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Büro oder Spielplatz?  Beides – sagen viele Mütter und arbeiten Teilzeit. Doch die nur halbe Präsens am Arbeitsmarkt wird bei der Rente bestraft.

© picture alliance / dpa

Job oder Familie: Im Zwiespalt

Viele Frauen arbeiten in Teilzeit, um Familie und Beruf zu vereinbaren. Doch das kommt sie teuer zu stehen – wenn es um ihre Rente geht. Was Forscher errechnet haben.

Es ist ein Thema, mit dem sich kaum jemand beschäftigen mag. Wie viel Rente wird einmal auf dem Konto landen? Vor allem in jungen Jahren setzen sich nur wenige freiwillig mit der künftigen Höhe ihrer Bezüge auseinander. Ist ja noch so weit weg. Dabei täten gerade die Frauen in Deutschland gut daran, sich bei Zeiten damit auseinanderzusetzen, wie viel an gesetzlicher Rente ihnen einmal zustehen wird – oder wie wenig. Denn Modellrechnungen zeigen, dass sie nicht nur beim Einkommen während des Erwerbslebens sondern auch beim Ruhegeld erheblich schlechter weg kommen als ihre männlichen Pendants.

„Die Rente ist sicher.“ Das sagte der damalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) zum ersten Mal im Wahlkampf 1986 und sollte es elf Jahre später in einer hitzigen Debatte im Bundestag wiederholen. An diesem Tag verabschiedete das deutsche Parlament die umstrittene Rentenreform – es war die Reaktion der Politik auf die geringe Geburtenrate und die steigende Lebenserwartung im Land.

Keiner weiß, wie es mit der Rente weitergeht

Was Blüm vor bald zwei Jahrzehnten noch vollmundig verkündete, hat er selbst mittlerweile revidiert. Das mag auch daran liegen, dass heute niemand auf Euro und Cent genau vorhersagen kann, wie sich die gesetzliche Rente bis zum Eintritt in den Ruhestand entwickelt – und kaum einer das komplexe System für die Berechnung des Altersgeldes durchschaut.

Hierzulande hängen die Altersbezüge zu großen Teilen von der Erwerbsarbeit des künftigen Rentenbeziehers ab. Zum einen kommt es darauf an, wie viele Jahre man gearbeitet, also in die Rentenkasse eingezahlt hat, und wie hoch das Gehalt war. Schon da sind Frauen tendenziell im Nachteil, weil sie im Schnitt etwa ein Fünftel oder 22 Prozent weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Hinzu kommt, dass Frauen viel häufiger in Berufen arbeiten, die generell schlechter bezahlt werden als andere Jobs.

Ein weiteres Problem: Mehr als 70 Prozent aller erwerbstätigen weiblichen Beschäftigten arbeiten in Teilzeit. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind es dabei besonders die Ehefrauen mit Kindern, die hierzulande einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen: Drei Viertel von ihnen verzichten demnach auf eine volle Stelle. Nicht ganz so hoch ist der Anteil der Teilzeitbeschäftigten laut Statistik bei unverheirateten Lebenspartnerinnen mit Kindern (57 Prozent) und bei alleinerziehenden Müttern (58 Prozent).

Plötzlich tut sich eine Rentenlücke auf

Doch was vor allem Müttern mit Kindern unter drei Jahren als opportun und adäquat erscheint, erweist sich spätestens im Rentenalter für viele Frauen als Krux. „Da tut sich plötzlich eine Rentenlücke auf, die die Mütter so gar nicht erwartet haben“, sagt Christina Boll, Forschungsdirektorin am Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWi). „Dabei ist die Strafe für Abwesenheit vom Arbeitsmarkt gerade im deutschen Rentensystem besonders hoch.“

Die Volkswirtin Boll hat über die Einkommenverluste von Frauen durch geburtsbedingte Arbeitsunterbrechungen promoviert. In ihrer Doktorarbeit hat sie unter anderem ausgerechnet, dass Mütter infolge von Babypausen und zeitweiligem Abschied vom Vollzeitjob hunderttausende von Euro verlieren können (siehe Grafik). Offenbar sei nur wenigen Frauen klar, dass sich die Einkommensverluste auch gravierend bei der Rente niederschlagen – und zwar besonders dann, wenn Mütter über viele Jahre hinweg in Teilzeit oder als Minijobber arbeiten. „In Deutschland behalten 60 Prozent aller beschäftigten Mütter ihren Teilzeitjob auch dann, wenn ihre Kinder schon 12 Jahre oder älter sind“, sagt Boll. „Das ist ein Problem.“

Aus Sicht der Wissenschaftlerin spielen tradierte Geschlechterrollen bei dieser Form der „Arbeitsteilung“ immer noch eine große Rolle: Der Mann ernährt als Hauptverdiener die Familie, die Frau kümmert sich um Haushalt und Kinder. „Viele Frauen wollen nicht voll arbeiten, weil sie sich einfach für die Kinder und die Familie zuständig fühlen“, sagt Boll. Doch das sei gerade mit Blick auf die Rente der falsche Weg.

20 Jahre Teilzeit, macht 287 Euro Rente im Monat

Der Blick auf ein vom Tagesspiegel bei der Deutschen Rentenversicherung in Auftrag gegebenes Rechenbeispiel untermauert die Argumentation der Wissenschaftlerin. Verglichen wird die Rentenerwartung eines Mannes, der 40 Jahre immer durchschnittlich 34 999 Euro verdient hat mit der einer Frau, die 20 Jahre nur halb so viel verdient hat. Würden beide Arbeitnehmer ab dem 1. Juni 2015 Ruhegeld beziehen, käme der Pensionär unter Einbeziehung des aktuellen Rentenwerts West (28,61 Euro) auf eine Rentenleistung von 1144 Euro. Der Frau bleibt dagegen nur eine Rente von 287 Euro.

Während die Rentenerwartung des voll erwerbstätigen Mannes 131 Euro über der Durchschnittsrente für Männer in den alten Bundesländern liegt, kommt die Teilzeitbeschäftigte mehr als 200 Euro schlechter weg als ihre Kohorte. (Die Durchschnittsrente berücksichtigt auch die Rentenhöhen von Versicherten, die nur kurze Zeit in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben. Dazu gehören beispielsweise Selbstständige, Hausfrauen und Beamte.)

Die Volkswirtin Boll mahnt: „Ich kann allen Frauen nur raten, möglichst schnell aus der Babypause in den Job zurückzukehren.“

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