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Wirtschaft: Im Westen spricht man schlicht von "Bankenbetrug"

MOSKAU .Die Moskauer Oneximbank, die einst zu den großen Bankimperien der russischen Finanzoligarchie zählte, hat in dieser Woche nun auch für ihre letzte noch "saubere" Anleihe die Zahlungsunfähigkeit erklärt.

MOSKAU .Die Moskauer Oneximbank, die einst zu den großen Bankimperien der russischen Finanzoligarchie zählte, hat in dieser Woche nun auch für ihre letzte noch "saubere" Anleihe die Zahlungsunfähigkeit erklärt.Die Bank, ehemals unter den Top-Ten in Rußland, sieht sich außerstande, eine Zinszahlung in Höhe von 12,4 Mill.Dollar auf einen 250-Mill.-Dollar-Eurobond zu leisten.Damit ist das Kreditinstitut bei sämtlichen Auslandsverbindlichkeiten in Höhe von rund 2 Mrd.Dollar im sogenannten Default.

Vor allem für die westlichen Gläubiger ist die Situation um die Oneximbank, wie aber auch um das Gros aller anderen russischen Banken, ein steter Quell des Ärgers.Denn ähnlich wie das Institut des ehemaligen Vizepremiers Wladimir Poganin haben auch andere Banken bereits vor Monaten ihre Aktiva in Sicherheit gebracht.So wurde das nach der Rubelabwertung und dem Moratorium auf die russischen Staatsanleihen verbliebene Vermögen der Oneximbank in das neue Institut Rosbank eingebracht.Drei ehemals Große - Menatep, Most und Onexim - schlossen sich zu einer Bank zusammen, und übrig blieben nur noch die formalrechtlichen Hüllen der ursprünglichen Institute.Doch ohne Aktiva und Verantwortliche sind die Kreditnehmer von einst für die Gläubiger nicht mehr erreichbar.

Im Kreise westlicher Banker fallen deshalb harsche Worte, wenn die Rede auf das Gebahren der bankrotten russischen Finanzinstitute kommt.Schlichtweg einen "Bankenbetrug" nennt es etwa der Vertreter einer Großbank, die sich mit einigen Investitionskrediten in Rußland engagiert hat, wenn die Gläubigerbank dem Kreditgeber jetzt eine lange Nase dreht.Zum Engagement in die russische Wirtschaft sei sowohl von westlicher wie natürlich von russischer Seite jahrelang aufgerufen worden, doch heute, nach dem Finanzdebakel, fühle sich niemand mehr dafür verantwortlich.Tatsächlich ist das Abtauchen der Verantwortlichen eines der Hauptprobleme der Banker: Sie klagen darüber, daß sie gar nicht wissen, wer für ihre Probleme eigentlich die Verantwortung übernimmt.

Massiv übervorteilt fühlen sich insbesondere die deutschen Institute, die bislang stets stolz darauf waren, nicht alleine auf den kurzfristigen Gewinn durch das Spiel mit hochverzinslichen Staatsanleihen spekuliert, sondern tatsächlich Investitionen ermöglicht zu haben.So wurden Kredite zur Modernisierung des Telekommunikationssektors ausgegeben, die Anschaffung von Medizintechnik in Krankenhäusern oder der Aufbau der Nahrungsmittelindustrie finanziert.Die Banken sprangen üblicherweise bei der Finanzierung des Eigenanteils bei Hermes-Geschäften ein oder wickelten Akkreditivgeschäfte und Pre-Exportfinanzierungen ab.Einzelengagements gegenüber russischen Banken reichten dabei nicht selten bis zu 35 Mill.DM.

Zudem organisierten die deutschen Banken zahlreiche Ausbildungsprogramme und Trainingseinheiten für den russischen Bankernachwuchs."Wir haben hier so solide unser Geschäft gemacht, wie wir das auch überall sonst im Ausland tun", erklärte jüngst ein Vertreter einer deutschen Großbank, der ungenannt bleiben möchte."Doch jetzt bereichern sich die Russen und wir haben das Nachsehen." Besonderen Unmut erzeugt dabei die Tatsache, daß bei der Auszahlung der Gläubiger ganz offensichtlich die einheimischen Klientel vorrangig bedient wird.Am schnellsten seien etwa jene Banken für zahlungsunfähig erklärt worden, die die höchsten Auslandsschulden auswiesen."Das kann kein Zufall sein".

Die Außenstände der russischen Banken gegenüber dem Ausland sind dabei beträchtlich.Nimmt man alleine die aufgenommenen Kredite zum Maßstab - ohne Anleihen -, dann kommt beispielsweise die SBS-Agro-Bank auf knapp 1,2 Mrd.Dollar, die Inkombank auf 820 Mill.Dollar, die Rossiskij Kredit auf knapp 650 Mill.Dollar und die Menatep auf rund 420 Mill.Dollar.

Doch trotz dieser hohen Verpflichtungen zeigen sich die Ex-Oligarchen bei der Suche nach einem Kompromiß hartleibig.Ähnlich wie bei dem Tauziehen um die Umstrukturierung der Staatsanleihen, die von Moskau mit wenig Flexibilität betrieben wird, scheint man auch im Fall der Schulden gegenüber westlichen Gläubigern vor allem auf den Faktor Zeit zu setzen."Die wollen das aussitzen", heißt es denn auch unverblümt auf den Korridoren westlicher Vertretungen und Repräsentanzen.Tatsächlich stellen sich die Bankchefs die Frage, wie sie mit der Blockadepolitik umgehen sollen: Den mühseligen und wenig erfolgversprechenden Gerichtsweg beschreiten oder aber schlichtweg auf das verliehene Geld verzichten.Noch allerdings hoffen die Gläubiger auf eine Lösung.Damit Regierung und Zentralbank bewußt wird, welch immensen Schaden an Gläubwürdigkeit Rußland bereits erlitten hat, hoffen die Banker auf ein mahnendes Wort des deutschen Bundeskanzlers, der kommende Woche in Moskau erwartet wird.Ohne politischen Druck, so ist die Solidargemeinschaft der westlichen Bankvertreter überzeugt, wird sich gar nichts bewegen.

MARKUS ZIENER (HB)

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