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Wirtschaft: Horst Hoffmann

Geb. 1927

Wenn es sein musste, schrieb er auch über „Lenin und die Raumfahrt“. Friedrich Joseph Haas war Leibarzt von Zar Alexander I., opferte sein Vermögen für die Armen, Leibeigenen und Strafgefangenen und gilt in Russland als Heiliger. Das deutsch-russische Forum verleiht einen Preis mit seinem Namen an Leute, die etwas für die Verständigung beider Länder tun. Sigmund Jähn, der erste Deutsche im Weltall, hat ihn 20 Jahre nach seinem Flug bekommen. In der Dankesrede sagte er: „1963 flog ich mit der MIG-21 an der Wolga übungshalber Luftkämpfe, während deutsche Piloten der Luftwaffe auf Starfighter-Maschinen in den USA das Gleiche taten. Nach 30 Jahren, im Kosmonautenausbildungszentrum bei Moskau, wurden wir uns als deutsche Offiziere einig, dass wir Glück gehabt hatten in und mit unseren beiden Deutschlands, die uns der Krieg hinterließ, und dass die teure Überei nicht bitterer Ernst geworden war.“ Für Horst Hoffmann, den alle nur „Hoffa“ nennen, waren diese Sätze des am weitesten gereisten DDR-Bürgers wirklich wichtig. Natürlich zitierte er sie in seinem 450-Seiten-Buch über Sigmund Jähn.

1963, als Jähn noch Flugzeug flog, tippte Hoffmann weitab im heimatlichen Berlin schon Berichte, Interviews und Reportagen über die Weltraumfahrt. Er hatte wenig Zeit, es gab so viel zu berichten, seit die „Sputniks“ um die Erde fliegen und die Amerikaner auf dem Mond gelandet waren. Für die „NBI“, die „Wochenpost“ und die „Für Dich“ schrieb der kraftvolle Kumpel mit dem flotten Bärtchen. „Raketen-Hoffmann kommt“, sagten die Freunde in den Redaktionen, „los, lass uns zu Fanny gehen“. Fanny war so etwas wie die spirituelle Zweigstelle im Hinterland der NBI, eine Destille, hier kippten sie ihren Frust weg, hier schüttete Hoffa die kleinen Anstecker auf den Tisch, die er für die Kollegenkinder von seinen Reisen mitgebracht hatte, und zu jedem hatte er eine Geschichte.

Ein Freund erzählt: „Hoffa wusste alles besser als ich und ich wusste alles besser als er, dann haben wir uns angeschrien – und dann war alles gut“.

Hoffmann, der Lebemensch und Workaholic arbeitete nachts, wenn er nicht schlafen konnte, und vormittags schlief er im Sitzen. Eine Kollegin sagt, er war ein Ur-Berliner, laut, herzlich, selbstbewusst, hilfsbereit und gastfreundlich – aber unerbittlich gegen alle, die er nicht leiden mochte.

Er hatte eigentlich Jura studiert, aber 1957, mit dem Sputnik-Piep aus dem All, erwachte wieder jene Leidenschaft, die ihm der Vater nachts unter dem Treptower Sternenzelt von Archenhold auf den Weg gegeben hatte. Als Spezialist in Raketendingen genoss er später ein seltenes Reiseprivileg: Er beobachtete die Starts in Baikonur, in Cape Canaveral, in China.

Als das Fachmagazin „Raumfahrt concret“ wegen mangelnder Parteilichkeit gerüffelt werden sollte, half er aus, indem er sich das Thema „Lenin und Raumfahrt“ ausdachte.

Nach der Wende gibt es weder Zensur noch Selbstzensur, doch Hoffas Zeitschriften gibt es auch nicht mehr. Für andere schreibt er jetzt Artikel wie „Frauen im All“ oder „Sex im All“, er arbeitet bei Filmen mit, schreibt Bücher. In dem über Sigmund Jähn steht, wie es wirklich war, als die Landekapsel weitab vom Planquadrat in der Kasachischen Steppe landete, nicht weich und problemlos, wie es offiziell hieß, sondern so hart und unsanft, dass dem Kosmonauten ein Rückenleiden blieb. Ein Berufsunfall, Teilinvalidisierung. Bundeswehr-Ärzte erkannten den Status nach der Wende nicht an.

Hoffas Herz versagt im Mecklenburger Sommerhaus. Nach der Beisetzung treffen sich die Freunde, auch der Kosmonaut. Sie trinken auf Hoffa. Der hatte drei Tage vor seinem Tod dafür gesorgt, dass das Raumfahrtmuseum in Sigmund Jähns Geburtsort Morgenröthe-Rautenkranz sein letztes Manuskript erhält: Weltraum-Anekdoten.

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