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Vor allem die Tunnel machen Stuttgart 21 so teuer.

© imago/Arnulf Hettrich

Großbaustelle Stuttgart 21: Der Deutschen Bahn fehlen Milliarden

Die Deutsche Bahn ist hochverschuldet. Und nun wird auch noch Stuttgart 21 teurer als gedacht. Dadurch klafft im Finanzplan ein Loch von vier Milliarden Euro.

Die bereits auf 8,2 Milliarden Euro veranschlagte Großbaustelle Stuttgart 21 könnte noch teurer werden und wird für die bereits hoch verschuldete Deutsche Bahn AG zur massiven Finanzlast. Das zeigen umfangreiche Unterlagen für die Aufsichtsratssitzung des größten Staatskonzerns am Mittwoch in Berlin. Für Bahnchef Richard Lutz, seinen Vize Ronald Pofalla und die 20 Kontrolleure des wichtigsten Bundesunternehmens könnte es ein langes und unerfreuliches Treffen werden. Denn neben dem Lagebericht des Vorstands zu den akuten Finanznöten, dem Jahresabschluss und dem geplanten Notverkauf der Tochter Arriva stehen auch die enormen Baurisiken und Kosten beim Großprojekt Stuttgart 21 auf der Tagesordnung.

Es kommen weitere Mehrkosten auf die Bahn zu

„Die Risiken steigen, die Chancen sinken“, heißt es in Aufsichtsratskreisen zur Lage bei der größten Baustelle der Bahn, deren Kosten sich bereits mehr als verdreifacht haben. Den internen Unterlagen der Bahnspitze zufolge drohen weitere Kosten- und Terminrisiken beim Bau des Tiefbahnhofs in der Stadtmitte sowie den 59 Kilometer langen Tunneln im geologisch heiklen und wasserreichen Untergrund der Schwabenmetropole. Zudem gebe es bei der Anbindung des Flughafens deutliche Mehrkosten bei Auftragsvergaben, wird betont.

Der Bahn-Aufsichtsrat hat erst im Januar 2018 die Erhöhung des Kostenrahmens für Stuttgart 21 von 6,5 auf 8,2 Milliarden Euro genehmigt. Die zugehörige 60 Kilometer lange ICE-Neubaustrecke nach Ulm soll weitere 3,7 Milliarden Euro kosten und damit 460 Millionen Euro teurer werden. Zudem wurde die Inbetriebnahme erneut verschoben.

Erst Ende 2025 wird Stuttgart 21 fertig

Statt Ende 2021 soll das Gesamtprojekt nun erst im Dezember 2025 fertig sein. Das wären dann 15 Jahre Bauzeit und 30 Jahre Projektdauer seit Abschluss der Finanzierungsvereinbarung (1995). Experten befürchten, dass die Gesamtkosten für Stuttgart 21 und die ICE-Strecke am Ende von derzeit fast zwölf auf mindestens 15 Milliarden Euro steigen werden und kritisieren, dass der überschaubare Nutzen des Prestigeprojekts in sehr schlechtem Verhältnis zu den extremen Kosten und Risiken steht.

Den Stopp und Umbau von Stuttgart 21, den ein Aktionsbündnis seit vielen Jahren fordert, lehnten der Konzern und die Bundesregierung wiederholt ab. Bahnchef Lutz räumte voriges Jahr im Bundestags-Verkehrsausschuss ein, dass das Projekt für die Bahn mindestens 2,2 Milliarden Euro Minus bringe und damit unwirtschaftlich sei. Denn der klamme Schienenkonzern muss wegen der wiederholten Mehrkosten einen Eigenanteil von mehr als vier Milliarden Euro stemmen, drei Mal mehr als einst geplant.

Die öffentlichen Mittel sind fast aufgebraucht

Inzwischen sind den Bahn-Unterlagen zufolge 55 Prozent des Gesamtumfangs von Stuttgart 21 als Aufträge an Unternehmen vergeben. Für den Konzern wird die Finanzierung des Projekts aber jetzt zur schweren Last. Denn die bisherigen Ausgaben stammten fast komplett aus öffentlichen Mitteln, die nun aufgebraucht sind. Allein bis 2023 muss die Bahnspitze rund 3,3 Milliarden Euro für Stuttgart 21 beschaffen. In der Finanzplanung des Konzerns, die unserer Redaktion vorliegt, klafft bis dahin eine riesige Lücke von mehr als vier Milliarden Euro. Die Wege aus der Misere wird der Aufsichtsrat am Mittwoch ebenfalls beraten.

Um die Lücken zu decken, könnte der bereits hoch verschuldete Staatskonzern noch mehr Kredite aufnehmen. Alternativ könnte der Bund als Eigentümer erneut Kapital zuschießen oder nochmals auf Dividenden verzichten. Ansonsten müsste die Bahn dringend nötige Investitionen an anderen Stellen kürzen und die Kostenexplosion am Neckar träfe damit direkt andere Schienenprojekte, für die dann das Geld fehlt.

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