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Immobilien: "Das Chaos ist programmiert"

Gegen EU-Recht verstößt ein neuer Paragraph des Einkommenssteuergesetzes (50a; Abs.7) der Bundesregierung und führt "zu Chaos bei der Abwicklung von Zahlungen bei laufenden Bauverträgen".

Gegen EU-Recht verstößt ein neuer Paragraph des Einkommenssteuergesetzes (50a; Abs.7) der Bundesregierung und führt "zu Chaos bei der Abwicklung von Zahlungen bei laufenden Bauverträgen".Dies ist die Auffassung von Detlef Haritz, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Pünder Volhard Weber und Axster.Die umstrittene neue Regelung sieht eine 25prozentige Steuervorauszahlung auf Bauleistungen ausländischer Unternehmen vor.Im Klartext: Wer ein ausländisches Unternehmen mit einem Neubau beauftragt, zahlt nur 75 Prozent des vereinbarten Honorars und überweist den Restbetrag an das Finanzamt.Das ausländische Unternehmen erhält den ihm zustehenden Restbetrag dann vom Finanzamt seines Firmensitzes zurück.Das Bundesministerium für Finanzen und der Bauhauptverband verteidigen die Regelung als schlagkräftige Maßnahme gegen Steuerhinterziehung.

"Daß der Hauptverband der Bauindustrie die Regelung begrüßt, ist klar.So kriegen sie die Ausländer raus", sagt Detlef Haritz.Für den Rechtsanwalt folgt aus der Steuervorauszahlung notgedrungen, daß die Kosten ausländischer Unternehmen derart steigen, daß sie nicht mehr wettbewerbsfähig sind.Tatsächlich setzt der Einbehalt von 25 Prozent der Auftragssumme die höchste überhaupt mögliche Versteuerung voraus.Denn in Deutschland liegt der Gewerbesteuersatz derzeit bei kumuliert etwa 50 Prozent.

Ein anschauliches Beispiel: Auftraggeber und Auftragnehmer vereinbaren einen Preis für Bauleistungen von 100 000 DM.Der Auftraggeber überweist bei Übergabe der Baustelle nur 75 000 DM an den Auftragnehmer.Der Rest geht ans Finanzamt.Die vom Finanzamt einbehaltene Summe wäre dann angemessen, wenn der Auftragnehmer bei seiner Bauleistung einen Gewinn von 50 Prozent erzielte und außerdem nichts abschreiben könne.Dann hätte er eine Steuerlast von 50 Prozent auf einen Gewinn von 50 000 DM, und das ergäbe 25 000 DM.Von solchen Traumzahlen sind die Margen der Bauwirtschaft in Wirklichkeit weit entfernt.Sie liegen bestenfalls bei fünf Prozent.

"Wir haben nichts an der Höhe des Steuersatzes geändert und auch nichts am Anspruch", sagt Torsten Albig, Sprecher beim Bundesministerium für Finanzen.Die Maßnahme ziele lediglich auf eine "Sicherung des Anspruches der Bundesrepublik gegenüber ausländischen Unternehmen".In der Vergangenheit seien deutsche Auftraggeber ihrer Pflicht nicht nachgekommen, dem Finanzamt für sie tätige ausländische Unternehmen zu melden.Durch die Einführung der Abgabe seien sie nun in die Haftung einbezogen.Insgesamt solle die neue Regelung zusätzliche Steuereinnahmen in Höhe von 190 Mill.DM in die leeren Kassen des Bundes spülen.

"Mit dem Gesetz sind sie auf dem richtigen Weg, blieben aber auf halber Strecke stehen", sagt Heiko Stiepelmann.Der Sprecher des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie fordert über den Einbehalt der Steuer einen weiteren für die Sozialleistungen.Außerdem bestehe noch Nachbesserungsbedarf.Denn das Gesetz erfasse nicht solche Fälle, in denen ausländische Unternehmen sich deutscher Firmenmäntel bedienten.Mit diesem Trick kämen sie an Aufträge heran.

Auch sei an dieser Gesetzesänderung erneut die "allgemeine Hektik der Gesetzgebung" der neuen Regierung auffällig: Es gebe noch keine Ausführungsbestimmungen zu dem Gesetz, und so wartet der Verband noch auf Konkretisierungen der Bestimmungen.Die Folgen des pauschalen Abzugs von Steuern zeichnen sich für den Sprecher der Bauindustrie allerdings klar ab: "Es wird eine Marktbereinigung eintreten, und wir können diese nur begrüßen."

Dagegen befürchtet Rechtsanwalt Haritz, daß nun bei bereits laufenden Verträgen das "Chaos" ausbricht.Vor allem die Auftragnehmer stecken in der Zwickmühle, eingeklemmt zwischen zwei Verpflichtungen.Einerseits haften sie in Höhe von 25 Prozent des Auftragsvolumens für die Steuerschulden ihrer Auftragnehmer.Andererseits haben sie ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen und müssen die erbrachte Leistung in voller Höhe entlohnen.Aus dem Bauvertrag ist zumindest bei großen Aufträgen kaum herauszukommen.Denn in diesen Fällen sichern sich beide Vertragspartner durch Bankbürgschaften ab: Der Auftraggeber verfügt über eine sogenannte Erfüllungsbürgschaft bei einer Bank.

Im Fall einer Pleite seines Auftragnehmers kann er mit dem beim Bürgen hinterlegten Geld einen anderen Unternehmer mit der Vollendung der Arbeiten beauftragen.Aber auch der Auftraggeber verfügt über eine Bankbürgschaft des Vertragspartners.Sie stellt sicher, daß er tatsächlich das Geld für die erbrachte Leistung erhält, wenn die Arbeiten getan sind."Diese Bürgschaft kann der Auftragnehmer ziehen, wenn der Auftraggeber pauschal 25 Prozent einbehält", sagt Rechtsanwalt Haritz.Den Schaden hätte dann der Auftraggeber.

"Wir suchen derzeit nach Vertragstexten, um solche Konflikte zu vermeiden", sagt Haritz.Eine Lösung könne beispielsweise darin bestehen, daß eine Bankbürgschaft in der Höhe der 25prozentigen Pauschale vom Auftragnehmer vorliege.Der Auftragnehmer könne dann abwarten, ob das Finanzamt einen Haftungsbescheid erläßt.Wenn dies erfolge, könne er mit der Bürgschaft von der Bank die vom Finanzamt angeforderte Summe zurückbekommen.Der Auftragnehmer müsse dann bei seinem Finanzamt am Jahresende die zuviel gezahlte Steuer zurückholen.Ein solches Verfahren kostet allerdings Geld: Je nach Kredithaus sind für die Bürschaft zwischen 0,8 und zwei Prozent der verbürgten Summe pro Jahr zu zahlen.Diese Kosten verteuerten die Bauleistungen und seien nicht einkalkuliert bei alten Verträgen.

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