonie und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Konkret ging es unter anderem um Beschäftigte eines Krankenhauses in Bielefeld, die sich 2009 mit einem Warnstreik für bessere Arbeitsbedingungen eingesetzt hatten. Das zuständige Arbeitsgericht verbot auf Antrag der Diakonie den Streik, in der Revision vor dem Landesarbeitsgericht gewann Verdi. Diese Entscheidung wurde nun vom BAG<TH>bestätigt. „Die Beeinträchtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts durch einen Arbeitskampf ist nicht ausnahmslos rechtswidrig“, erläutert das BAG seine Entscheidung. Ein Arbeitskampf ist aber nach wie vor nicht erlaubt, wenn die Gewerkschaften in die Lohnfindung im Rahmen des sogenannten Dritten Weges eingebunden sind. Bei diesem Verfahren einigen sich Vertreter von kirchlichen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Kommissionen auf die Arbeitsbedingungen. Bislang sind Gewerkschaften an diesem Prozess nicht beteiligt, was die Kirchen mit dem Grundgesetz begründen, das ihnen zugesteht, ihre „Angelegenheiten selbständig“ zu regeln. Bei den Kirchen und ihren Wohlfahrtsverbänden Diakonie und Caritas arbeiten rund 1,3 Millionen Personen. Verdi-Chef Frank Bsirske forderte nach der Urteilsverkündung die Diakonie auf, nun einen bundesweiten Tarifvertrag „Soziales“ abzuschließen. Ein solcher Tarif würde den „Unterbietungswettbewerb“ der Pflegeeinrichtungen bei den Gehältern beenden. Davon profitierten die Beschäftigten und die Pflegebedürftigen gleichermaßen, meinte der Verdi-Chef. Bsirskes Gegner, Diakonie-Präsident Johannes Stockmeier, erklärte sich „nach wie vor zum Dialog mit den Gewerkschaften bereit“. Alles in allem habe das BAG<TH>„das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen klar bestätigt“ und sogar „gestärkt“. Von einem Gang nach Karlsruhe war nicht mehr die Rede. In den vergangenen Tagen hatte Stockmeier für den Fall einer Niederlage in Erfurt den Weg zum Bundesverfassungsgericht angekündigt. Die Kirchenvertreter hatten in der Auseinandersetzung argumentiert, das Recht zum Arbeitskampf sei ein Erzwingungsrecht, das grundsätzlich nicht zu Kirchen passe. Das Bundesarbeitsgericht führte nun dazu aus, dass die grundgesetzliche Koalitionsfreiheit als „wesentlichen Zweck“ den Abschluss von Tarifverträgen beinhalte. Zur Verfolgung dieses Zwecks seien auch Arbeitskampfmaßnahmen zulässig. Dazu erklärte wiederum Stockmeier, „40 Jahre Erfahrung mit dem Dritten Weg zeigen, dass auch ohne Arbeitskampfmaßnahmen gute Tarifwerke gemeinschaftlich mit der Mitarbeiterschaft entwickelt werden können.“ Das bestreitet Verdi und sieht vor allem Nachteile für die Beschäftigten bei der Entstehung und Umsetzung kirchlichen Arbeitsrechts. Als Beleg führt die Gewerkschaft die geringere Entlohung von Diakonie-Beschäftigten im Vergleich zu Pflege- und Erziehungspersonal, das nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlt wird. Stockmeier sagte dazu, „die materiellen Arbeitsbedingungen in der Kirche und ihren Diakonien müssen keinen Vergleich scheuen“. Verdi kündigte an, nun diverse Einrichtungen der Diakonie zu Tarifverhandlungen auffordern zu wollen. Wenn es da kein Entgegenkommen gebe, werde man gegebenenfalls die Mitglieder zum Arbeitskampf auffordern. Bislang hat Verdi allerdings kaum Mitglieder in dem Bereich – auch bedingt durch den Sonderweg der Kirchen.

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