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Wirtschaft: Gutenbergs Erben auf neuen Wegen

Branchenprimus Heidelberger Druckmaschinen geht heute an die Börse / Wenige WettbewerberVON SIEGFRIED HOFMANN (HB) HEIDELBERG.Seit den Tagen Gutenbergs geben deutsche Erfinder und Ingenieure in der Drucktechnik den Ton an.

Branchenprimus Heidelberger Druckmaschinen geht heute an die Börse / Wenige WettbewerberVON SIEGFRIED HOFMANN (HB)

HEIDELBERG.Seit den Tagen Gutenbergs geben deutsche Erfinder und Ingenieure in der Drucktechnik den Ton an.Die drei führenden deutschen Unternehmen der Branche ­ die Heidelberger Druckmaschinen AG, die MAN Roland AG und die Koenig & Bauer-Albert AG (KBA) ­ erzielen zusammen etwa zwei Drittel des Weltmarktvolumens von 12,5 Mrd.DM.In manchen Segmenten teilen sie sich das Geschäft fast allein.Umso erstaunlicher erscheint es daher, wie sehr sich Leistungsfähigkeit und Strategie dieser Unternehmen auseinander entwickeln.Während sich der Marktführer Heidelberg ­ der heute an der Börse startet ­ dem Anlegerpublikum mit einem neuen Rekordgewinn, hohen Wachstumsraten und einer im Maschinenbau nahezu beispiellosen operativen Rendite von 14 Prozent präsentieren kann, schreibt der Branchenzweite MAN Roland seit nunmehr fünf Jahren rote Zahlen.Im Mittelfeld zwischen beiden Polen operiert das Familienunternehmen KBA mit stabilem Umsatz, aber nur moderatem Ertrag.KBA erwirtschaftet rund zwei Drittel, MAN etwa die Hälfte der Erlöse mit großen Rollenmaschinen ­ also in einem Segment, das sich durch die traditionell eher mageren Renditen des Anlagenbaus auszeichnet.Heidelberg hat dieses Arbeitsgebiet dagegen erst Ende der achtziger Jahre mit dem Erwerb von Harris Graphics betreten und erzielt bisher rund 80 Prozent ihres Umsatzes in dem von hohen Stückzahlen geprägten Bogenmaschinengeschäft. Den gravierenden Schwächen in Organisation und Produktion, denen der Offenbacher Konzern nun bekanntlich mit weiteren Strukturmaßnahmen entgegentreten will, steht auf der anderen Seite die inzwischen bereits geradezu legendäre Effizienz der Heidelberger Fertigung gegenüber, deren Grundlagen bereits in den siebziger und achtziger Jahren gelegt wurden.Einen Hinweis auf das noch immer enorme Gefälle gibt der Pro-Kopf-Umsatz.Er liegt bei Heidelberg (trotz sehr hoher Fertigungstiefe) mit rund 370 000 DM pro Beschäftigten mehr als doppelt so hoch wie bei KBA.Er ist fast 50 Prozent höher als bei MAN Roland, obwohl dieser Konzern bereits ein Drittel seiner Belegschaft abgebaut hat.Die Spitzenrenditen der späten achtziger Jahre hat auch Heidelberg seither nicht wieder erreicht.Aber dank hoher Produktivität und ihrer sehr starken globalen Präsenz konnte die Gruppe das Konjunkturtal der frühen neunziger Jahre mit Abstand am besten bewältigen. In den vergangenen fünf Jahren ist dem Unternehmen offenbar das Kunststück gelungen, nahezu das gesamte Marktwachstum und schätzungsweise 90 Prozent des in der Branche erzielten Gewinnes zu vereinnahmen.Mit zuletzt rund 5 Mrd.DM Umsatz hält die Gruppe heute einen Anteil von rund 40 Prozent im gesamten Druckmaschinenmarkt und mehr als 50 Prozent im Segment Bogenmaschinen.Die Prognosen für 1997/98 sprechen dafür, daß diese Position noch verstärkt werden kann.Strategisch hat sich Heidelberg in den vergangenen beiden Jahren mit dem Zukauf von Sheridan Systems, Contiweb und Linotype zielstrebig zum "Systemanbieter" gewandelt.Dahinter steht das Ziel, einerseits noch größere Kompetenz als "Problemlöser" für die Druckereien zu entwickeln, andererseits die starke Marktpräsenz und das enorme Qualitätsimage von Heidelberg im Sinne einer Art Dachmarken-Strategie zu nutzen. Unter den großen der Branche ist der Heidelberger Konzern zweifellos der einzige, der sich eine derart weitgreifende Expansionsstrategie finanziell leisten kann.KBA und MAN wollen auch in Zukunft auf offene Schnittstellen und die Kooperation mit den Herstellern vor- und nachgelagerter Anlagen setzen.Und nicht wenige Beobachter gehen davon aus, daß beide Konzepte ihren Platz im Markt finden werden.Schwieriger zu beurteilen ist dagegen das zweite große Zukunftsthema der Branche: die digitale "Drucktechnik".Marktstudien gehen davon aus, daß derartige Verfahren bis zum Jahr 2002 etwa 13 Prozent des gesamten Druckmaschinenmarktes erobern könnte.Heidelberg setzt auf eigene Neuentwicklungen und eine Allianz mit dem US-Konzern Kodak, aus der im Jahr 2000 die erste digitale Druckmaschine hervorgehen soll.Die digitale Drucktechnik, mit der sich auch die großen Kopierer-Produzenten befassen, wird die Maschinenbauer erstmals in den direkten Wettbewerb mit Technologieunternehmen wie Canon oder Xerox führen.Vieles spricht dafür, daß der Druckmaschinensektor eine spannende Branche bleiben wird.Dies sicherlich nicht nur, weil der Marktführer künftig unter den kritischen Blicken der Börsianer operiert.

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