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Kampf dem Winter. Nachdem Schnee gefallen ist, muss sofort geräumt werden - unter Umständen auch mehrmals am Tag.

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Räum- und Streupflicht: Schnee von gestern nicht auf die leichte Schippe nehmen

Auch Bauherren müssen Gehwege räumen (lassen). Die Kosten sind von der Steuer absetzbar.

Mit den ersten Schneefällen dieses Winters haben sich für Fußgänger neue Gefahrenquellen aufgetan. Um diese zu minimieren, müssen die Bürgersteige geräumt werden. In Berlin wurde das entsprechende Gesetz Ende 2010 novelliert. Mit der Verschärfung des Gesetzes hatte der Senat die Konsequenzen aus dem Schnee- und Eischaos vergangener harter Winter gezogen: Auf den spiegelglatten Bürgersteigen rutschten tausende Berliner aus und zogen sich Knochenbrüche zu, weil Plätze, Haltestellen und vor allem Nebenstraßen über Wochen nicht ausreichend geräumt wurden.

„Die Kommunen, die eigentlich für diese Aufgabe verantwortlich sind, übertragen die sogenannte Verkehrssicherungspflicht jedoch meist den Anliegern. Diese haben sich dann um die an ihre Grundstücke angrenzenden Gehwege zu kümmern“, erklärt Ulrich Löhlein, Leiter Servicecenter im Immobilienverband Deutschland (IVD). Damit werde ein hohes Maß an Verantwortung auf die Haus- und Grundstückseigentümer abgewälzt. Die Verantwortung für den Winterdienst auf den Gehwegen tragen in Berlin nun zwar weiterhin die Anlieger. Sie können diese aber nicht mehr an von ihnen beauftragte Schneeräumfirmen übertragen.

Die Räum- und Streupflicht erstreckt sich auf den ganzen Tag. Das heißt, dass wochentags in der Regel zwischen 7 Uhr und 20 Uhr unter Umständen mehrmals Schnee geschippt werden muss.

Hauseigentümer und Wohnungseigentümergemeinschaften haben es in diesem Winter leichter, sich gegen Dienstleister zu wehren, die den ihnen anvertrauten Winterdienst nicht oder nicht vollständig erledigen: Ihre Bezahlung kann entsprechend gekürzt werden. Das ergibt sich aus einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs (AZ.: BGH, VII ZR 355/12), auf das jetzt der Verbraucherschutzverein „Wohnen im Eigentum“ hingewiesen hat. Der Hintergrund des Falles: Ein Hauseigentümer hatte die Bezahlung gekürzt, weil ein Unternehmen seine Pflichten nur lückenhaft erfüllt hatte.

Bei versäumter Räumung drohen Bußgelder

Laut „Reinigungsvertrag Winterdienst“ sollte es die dort festgelegten Flächen von November bis April entsprechend den Vorschriften des Bundeslandes und der Kommune von Schnee und Glätte frei halten. Der BGH gab dem Hausbesitzer Recht. Es handele sich um einen Werkvertrag wie bei einem Handwerker. Dabei hat das Unternehmen das vereinbarte Ergebnis zu liefern, also die ordnungsgemäße Beseitigung der Gefahrenquelle Winterglätte. Wird das nur unvollständig durchgeführt, hat das Werk einen Mangel. Die Bezahlung kann dann entsprechend gemindert werden.

„Fällt die Kürzung unverhältnismäßig hoch aus, kann der Dienstleister sie mit Erfolg verklagen“, sagt Gabriele Heinrich, Geschäftsführerin von „Wohnen im Eigentum e.V.“. Eigentümergemeinschaften sollten im Verwaltervertrag regeln, dass die Wohnungsverwaltung für Beauftragung und Überwachung des Winterdienstes zuständig ist.

Wenn es schneit, sind nicht nur Hauseigentümer, sondern auch Bauherren in der Pflicht. Das gilt auch für Bauherren, deren Haus noch gar nicht fertig ist. Darauf hat die Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Immobilienrecht (ARGE Baurecht) im Deutschen Anwaltverein in einer Mitteilung hingewiesen. Denn sobald ihnen das Grundstück gehört, haben sie auch die Verkehrssicherungspflicht. Diese Pflicht dürfen sie delegieren. Allerdings müssen sie dann prüfen, ob der Dienstleister die Aufgaben auch ordentlich erledigt.

Bei versäumter oder unsachgemäßer Räumung drohen Bußgelder. In Berlin können bei Verstößen Bußgelder in Höhe von bis zu 10 000 Euro verhängt werden. Verantwortlich für die Kontrollen sind weiterhin die Ordnungsämter.

Die Räum- und Streupflicht erstreckt sich auf den ganzen Tag

Eigentümer von Mietshäusern können die Sicherungspflicht auf Bewohner übertragen. „Dies muss jedoch ausdrücklich im Mietvertrag festgelegt sein“, erklärt Löhlein. Alternativ ist eine entsprechende Regelung per Hausordnung möglich, sofern Letztere dem Mietvertrag beigelegt wurde oder in den Vertragstext eingeflossen ist. Wer die Hausordnung dem Mieter erst nach Vertragsabschluss zugänglich macht oder sie einfach nur im Hausflur aufhängt, bleibt hingegen selbst in der Pflicht.

Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (AZ.: 16 U 123/87) entschieden. Weiterhin besteht die Möglichkeit, einen professionellen Winterdienst zu engagieren. Der Auftraggeber hat dennoch die Kontrollpflicht und muss im Zweifelsfall selbst nachbessern oder einen Ersatzdienst hinzuziehen. Die Kosten hierfür kann er dann allerdings dem vertragsbrüchigen Dienstleister in Rechnung stellen, wie das Verwaltungsgericht Berlin (AZ.: VG 1 K 259.10) feststellte.

Ein verbreiteter Irrglaube ist, dass durch einmaliges Streuen oder Schneeschieben die Verkehrssicherungspflicht erfüllt ist. „Vielen Eigentümern ist nicht bewusst, dass sich die Räum- und Streupflicht auf den ganzen Tag erstreckt“, berichtet Löhlein. Unter Umständen müsse mehrmals geräumt oder gestreut werden. Und zwar sofort, nachdem Schnee gefallen ist oder sich Glatteis gebildet hat. Bei Dauerschneefall sind Zwischenräumungen vorgeschrieben. Nur wenn der Kampf gegen Schnee und Eis aussichtslos erscheint, darf bis zu einer Besserung der Witterungsverhältnisse gewartet werden.

Kosten, die einem selbst nutzenden Grundstückseigentümer für den Winterdienst auf dem an seinem Grundstück angrenzenden öffentlichen Gehweg entstehen, können steuerlich nach einer – allerdings noch nicht rechtskräftigen – Entscheidung des Finanzgerichts Berlin- Brandenburg als haushaltsnahe Dienstleistungen geltend gemacht werden (AZ.: 13 K 13287/10).

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