
© Konzeptvisualisierung: Eike Becker_Architekten, Aesthetica Studio
Immobilienmarktkrise: Gewohnt wird immer
Immobilienunternehmen tasten sich durch die Pandemie. Büros, Hotels und Handel haben es schwer
Stand:
Die Corona-Pandemie hat auf der ganzen Welt das Hotelgeschäft paralysiert. Geschäftsreisen sind tabu, Touristen wagen sich nur zögerlich vor oder dürfen aus Risikogebieten gar nicht erst anreisen. In vielen Ländern drohen neue Lockdowns. Für Hotelbetreiber, Immobilien-Konzerne und Banken haben schwere Zeiten begonnen. Auch Fondsgesellschaften bekommen die Krise zu spüren. Man kann im Moment kaum etwas vorhersagen. Doch wie sind die Wohn- und Gewerbeimmobilienmärkte einzuschätzen?
Laut einer Studie des Beratungsunternehmens DIW Econ (Berlin) fehlen in Europas Top-Metropolen bis zum Jahr 2030 rund 1,2 Mio. Wohnungen. Allein Berlin braucht bis 2030 rund 119000 zusätzliche Wohnungen – und damit rund acht Prozent mehr, als es bisher schon hat. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) kam für den Zeitraum von 2016 bis 2020 auf einen rechnerischen Neubaubedarf von knapp 342000 Wohnungen pro Jahr, der durch den tatsächlichen Neubau aber nicht befriedigt wurde. Im Jahr 2019 zum Beispiel kamen insgesamt 293 000 neue Wohnungen auf den Markt. Die Fertigstellungsprognose des ifo Instituts für 2020 beläuft sich auf 275000 Wohneinheiten.
Unter diesen Vorzeichen rechnet Thomas Hofer, Bereichsleiter Immobilienmarkt und -finanzierung im Verband Deutscher Pfandbriefbanken (Vdp), mit einer Steigerung von 2,9 Prozent bei den Bauinvestitionen in den Wohnungsbau. Mit einem Dämpfer durch die Corona-Pandemie rechnet er nicht. Wohnungsbauinvestitionen seien im Schnitt etwas zur Hälfte fremdfinanziert und Wohnungsbaukredite machten etwa die Hälfte der gesamten Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt) aus – die Parameter hätte sich auch in der Coronakrise stabil gezeigt, so Hofer auf dem diesjährigen Vdp-Immobilienforum. „Die Auswirkungen von Covid 19 waren bisher nur sehr schwach“, sagte Hofer Mitte September. Die Branche habe „ein starkes erstes Quartal“ erlebt. Die Zahlen liegen 8,6 Prozent über dem vergleichbaren Vorjahresquartal. „Die Stundungsanfragen haben Mitte Mai bis Ende Juni nachgelassen, der Anteil der von Stundungen betroffenen Darlehen am gesamten Wohnimmobilienkreditbestand der Pfandbriefbanken lag bei zwei Prozent“, so der Banker. Die Wohnungseigentumsfinanzierung macht etwa drei Viertel des Kreditgeschäfts aus.
Die Immobilienpreise laufen den Einkommen davon
Hofer rechnet aber damit, dass die Banken vorsichtiger bei der Vergabe von Krediten agieren, zumal die Immobilienpreise den Einkommen davonlaufen: Die Darlehenshöhen steigen an. Ein höherer Fremdmittelanteil wird möglich durch niedrigere Zinsen. Die niedrigen Zinsen werden nach Hofers Beobachtung nicht zur Finanzierung teurerer Immobilien genutzt, sondern kommen der Tilgung der Darlehen zugute. Der Fremdmittelanteil bei Wohnimmobilien habe inzwischen einen Wert von 82 Prozent erreicht; 1992 lag der Anteil noch bei 67 Prozent.
Auch Tobias Just, Lehrstuhlinhaber Immobilienwirtschaft an der IREBS International Real Estate Business School (Universität Regensburg) sieht in der Pandemie keine Marktkrise, aber einen „Schock“. Der Aufschwung sei zu einem Stillstand gekommen, Unsicherheit sei die vorherrschende Stimmung in der Immobilienwirtschaft. Eine Flucht in die Qualitätswerte sei in den Assetklassen Wohnen und Logistik zu beobachten.
Banken bevorzugten bei Anlagen die A-Städte gegen über den B-Städten. Zu den A-Städten gehören Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart. Auf Büros setzen Projektentwickler und Investoren derzeit eher weniger. Ob das Arbeiten im Homeoffice ein dauerhafter Trend bleibt, ist schwer abzuschätzen. „Weil die Büronachfrage fraglich ist, ist das Büro nicht mehr das neue Wohnen“, sagt Just. „Es gibt viele Diskussionen über die Assetklassen, vor allem über Risiken.“ Institutionelle Investoren wie zum Beispiel Versicherungen bleiben die Hauptakteure. „Entwickler und Bauträger sind zurückhaltender“, sagte der Wissenschaftler. Aktuell sei eine Anteilsverschiebung zu beobachten: „Hotel, Gesundheit, Einzelhandel gehen zurück, Wohnen und Logistik liegen klar über den Mittelwerten; Büros liegen kaum über den Mittelwerten."
Der Flächenumsatz auf den größten deutschen Büromärkten hat sich auch im dritten Quartal nicht wesentlich erholt. Dieser Schluss zog der Branchendienst Thomas Daily aus den Quartalsberichten der Maklerhäuser BNP Paribas Real Estate, CBRE, Colliers International, JLL und Savills ziehen.
Die Neuvertragsmieten steigen
Allerdings sind die Neuvertragsmieten um über drei Prozent gestiegen, sagte Vdp-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt. Bei den Gewerbeimmobilien verliert der Einzelhandel seit 2010 die Hälfte seiner Anteile, so Just. Es bleiben angesichts der Pandemie und damit mit Blick auf die Konjunktur- und die politische Entwicklung viele Fragezeichen. „Wer sagt uns denn, dass Wohnungen, die 2019 gebaut wurden, nicht doch in den Mietendeckel einbezogen werden?“, sagt Tolckmitt. Der Immobilienmarkt sei ein nachlaufender Markt: „Man weiß nicht was kommt, aber man kann mit Blick auf den Wohnimmobilienmarkt entspannt sein.“ Das deutete im September auch die Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband in einem wirtschaftspolitischen Positionspapier an („Wohnungsmarkt in Deutschland: Corona und die Folgen“): „Da man inzwischen wohl davon ausgehen kann, dass die Bautätigkeit ihr Vor-Krisen-Niveau trotz Corona-bedingter Engpässe in etwa hält, hängen Richtung und Dynamik der Kaufpreiseentwicklung in den kommenden Monaten und auch im Jahr 2021 stärker von den Nachfrage- als von den Angebotsdeterminanten ab.“
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