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Das Bild trügt. Denn noch ist auf Berlins Baustellen Betrieb. Voraussetzung dafür ist aber auch Betrieb in den Bauämtern.

© dpa

Bauen, Bauen, Bauen: Lompscher für weitere Entschleunigung

Berlin plant Änderung seiner Bauordnung: Genehmigungsfristen sollen wegen Pandemie verlängert werden.

Seit Wochen versuchen viele Eltern verzweifelt, Kinderbetreuung und Beruf im Homeoffice unter einen Hut zu bekommen. Wie soll das alles gehen mit zwei kleinen Kindern, auf 54 Quadratmetern, weil es in Berlin zu wenig Wohnraum gibt? Die Investitionsbank IBB geht von einer Unterdeckung an 145 000 Wohnungen aus. Es könnte noch schlimmer kommen. Berlin plant die – je nach Bezirk ohnehin bis zu zwei Jahren und länger währenden – Bearbeitungszeiten und Genehmigungsverfahren für Bauvorhaben per Verordnung zu verlängern.

Der Senat verständigte sich auf seiner Sitzung am 16. April auf eine wegen der Coronakrise in der Öffentlichkeit weithin untergegangene Gesetzesänderung der Bauordnung für Berlin. Die entsprechende Vorlage brachte Katrin Lompscher ein, Berlins Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen. Das Abgeordnetenhaus muss noch zustimmen. Die Lesungen dazu sollen demnächst erfolgen, sagte eine Sprecherin der Senatorin. Das geänderte Gesetz soll „vielleicht noch im Mai“ in Kraft treten. In die Bauordnung soll eine Regelung aufgenommen werden, die es im Falle besonderer Ereignisse, z. B. einer Pandemie, ermöglicht, die Fristen abweichend von denen der Bauordnung zu regeln und angemessen zu verlängern.

Baugewerbler, Ingenieure und Architekten sehen bereits mit Blick auf die aktuelle Lage Arges.

Reinhard Quast, Präsident des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB), forderte Anfang dieser Woche, die Aktivitäten in den Bauverwaltungen wieder hochzufahren. In den Städten und Gemeinden scheitert die Durchführung von Baumaßnahmen zunehmend an fehlenden Personalkapazitäten in den Genehmigungsbehörden. So werden unter anderem Ausschreibungen zurückgestellt und Baugenehmigungen nicht mehr erteilt. „Wo nötig, müssen bestehende Prozesse der Bauämter an die derzeitige Lage angepasst werden, zum Beispiel in der Bauplanung. Hierzu muss geprüft werden, ob über Bebauungspläne und weitere baurechtliche Fragen auch ohne Sitzung des Gemeinderats entschieden werden kann“, sagte der Präsident des Spitzenverbandes der Branche. Quast fordert zudem, die Weichen für die Zeit nach der Coronakrise zu stellen: „Um die Bautätigkeit zu beleben, sollten wir von einer Genehmigungs- zu einer Anzeigepflicht kommen. Widerspricht die zuständige Behörde nicht innerhalb einer bestimmten Frist, kann der Betrieb die Arbeit fortführen. So könnten viele Prozesse erheblich beschleunigt werden.“ Die Branche beklagt ohnehin die große Bürokratie am Bau. „Die eingeschränkte Arbeitsfähigkeit in der öffentlichen Verwaltung darf die Bautätigkeit nicht behindern“, erklärte ZDB-Mann Reinhard Quast.

Architekten- und Ingenieurverein schlägt zentrales Stadtplanungsamt vor

Mit harschen Worten kritisiert wurde der Lompscher-Vorstoß vom Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (AIV), der vor einhundert Jahren den städtebaulichen Wettbewerb für die Gründung Groß-Berlins ausgerufen hatte. Der Berliner Senat habe nun „das Gegenteil von Beschleunigung beschlossen“, sagte AIV-Vorsitzender Tobias Nöfer dem Tagesspiegel. Zwar sollte verhindert werden, dass Genehmigungen wegen derzeit für unvermeidbar gehaltener Fristüberschreitungen anfechtbar werden. So sei diese Regelung aber „kontraproduktiv“, sagte Nöfer, „denn Ämter werden dazu verleitet, wieder in unendliche Bearbeitungszeiten zurückzufallen, mit denen man durch Reformen schon so oft aufräumen wollte. Die Genehmigungsfiktion bei Fristablauf könnte die Genehmigungsbehörden dazu veranlassen, mehr Personal einzustellen und Vorgänge zu straffen“. Damit ist gemeint:  Wenn in einer bestimmten Zeit auf einen Baugenehmigungsantrag von Seiten der Genehmigungsbehörde nicht geantwortet wird und keine Argumente gegen den Antrag vorgebracht werden, gilt dieser als genehmigt. Was bisher bei Vorhaben bis zu einer bestimmten Größe und bestimmter Art innerhalb von Bebauungsplänen gelte, müsse auf Sonderbauten und Vorhaben außerhalb von Bebauungsplänen erweitert werden, fordert Nöfer: die automatische Genehmigung nach vier Wochen. „Außerdem müssen endlich allen am Verfahren beteiligten Ämtern verbindliche Fristen zur Bearbeitung auferlegt werden, nach deren Ablauf die Zustimmung erteilt ist. Dass zum Beispiel Stadtplanungsämter Vorgänge monate- wenn nicht jahrelang folgenlos liegen lassen, muss aufhören.“ Nöfer sprach sich dafür aus, über die Einrichtung eines zentralen Berliner Bau- und Stadtplanungsamtes nachzudenken.

Der Präsident der Baukammer Berlin, Ralf Ruhnau, sagte auf Anfrage: „Bei allen senatsseitigen Aufträgen wird alles getan, dass alles weitergeht, vor allem dass auch Rechnungen bezahlt werden. Das Problem sind die Bezirke. Da gibt es keine Weisungsbefugnisse, da kann der Senat sich eben nicht durchsetzen. Die Bezirksämter sagen: Wir haben Homeoffice, wir haben auch einen hohen Krankenstand, wir schaffen es nicht so schnell, die Anträge zu bearbeiten.“ Deshalb sollten die Fristen verlängert werden. Zur Frage automatischer Genehmigungen sagte Ruhnau: „Es ist schon jetzt so, dass von einer Zustimmung auszugehen ist, wenn innerhalb einer Frist keine Zustimmung erfolgt. Wenn die Frist abläuft, hat man aber noch keine Rechtssicherheit. Dann sollte man besser beantragen, dass die Genehmigung schriftlich bestätigt wird.“ Aber das sei ja genau die Krux: „Wenn die schriftliche Genehmigung nicht kommt.“

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