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In der Seestadt Aspern im 22. Bezirk in Wien entsteht ein neuer Stadtteil für über 20 000 Menschen.

© imago/viennaslide

Sozialer Wohnungsbau: Kleiner und höher bauen

In Wien leben zwei von drei Bewohnern in einer kommunalen oder geförderten Wohnung. Was lehrt uns die „lebenswerteste Stadt der Welt“?

Wien gilt als eine der mieterfreundlichsten Metropolen weltweit. Annähernd zwei von drei Bewohnern leben in einer kommunalen oder in einer geförderten Wohnung. Der soziale Wohnungsbau besitzt einen hohen Stellenwert, ebenso der Mieterschutz. Die Stadt ist gerade erst vom englischen Magazin „The Economist“ zur „lebenswertesten Stadt der Welt“ gekürt worden. Berlin landete in dem aktuellen Ranking auf Platz 25.

Die Stadt an der Donau wächst rasant. Lebten 1989 rund 1,5 Millionen Menschen in Wien, sind es jetzt bereits 1,89 Millionen. Um 2025 herum könnte die Zwei-Millionen-Grenze überschritten werden. Angesichts des schnellen Wachstums setzen die Wiener auf Qualität, Umweltschutz und öffentlichen Nahverkehr. Eugen Antalovsky, Geschäftsführer bei Urban Innovation Vienna, brachte es am Dienstagabend in der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung auf diesen Nenner: „Eine Stadt, die gut für Kinder ist, ist gut für alle.“

Geförderter Wohnungsbau solle auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen. In einem großen Entwicklungsgebiet für 20 000 Menschen sei erst die U-Bahn gebaut worden, bevor der erste Mieter einziehen konnte, berichtete Antalovsky. Gleichwohl stoße weiterer innerstädtischer Wohnungsbau auch in Wien auf Akzeptanzprobleme. Christian Gräff, wohnungspolitischer Sprecher der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus, sieht hierzulande ebenfalls große Widerstände gegen die seit einigen Jahren verstärkte Zuwanderung und mahnte: „Wenn wir das Wachstum nicht gestalten, steigen die Mieten. Und es gibt mehr Probleme für die Berliner, die hier wohnen“, sagte er auf der Veranstaltung zur „Zukunft der Stadt – Stadt der Zukunft: Ist das Wiener Modell auf Berlin übertragbar?“.

Große Altbauwohnungen sind nicht mehr zukunftsfähig

Auch Stefan Richter, Vorstand bei der Stiftung Zukunft Berlin, warnte vor chaotischen Zuständen und lobte das Wiener Modell. „Das ist unbedingt nachahmenswert. Bei Neubauprojekten muss zuerst die Infrastruktur und dann der Bezug kommen.“ Er hält es für dringend geboten, dass Berlin und Brandenburg gemeinsam handeln. „Bauen im Umland“, etwa entlang der Siedlungsachsen, sollte das zentrale Thema sein, um den Zuzug zu steuern.

Schließlich müssten sich die Berliner mit weniger Wohnfläche, die sich pro Kopf seit 1989 geradezu verdoppelt habe, zufrieden geben „und das Wohnungsproblem wäre schnell gelöst“. In der österreichischen Hauptstadt geht man offensiv mit diesem Thema um, wie Regina Gschwendtner von der Raum und Kommunikation GmbH in Wien berichtete. So werde der Bau von kleineren Wohnungen gefördert. Sie betonte auch den Trend zum Gemeinschaftswohnen und benannte Baugruppen und Genossenschaften als Träger dieser Entwicklung. Die gewiss nicht einfache Aufgabe laute, bei verbesserter Qualität die Kosten zu senken. Bürokratie und Normen-Regelwerke seien indes vielfach undurchsichtig geworden, beklagte die Diplom-Ingenieurin. Sie sagte: „Das wäre aber eine ganz starke Kostenschraube.“

Die in Berlin noch zahlreichen großen Altbauwohnungen sind offensichtlich nicht mehr zukunftsfähig. „Wir brauchen ein neues Denken“, forderte Gschwendtner, „zu den relativ kleinen Wohnungen müssen immer die Gemeinschaftsflächen hinzugerechnet werden. Und wir brauchen veränderte Nutzungskonzepte.“

Berlin bleibt weit hinter dem Wiener Modell

Zu mehr Mut für außergewöhnliche Projekte riet Antalovsky: „Es gibt Wohnhochhäuser, die eine hohe Qualität besitzen.“ Und warum sollte es nicht hängende Gärten im 10. Stock geben? Mehr Dichte in der Stadt würde auch das Auto verdrängen, wobei der Wiener als Beispiel Hongkong anführte. Er unterstütze in jedem Fall eine Bürgerbeteiligung „als Diskurs in Augenhöhe“, mahnte aber klare Regeln an. „Ein Kompromiss, mit dem alle zufrieden sind, das geht nicht.“ Wenn aber eine Entscheidung gefallen sei, müsse die Politik das auch umsetzen.

Der hohe Anteil von Sozialwohnungen in Wien ist offenbar einer der Katalysatoren für das allgemeine Wohlbefinden. Dem stimmte auch der CDU-Politiker Gräff zu. Der Senat hat sich vorgenommen, die Anzahl von 300 000 kommunalen Wohnungen auf 400 000 steigern. „Das finden wir richtig“, sagte der Oppositionspolitiker. Aber auch wenn das gelingt, bleibt Berlin mit einem landeseigenen Bestand von etwa zwanzig Prozent aller Wohnungen noch weit hinter dem Wiener Modell von mehr als 60 Prozent Sozialbindung zurück.

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