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Wirtschaft: „Helicopter-Ben“ bereit zur Landung

An diesem Dienstag wird Ben Bernanke Nachfolger von US-Notenbank-Chef Alan Greenspan – ändern wird sich vor allem der Stil

Washington - Die Huldigungen waren zu erwarten. Überraschend ist dagegen, mit welcher Gelassenheit Amerika das Ende einer Ära begeht. Achtzehneinhalb Jahre stand Alan Greenspan an der Spitze der Federal Reserve Bank, der mächtigsten Notenbank der Welt. Wer heute jünger als 25 ist, und das gilt für rund 100 Millionen Amerikaner, hat nie bewusst einen anderen Hüter des Geldes erlebt. Dienstag ist sein letzter Arbeitstag, am 1. Februar übernimmt der um fast 27 Jahre jüngere Ben Bernanke den Job.

Die annähernd zwei Jahrzehnte unter Greenspan werden alles in allem als eine Zeit großer Stabilität in Erinnerung bleiben – trotz Börsencrash und Asienkrise, trotz der Talfahrt der New Economy und der weltweiten Rezession nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Diese Einbrüche kann man dem Mann mit den übergroßen Brillengläsern, den meist verschlossenen Lippen und dem altersweisen Lächeln kaum zur Last legen. Er verstand es jedes Mal, eine sanfte Landung zu arrangieren und die USA wie die Weltwirtschaft aus dem Tal wieder herauszuführen.

Greenspan dürfte bald einen Fluchtpunkt der Nostalgie bilden. Im Jahr 2000 scherzte Senator John McCain im Präsidentschaftswahlkampf, sollte Greenspan jemals sterben, würde er empfehlen, den Körper auszustopfen, ihm dunkle Brillengläser aufzusetzen und ihn so lange wie möglich der Öffentlichkeit vorzuführen. Starjournalist Bob Woodward überschrieb seine 2000 erschienene Greenspan-Biografie schlicht „Maestro“, und Finanzexperten preisen den 79-Jährigen als „größten Zentralbanker aller Zeiten“.

Kult sind seine Selbstironie, sein Nuscheln und seine Neigung, verworren wirkende Aussagen zu machen. Die „konstruktive Vieldeutigkeit“ sollte Börse und Großanleger daran hindern, einzelne Worte überzuinterpretieren und die Kurse auf Berg- oder Talfahrt zu schicken. „Ich mache eine Andeutung in dieser Richtung und eine weitere in der anderen Richtung – am Ende wird sie das völlig verwirren“, hat Greenspan das selbst einmal kommentiert. Den Heiratsantrag an seine zweite Frau 1997 soll er so kompliziert formuliert haben, dass sie ihn erst gar nicht verstand. Wer ihn in Washington mit dem üblichen „How do you do?“ begrüßt, kann schon mal als Antwort erhalten: „Leider ist es mir nicht erlaubt, Ihnen darauf eine Antwort zu geben – wegen der möglichen Konsequenzen.“ Dann lächelt er leise in sich hinein.

Nun also Ben Bernanke, ein renommierter Fachmann für Geldpolitik, der Mitte Dezember 52 wurde. Er hat mehrere Jahre Zentralbankerfahrung, von 2002 bis Juni 2005 saß er im Board of Governors, danach diente er Präsident George W. Bush als oberster Wirtschaftsberater. Die akademische Karriere ist glanzvoll: Studium in Harvard, Promotion mit 26 Jahren am Massachusetts Institute of Technoloy (MIT), Professor in Princeton seit 1985.

Was wird anders? Wohl nicht der generelle Kurs der Finanzpolitik, wohl aber der persönliche Stil. Bernanke zieht klare Ansagen vor. Wie Greenspan nennt er Preisstabilität als oberste Priorität. Mit seiner offenen Sprache hat er sich sogleich einen Spitznamen verdient. Er sehe sich im Besitz ausreichender Mittel, um Inflation wie Deflation zu bekämpfen. Als ein Naseweis wissen wollte, was Bernanke täte, wenn Amerika bei Deflationsgefahr bereits wieder auf einem Zinsrekordtief wäre wie Juni 2003, antwortete er: Selbst bei einem Zinssatz von null Prozent könne die Fed Geldbündel aus Helikoptern abwerfen. Prompt nannte man ihn „Helicopter-Ben“.

Die US-Wirtschaft ist freilich nicht in einem ganz so sorgenfreien Zustand, wie es die humorvollen Anekdoten nahe legen. Greenspan hinterlässt einen Staat und eine Nation mit Rekordverschuldung sowie einer ebenfalls rekordverdächtigen negativen Handels- und Leistungsbilanz. Die Nation lebt über ihre Verhältnisse, der private Konsum ist überhitzt, die Immobilienpreise in Ballungsgebieten sind es ebenfalls. Platzt diese Blase oder trennt sich China abrupt von amerikanischen Schuldverschreibungen, könnte der Dollar ins Wanken geraten – und die Weltwirtschaft in Turbulenzen stürzen.

Holprige Starts sind freilich nichts Ungewöhnliches für einen neuen Zentralbankchef. Das erste Jahr gilt als das riskanteste. Noch hat Bernanke kein Renommee entwickeln können, noch zweifeln die Märkte an seinem Durchsetzungsvermögen. Greenspan erging es anfangs nicht anders. Der „Maestro“ beginnt nun kurz vor seinem 80. Geburtstag ein neues Leben: Er gründet eine Beratungsfirma. Da wird er sich ein offenes Wort erlauben.

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