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Mit dem Würfel spielen. Zu den Höhepunkten in Christian Gökes (li.) Amtszeit als Messechef gehörte die Eröffnung des CityCube 2014 mit dem damaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit. Der aus Münster stammende Göke war 20 Jahre für die landeseigene Messe Berlin tätig, seit 2013 als Vorsitzender der Geschäftsführung.

© Thilo Rückeis

Führungswechsel bei der Messe Berlin: Göke geht zu Gegenbauer

Der langjährige Chef der Messe Berlin kümmert sich künftig um die Familienholding von Werner Gegenbauer. Beide kennen sich auch von Hertha BSC.

Christian Göke ist künftig für Vera, Silke und Carola tätig. Nach den ersten Buchstaben der Namen seiner Töchter hat Werner Gegenbauer die Familienholding „Vesica“ benannt. Deren Geschäfte führt künftig der Generalbevollmächtigte Christian Göke. Der 70-jährige Gegenbauer hatte sich aus dem operativen Geschäft des Gebäudedienstleisters, von seinem Vater Carl 1925 in Berlin gegründet, bereits vor Jahren zurückgezogen. Das Management der Beteiligungen, darunter eine MRT-Praxis im Ludwig-Erhard-Haus und Immobilien, übergibt er nun Göke. Der Chef der Messe Berlin hatte im Frühjahr seinen Rücktritt zum Ende des Jahres erklärt. Auf Göke folgt an der Spitze der landeseigenen Messegesellschaft Martin Ecknig, ein 53-jähriger Siemens-Manager, der sich zuletzt im Immobilienmanagement betätigte.

Thomas Ecknig wird Messechef

Auf dem Ausstellungsgelände unterm Funkturm kommt der gebürtige Berliner Ecknig auf eine Großbaustelle. 2020 muss das Land Berlin als Eigentümer der Messe einen Verlust von 75 Millionen Euro ausgleichen. 2021 dürfte das kaum weniger werden. Kaum eine Branche ist von Corona so betroffen wie das Messe- und Kongressgeschäft.

Göke geht in schwieriger Zeit von Bord. „Es waren phantastische 20 Jahre“, sagt er im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Mit Ausnahme von 2020. „Wir haben ein Berufsverbot“, meint der ausscheidende Messechef, der im Jahr 2000 gemeinsam mit Raimund Hosch von der Messe Frankfurt nach Berlin gekommen war; 2013 löste Göke Hosch an der Spitze ab. Es waren zumeist gute Jahre, Umsatz und Gewinn stiegen stetig, nachdem das neue Duo Hosch/Göke von 2000 bis 2003 eine „harte Sanierungsphase“ (Göke) durchgezogen hatte. Die beiden Messemanager hätten damals gerne das Unternehmen privatisiert, also das Land Berlin durch einen Investor ersetzt. Doch das war politisch ebenso wenig durchsetzbar wie in den vergangenen Monaten das Vorhaben Gökes, einen privaten Partner ins Unternehmen zu holen, der dem Land und der Messe hilft, durch die Corona-Zeit zu kommen und vor allem die Digitalisierung voranzutreiben.

Messebesucher bringen Geld in die Stadt

„Es ist immens viel Geld im Markt unterwegs“, sagt Göke und nennt als Beispiel die 75 Millionen Euro, mit denen sich der Medienunternehmer James Murdoch an der Kunstmesse Art Basel beteiligt hat. Der Kapitalbedarf der kommunalen Messegesellschaften – jede größere Stadt gönnt sich hierzulande ein eigenes Messegelände plus Betreibergesellschaft – ist enorm. Und das Geschäftsmodell funktioniert nur, wenn die großen Events viele Millionen Euro Kaufkraft in die Städte bringen, vom Hotelbett über die Restaurants und Taxis bis zu den Standmieten der Aussteller.

Der 70-jährige Werner Gegenbauer hat die Nachfolge im Unternehmen und der Beteiligungsholding geregelt.
Der 70-jährige Werner Gegenbauer hat die Nachfolge im Unternehmen und der Beteiligungsholding geregelt.

© Thilo Rückeis

In Berlin hat das in den vergangenen zehn Jahren so gut funktioniert, weil die fünf internationalen Leitmessen immer größer und profitabler geworden sind: Grüne Woche und Fruit Logistica, ITB, Ifa und Innotrans. Grüne Woche und Fruit Logistica fanden Anfang 2020 noch statt, die ITB war dann im März die erste große Messe, die hierzulande wegen Corona abgesagt wurde. Die Funkausstellung Ifa gab es im September als digitales Experiment mit bescheidenem Erfolg, die Schienenfahrzeugmesse Innotrans verlegte Göke vom Herbst 2020 in den April 2021. Inzwischen ist die Innotrans auch deshalb abgesagt, weil die Halle 26 noch immer als Not-Lazarett für Coronapatienten belegt ist. Kein Mensch weiß, wie lange noch.

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„Die große strategische Bedrohung für das klassische Messegeschäft sind digitale Matchmakingplattformen, Wissensplattformen und überhaupt Kommunikationsplattformen“, meint Göke. Er rechnet mit neuen Wettbewerbern, die bislang noch nicht im Messegeschäft aufgetreten sind. Die Aufgabe für seinen Nachfolger beschreibt Göke so: „Neue digitale Geschäftsmodelle entwickeln, die physische Messen und Kongresse ermöglichen.“ Am Ende geht es immer darum, möglichst viele kaufkräftige Geschäftsreisende in die Stadt zu holen.

IAA in München, nicht in Berlin

Die Ausgangslage für Gökes Nachfolger ist nicht nur wegen Corona schwierig: Die Hallen unterm Funkturm müssen modernisiert werden, die Kapitalausstattung der Messe Berlin ist eher dürftig. Trotzdem habe sich Berlin unter den deutschen Messegesellschaften von Platz sieben unter die ersten drei geschoben, blickt Göke auf sein Wirken zurück. Es wäre noch mehr drin gewesen, wenn der Verband der Autoindustrie (VDA) im März die Internationale Autoausstellung IAA nach Berlin und nicht nach München vergeben hätte. Göke hatte das beste Konzept entwickelt, wie man auch beim VDA einräumte, um von einer reinen Autoshow zu einem modernen Mobilitätsevent zu kommen. „Innovationen entstehen durch Partnerschaften“, sagt Göke. Deshalb sollte die neue IAA die Autohersteller mit den Zulieferern, mit Gründern und Tech-Konzernen zusammenbringen. Und mit der Politik in der Hauptstadt. Doch während sich hier die grüne Wirtschaftssenatorin verschämt wegduckte, weil Autos des Teufels sind, winkte der bayerische Ministerpräsident mit großen Scheinen: München bekam den Zuschlag. Und der Berliner Messechef bat den Aufsichtsrat der Messe um Auflösung seines Vertrages.

Göke ist Aufsichtsrat bei Hertha

Als der Messemann 2000 nach Berlin kam, war Gegenbauer Präsident der Industrie- und Handelskammer. Die beiden kennen sich seit langem. In normalen Zeiten sieht man sich alle zwei Wochen im Olympiastadion und erleidet gemeinsam anderthalb Stunden Hertha BSC; Gegenbauer als Vereinspräsident und Göke, der selbst ein ordentlicher Fußballer war, als Mitglied des Hertha-Aufsichtsrats.

Nachdem Göke sich zum Abgang bei der Messe entschlossen hatte, habe er ihn gefragt, ob er nicht die Familienholding führen wolle, erzählt Gegenbauer. Seine Töchter, zwei gehen wissenschaftlichen Karrieren nach in London und in Düsseldorf, die dritte hat Familie in Berlin, möchten nicht operativ einsteigen. „Sie sollen das aber vernünftig begleiten“, sagt der Vater. Die Mehrheit an der Facility-Management-Firma mit 18 000 Beschäftigten hat der Vater bereits vor Jahren den Töchtern überschrieben.

Gegenbauer regelt die Nachfolge

„Er hat das Vertrauen der Familie“, sagt Gegenbauer über den neuen Generalbevollmächtigten, der „fachlich und charakterlich geeignet“ sei. Göke kümmert sich um die Beteiligungen der Familie und wird sich auch selbst beteiligen, wenn Vesica neue Investments eingeht. Damit kann der 55-jährige nun endlich unternehmerisch arbeiten ohne endlose Runden drehen zu müssen in der Berliner Politik, die in den landeseigenen Betrieben und in der Messe das letzte Wort hat.

„Die richtigen Leute sind entscheidend“, resümiert Gegenbauer seine Erfahrungen. Er ist sich sicher, mit Göke den den richtigen Mann an der richtigen Stelle zu haben. Wie vor 15 Jahren als Christian Lewandowski Vorstandschef die Gebäudereinigung wurde. Lewandowski soll demnächst Werner Gegenbauer an der Spitze des Aufsichtrats ersetzen. Gegenbauer regelt die Nachfolge, „falls ich mal umfalle“.

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