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Der Plattenbau am Berliner Ostbahnhof vor dem Abriss. Der Druck auf die letzten Bewohner wächst.

© Hannes Heine

Kulturkampf Abriss oder Erhaltung in Berlin: Es braucht objektivere Entscheidungskriterien

In Berlin sind 45.000 Wohngebäude entbehrlich. Weil sie zwei entscheidende Kriterien nicht erfüllen.

Reinhart Bünger
Ein Kommentar von Reinhart Bünger

Stand:

Wenn um die Frage Abriss oder Neubau geht, scheiden sich die Geister. Da sind auf der einen Seite die Ideologen, die es nicht hinnehmen können, dass wirtschaftlich unrentable Gebäude gegen qualitativ und quantitativ Höherstehendes ausgetauscht werden – wie aktuell im Falle der Kurfürstenstraße. Investoren wollen damit auch noch Geld verdienen? Schämt Euch!

Ihnen gegenüber steht die Fraktion der Stadtverwalter in den Großstädten, die damit rechnen, dass es zukunftsträchtiger sein könnte, schadstoffbelastete Häuser abzureißen und sie durch kompaktere Baumassen zu ersetzen – um den Vorteil einer größeren städtebaulichen Dichte willen.

Doch beide Gruppen stehen nicht allein da. Dann es gibt auch noch die „Betonköpfe“ und jene, die auf dem Holzweg sind.

175.000
Wohnungen sind in Berlin reif für die Abrissbirne.

Hier sagen die einen: Beton ist schlecht, weil seine Produktion viel Kohlendioxid produziert. Ein Klimakiller! Andere wiederum loben den grauen Baustoff für seine Langlebigkeit: Nachhaltiger gehe es nicht.

Die Holzbauer schließlich sehen die neuen Wohnquartiere vor lauter Bäumen nicht. Sollte tatsächlich auch dort mit Holz gebaut werden, wo Straßenlärm zu erwarten ist, der durch jede Faser dringt? Gehören Lebensdauer der Gebäude, die Kosten und der Schadstoffausstoß für den Transport auf die Baustellen nicht mit zur Gesamtrechnung und Energiebilanz?

Zehn bis zwölf Prozent der Immobilien in Deutschland sind reif für die Abrissbirne, schätzte die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (Arge) vor einigen Jahren ein. In Berlin sind das sogar 14 Prozent: Das entspricht 45.000 Wohngebäuden mit circa 175.000 Wohnungen.

Warum sind sie reif für die Abrissbirne? Weil ihre Besitzer die Vorgaben der Energiesparverordnung (EnEV) nur mit unwirtschaftlich hohen Investitionen erfüllen könnten. Und weil sie meist nicht alters- und behindertengerecht sind. Heizungsoldtimer gibt es zudem in allen Gebäudeklassen.

Vielleicht braucht es einfach andere Maßstäbe: Neubau- und energetische Sanierungskosten sollten aufgerechnet werden. Erweiterungsfähige Gebäude sollten Bestandsschutz genießen. Bröckelbauten sollten gegen geförderten Ersatzbau ausgetauscht werden, wenn die Wohnraumversorgung so verbessert wird. Die Berliner Immobilienmanagement sollte finanziell so ausgestattet werden, dass ihr Bestand nicht immer weiter verfällt.

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