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Immobilien: Frühjahrskur für die Wohnung

Geputzt wird stets von oben nach unten – Wischtücher aus Mikrofaser erleichtern die Arbeit

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Für Mandy Götzschel ist es schon ein Ritual. Jedes Jahr im Frühling, wenn die Sonne allmählich wieder höher steht und Staub und Schmutz an den Fenstern und in den Räumen sichtbar macht, greift sie zu Wischmopp und Eimer und bringt die gesamte Wohnung auf Vordermann. Sie putzt Fenster und wäscht Gardinen, wischt die Schränke aus und schrubbt den Balkon. „Dann kann die schöne Jahreszeit beginnen“, sagt die 26-Jährige. Frühjahrsputz ist für sie eine Art „entwintern“ und frisch machen für einen Neustart. Das hängt wohl auch mit ihrem Beruf zusammen: Sie ist Reinigungskraft in einer kleinen Berliner Firma. Doch: Das mit dem „Entwintern“ geht nicht nur ihr so.

„Der Frühjahrsputz geht auf jahrhundertealte, bäuerliche Bräuche zurück“, erklärt Wolfgang Kaschuba. Er ist Professor für Europäische Ethnologie an der Humboldt-Universität Berlin. Durch den Frühjahrsputz sollten Wintergeister ausgetrieben und die Türen weit aufgemacht werden für das Licht und den Sommer. Vornehmlich ging es aber, wie heute, um Praktisches: „Die Bauern legten die Strohsäcke, auf denen sie den ganzen Winter über geschlafen hatten, zum Trocknen in die Sonne.“ Sie verstauten alles, was sie für den Vorratshaushalt gebraucht hatten auf dem Dachboden und holten die Geräte für die Feldarbeit hervor. Ihr Frühjahrsputz war also vielmehr ein Frühjahrsumordnen, erzählt der Ethnologe. Das Putzen kam erst später.

Für Mandy Götzschel gehört zu einem Rundum-Frühjahrsputz weit mehr als das Saubermachen von großen Möbeln und Flächen, die man auf den ersten Blick sieht. Nicht nur Boden und Schränke sind jetzt reif für den Lappen, sondern auch das, worauf man gewöhnlich nicht so achtet, sagt sie. Sie reinigt Ecken, wischt Türklinken ab und entfusselt den Lüfter. Sie schrubbt die Leisten am Boden, die Heizkörper und -rohre. Sie entfernt Kalk vom Wasserhahn, wischt die Lampen ab und säubert Steckdosen und Lichtschalter.

Sehr sorgfältig wurde im Frühling auch in den bürgerlichen Haushalten des 19. Jahrhunderts geputzt, sagt Ethnologe Kaschuba. Nimmt man „Frühjahrsputz“ wortwörtlich, dann hat der Brauch also erst zu dieser Zeit begonnen. Die Fußböden aus festgestampfter Erde waren ausgelegten Böden gewichen, die durch kräftiges wienern schön glänzten. Die Fenster waren jetzt aus Glas und wurden poliert, bis kein Fleck mehr darauf zu sehen war. Die Möbel wurden entstaubt, die Küchengeräte gereinigt.

Dabei sollte aber nicht nur das eigene Sauberkeitsempfinden befriedigt werden – sondern auch das der Nachbarn: „Sauberkeit und Ordnung waren damals wichtige Werte“, sagt Kaschuba. Haus und Garten dienten der Repräsentation. Heute spiele die soziale Kontrolle als Motiv für den Frühjahrsputz nur noch in kleinen Städten und Dörfern eine Rolle.

Wie in den wohlhabenden bürgerlichen Haushalten, die sich zur Frühjahrsreinigung eine Magd leisteten, putzt auch heute nicht jeder seine Wohung selbst. „Es ist inzwischen trendy, sich für dafür eine Reinigungskraft ins Haus zu holen“, sagt der Sprecher der Gebäudereiniger-Innung Olaf Bande. Viele Reinigungsfirmen bieten spezielle Einmalpakete für Kunden an, die nur für den großen Frühjahrsputz Hilfe suchen.

Auch Mandy Götzschel macht den Frühjahrsputz nicht nur in ihrer Wohnung, sondern ebenso im Auftrag. Ihre Kunden sind Paare, die wenig Zeit haben, und genug Geld, um eine Reinigungskraft zu bezahlen. Oder es sind junge Familien, denen es wichtiger ist, mit ihrem Kind auf den Spielplatz zu gehen, als mit Eimer und Lappen in der Wohnung zu stehen, erzählt sie.

Im Kofferraum ihres kleinen Transporters hat sie die Ausrüstung verstaut, die sie für ihre Arbeit braucht: In einer Kiste stehen ordentlich aufgereiht Allzweckreiniger, Essig gegen Kalk an Armaturen und diverse Bodenreiniger. Das Holzbodenputzmittel braucht sie selten. Sie saugt Parkett und Dielen gewöhnlich ab und wischt sie danach einfach feucht mit Wasser über. Das reiche vollständig aus, sagt sie. Außerdem hat sie Eimer, Wischlappen und Mopp dabei.

„Beim Putzequipment hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte wenig verändert“, sagt Olaf Bande von der Gebäudereiniger-Innung. Dennoch gibt es etwas Neues auf dem Markt, das Putzen nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch leichter macht: Mikrofaserwischtücher und Wischpads, die man über ein Mopp-Gestell zieht. „Die Mikrofaser nimmt wesentlich mehr Schmutz auf, als die üblichen, groben Baumwolltücher“, sagt Bande. Deshalb spare man Putzmittel – und schone dabei auch die Umwelt.

Eine unentbehrliche Erfindung seien auch die Glasabzieher für Fenster, meint Bande. Denn: Das oft verwendete Zeitungspapier färbe die Hände schwarz. Das wiederum könne in einem unachtsamen Moment Flecken an Fensterbank und -rahmen geben. Der Abzieher hingegen sei einfach zu handhaben und hinterlasse keine Schmierstreifen. Mikrofasertücher und Glasabzieher liegen deshalb auch in Mandy Götzschels Kisten.

Die junge Fachfrau hat überdies einen Putzplan, nach dem sie Raum für Raum eine Wohnung durchgeht. Zunächst sprüht sie im Bad gegebenfalls Badewanne, Waschbecken und Klo ein, damit das Reinigungsmittel gut einwirkt und das anschließende Putzen leichter ist. Dann wird aufgeräumt, die Fenster werden gereinigt und Schränke abgewischt. Immer von oben nach unten, wie es der Knigge der Putzwelt empfiehlt. Den Boden saugt und schrubbt sie zum Schluss. Drei bis vier Stunden braucht die junge Frau für den Frühjahrsputz in einer gewöhnlichen Dreizimmerwohnung, schätzt sie. Das hänge allerdings davon ab, wie viel zu tun sei.

Wenn sie nach getaner Arbeit dann die Tür hinter sich ins Schloss zieht, freut sich Mandy Götzschel beim letzten Blick zurück. Dann strahlt die Sonne durch die streifenfreien Fenster in die Wohnung – bis der nächste Regen gegen die Scheiben prasselt.

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