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Nah am Wasser gebaut. Die Initiative „Mediaspree versenken“ forderte für Neubauten mindestens 50 Meter Abstand zum Spreeufer.

© Eller + Eller & Trockland

Trotz Protesten gegen Mediaspree: In zwei Jahren soll das neue „kleine Stück Stadt am Wasser“ fertig sein

Das Projekt „Pier 61/63“ schreitet voran. In zwei Jahren sollen die ersten Mieter und Hotelgäste kommen. Preise sind noch nicht bekannt.

Fast schnurgerade verläuft die Spree an diesem Abschnitt zwischen Oberbaum- und Schillingbrücke. Der östliche Teil ist weltweit bekannt wegen der East Side Gallery, dem gut 1,3 Kilometer langen erhaltenen Teilstück der Berliner Mauer. Jahrelang war das Areal zwischen Open-Air-Galerie und Spree Brachland beziehungsweise Heimat von diversen Beachclubs wie etwa der Bar 25. Doch nach und nach entstanden Neubauten auf dem ehemaligen Todesstreifen. Das aktuellste Projekt befindet sich gerade im Bau, in zwei Jahren soll es fertig sein: „Pier 61/63“ vereint Wohnungen und Hotelzimmer der gehobenen Klasse.

Bauherr ist die Berliner Investmentgesellschaft Trockland Management. Laut Projektmanagerin Danielle Shapira entstehen 75 Mietwohnungen sowie 176 Serviced Apartments. Letztere ähneln Hotelzimmern, sind aber mit einer Küchenzeile ausgestattet. Sie sprechen nicht nur Tagestouristen an, sondern ebenfalls Menschen, die für mehrere Wochen oder Monate, zum Beispiel arbeitsbedingt, in der Stadt weilen.

Der Name des Projektes leitet sich von der Adresse ab; es entsteht an der Mühlenstraße 61 bis 63. Als Pier bezeichnet man ein Bauwerk in einem Hafen, das als Anlegestelle für Wasserfahrzeuge dient. Einen Hafen gibt es an dieser Stelle des Flusses zwar nicht. Als Anlegestelle wird sie zur Zeit allerdings sehr wohl genutzt. Laut Shapira werden die Baumaterialien übers Wasser angeliefert. „Es ist eine besondere Baustelle“, sagt sie.

Besonders ist das Areal zwischen Mühlenstraße und Spree noch aus einem anderen Grund: Es war von Anfang an umstritten. Bereits 2008 gründete sich der Initiativkreis „Mediaspree versenken“. Die Akteure versuchten, die massive Luxusbebauung entlang des Spreeufers zu verhindern. Man forderte unter anderem einen Mindestabstand für Neubauten von 50 Metern zum Ufer sowie den Verzicht auf Hochhäuser und Autobrücken.

Vor allem das nun entstehende „Pier 61/63“ war dem Bündnis ein Dorn im Auge. Es berief sich unter anderem auf eine im Koalitionsvertrag getroffene Vereinbarung, nach der dem Investor ein Ausgleichsgrundstück zur Verfügung gestellt beziehungsweise eine angemessene Kompensation gezahlt werden sollte und forderte einen sofortigen Baustopp. Der Bürgerentscheid fiel mit 87 Prozent deutlich „gegen Mediaspree“ aus.

Protest nutzte nichts

Doch aller Protest nutzte nichts. „Pier 61/63“ mit neun Stockwerken wird gebaut. Der Abstand zwischen Spreeufer und Gebäude wird, so Shapira, rund sechs Meter betragen. Im Frühjahr letztes Jahres hat Trockland mit den Bodenarbeiten begonnen, aktuell „fangen wir mit dem Rohbau an“, sagt sie. Dass so viel Zeit ins Land ging, liegt an den „komplizierten“ Gegebenheiten vor Ort: Im Boden mussten alte Restfundamente von früheren Bauwerken entfernt werden, hinzu kommt die Lage am Wasser.

Die Lage am Fluss und dem East Side Park ist gleichzeitig eines der Haupt-Vermarktungsargumente. Der Blick ist unverbaut und unverbaubar. Trockland wirbt genau damit: Alle größeren Wohnungen, jene zwischen 75 und 120 Quadratmeter, sind durch den Gebäudekörper „durchgestreckt“: von Norden an der Mühlenstraße nach Süden zur Spree.

Die East Side Gallery wird zum Vorgartenmäuerchen

Vor allem aber werden sie mit Balkonen oder Loggien zum Fluss hin ausgestattet sein. Raumhohe Fensterflächen nach Süden und gläserne Balustraden ermöglichen freie Sicht auf die Spree. Aber selbst die Single-Einheiten mit 45 Quadratmetern aufwärts, zur Stirnseite Richtung Oberbaumbrücke hin ausgerichtet, bieten einen indirekten Blick auf den Fluss. Lediglich die Serviced Apartments gehen teilweise nur in Richtung Mühlenstraße.

Die Architekten Eller + Eller mit Hauptsitz in Düsseldorf und Niederlassungen in Moskau und Berlin heben dann auch den „exponierten und besonderen Standort“ hervor. Werner Heck von den Grünen in Friedrichshain/Kreuzberg kann angesichts dieser Aussage nur bitter lachen. Schließlich ist das Areal kein geringeres als der ehemalige Todesstreifen; das Mahnmal East Side Gallery verkomme nach Baufertigstellung zum „Vorgartenmäuerchen“.

Der in Friedrichshain lebende Heck ist einer der schärfsten Kritiker von „Pier 61/63“. Anfang 2018 hatte er die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Verhinderung der Bebauung des Areals in die Bezirksverordnetenversammlung eingebracht. Doch der Versuch scheiterte.

Keine Mehrheiten

„Es gab keine Mehrheiten mehr“, sagt Heck. Zu diesem Zeitpunkt seien „die Messen schon gesungen gewesen“. Das Geld habe gesiegt. Schließlich hätte man dem Investor bis zu 60 Millionen Euro erstatten müssen – 30 Millionen für den entgangenen Gewinn, weitere 30 Millionen Euro für den Grundstückswert. Angesichts dieser Summen seien Bezirk und Senat eingeknickt.

Heck findet das „pervers“. Er glaubt auch nicht so recht daran, dass die Zusage des Bauträgers, keinen weiteren Meter des Mauer-Mahnmals zu beseitigen, aufrechterhalten wird. Trockland-Managerin Shapira hingegen erklärt, dass die bereits stattgefundene Maueröffnung von rund zehn Metern seit dem Jahr 2000 nicht angetastet wird. Der Öffentlichkeit werde indes gestattetet, durch das Gebäude zum Park und zur Spree zu gelangen.

Im Übrigen verweist sie darauf, dass mit der Eröffnung von „Pier 61/63“ „erstmals beide Seiten des East Side Parks direkt am Ufer durchgängig begehbar sein“ werden. Aber auch damit hat der Grünen-Politiker seine Probleme: „Schöner wäre, man müsste nicht irgendwo hindurchlaufen“, sagt er. Und wer von einer Verbesserung spreche, verhöhne die Bürger.

Direkt neben dem Grundstück von „Pier 61/63“ steht das Luxuswohnhaus „Living Levels“ (links) des Investors Maik Uwe Hinkel.
Direkt neben dem Grundstück von „Pier 61/63“ steht das Luxuswohnhaus „Living Levels“ (links) des Investors Maik Uwe Hinkel.

© Sabine Hölper

Doch Heck und alle anderen Kritiker haben am Ende den Kürzeren gezogen. Seit mehr als einem Jahr existiert die Baustelle. Von der East-Side-Gallery aus ist sie so gut wie nicht einsehbar. Man muss rüber zur Kreuzberger Seite, am besten zur kleinen Aussichtsplattform „Spreebalkon“ am Ende der Brommystraße. Von dort aus hat man den besten Blick – wenngleich außer zwei roten Kränen noch nichts zu sehen ist.

An der Spree ragen bereits die "Living Levels" in die Höhe

Folglich schockiert den länger nicht mehr in der Gegend gewesenen Besucher nicht die Baustelle, sondern vielmehr, wie sehr sich die Mühlenstraße und das Ufer in den letzten Jahren bereits verändert haben. An der Spree selbst, direkt neben dem demnächst entstehenden „Pier“, ragt seit geraumer Zeit „Living Levels“ 14 Stockwerke in die Höhe. Das Hochhaus mit Luxuswohnungen wurde von dem umstrittenen Investor Maik Uwe Hinkel gebaut.

Auch Trockland ist ein umstrittenes Immobilienunternehmen. Die Berliner mussten wegen ihres geplanten Projektes am Checkpoint Charlie massive Kritik einstecken. Das Unternehmen sah sich veranlasst, zwei Erklärungen dazu auf seiner Internetseite zu veröffentlichen.

Andererseits: Für Projektentwickler ist, gerade in Berlin, Gegenwind nichts Neues. Sie wissen, dass sie am Ende meist siegreich sind. So war es im Falle von „Pier 61/63“ auch: In zwei Jahren wird das neue „kleine Stück Stadt am Wasser“ stehen – mit Wohnungen, Apartments, Bistros und Cafés „mit Terrassen auf Spreeniveau“.

Letztere werden sowohl über eine Außentreppe am Gebäude, als auch über den öffentlichen Uferweg erreichbar sein. Und für die Bewohner selbstverständlich auf direktestem Wege – sofern sie ihren Kaffee nicht sowieso lieber auf dem Balkon nehmen. Wie hoch die Preise für die Wohnungen sein werden, will Shapira zum heutigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Man darf aber, angesichts der Marktlage, von mindestens 20 Euro kalt ausgehen.

Sabine Hölper

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