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Der Bierpinsel am U-Bahnhof Schlossstrasse in Berlin-Steglitz bleibt rot.

© Thilo Rückeis

Turm an der Schlossstraße: Steglitzer Bierpinsel wird Hotel oder Coworking-Station

Axel Bering, Geschäftsführer der Schlossturm GmbH, lotet mit Bezirk Nutzungsoptionen aus.

Es tut sich was am Steglitzer „Bierpinsel“. Nach mehr als zehn Jahren Leerstand. Die völlig verschmuddelte Tür zum denkmalgeschützten Turm an der Schlossstraße ist weit geöffnet, Handwerker warten auf den Fahrstuhl. Sie wollen offenbar Möbel in die oberen Etagen transportieren. Zieht jemand ein? „Betreten verboten“, bellt einer der Arbeiter den neugierigen Frager an. Dirigiert werden die Möbelpacker von einer mit Smartphone und Schreibbrett bewaffneten jungen Frau. Sie gibt gerne Auskunft. Für die Krimiserie „Dogs of Berlin“ des Video-on-Demand-Anbieters Netflix werden Dreharbeiten vorbereitet. Sie laufen zunächst bis Mai, vielleicht etwas länger. Also ist dies doch noch nicht der sehnsüchtig erwartete Dauernutzer für das markante Gebäude. Die Planungen für dessen Zukunft folgen zwar keinem Drehbuch, bieten aber Stoff für einen Krimi. Cliffhanger inklusive.

Denn die Eigentümer des Turms würden die Immobilie liebend gern loswerden. Die Schlossturm GmbH hatte 2008 das bereits damals verwaiste Gebäude gekauft. Gesellschafter sind Tita Laternser sowie ihre Töchter Larissa und Tahnee. Der 2015 verstorbene Heinz Laternser hatte 1969 die LAT-Gruppe gegründet, ein Unternehmen für Fernmelde-Montagen und Tiefbau, das weiterhin von der Familie geführt wird.

Die beiden Töchter versuchten im April 2010, einen „Turm der Künste“ zu etablieren. Graffiti-Künstler durften den markanten Bau von außen farblich neu gestalten. „Gewöhnungsbedürftig“ fanden das insbesondere die Steglitzer. „Unmöglich“, klagten die Architekten des Turms, Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte, das architektonische Gesamtbild in seiner „baukünstlerischen Erscheinung“ sei durch die Sprayaktion verletzt worden. Im Turm war Kunst zu sehen, es wurden Seminare und Workshops veranstaltet, ein Kunst-Café eröffnet. Das dauerte etwa ein Jahr, so lange, wie auch das Bezirksamt die bunte Farbe am Turm dulden wollte. 2011 wurde es wieder still im Turm, geblieben ist die bunte Außenhülle.

Stadträtin Schellenberg lehnt eine Umwandlung in Wohnraum ab

Der Versuch vom vergangenen August, mit Hilfe von Berlin Sotheby’s Realty die 12 765 Quadratfuß (knapp 1200 Quadratmeter) auf vier Etagen für 3 765 592 US-Dollar oder 3 200 000 Euro zu verkaufen, ist bisher nicht von Erfolg gekrönt. Nicht zuletzt auch, weil das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf als Eigentümerin des 200 Quadratmeter großen Grundstücks auf Einhaltung des 1976 geschlossenen Erbbaurechtsvertrags pocht. Und der sieht einzig und allein eine gastronomische Nutzung vor. Schließlich war das Gebäude im Oktober 1976 als „Turmrestaurant Steglitz“ eröffnet worden.

Doch in Zeiten, in denen auf großer politischer Bühne um unterschiedliche Koalitions- und Kooperationsformen gerungen wird, setzt man auch in etwas niedrigeren Gefilden auf Gespräche. Deshalb trafen sich in der vergangenen Woche unter anderem Maren Schellenberg (Bündnis 90/Grüne), Stadträtin für Immobilien, Umwelt und Tiefbau, und Axel Bering, Geschäftsführer der Schlossturm GmbH, zu einem Gespräch, „um einmal die gegenseitigen Vorstellungen auszuloten“.

In Immobilienkreisen war anschließend zu hören, das Bezirksamt habe den Türmern ein Ultimatum gestellt. Davon könne keine Rede sein, sagt Maren Schellenberg. „Wir haben allerdings sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wir uns etwas Bewegung in der gesamten Angelegenheit wünschen, eine Umwandlung in Wohnraum jedoch ablehnen, schon allein wegen des Lärmschutzes.“ Ob es nun unbedingt ausschließlich eine gastronomische Nutzung sein müsse – darüber könne man reden. „Eine Befreiung davon ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Wir wünschen uns allerdings, dass ein Teil des Gebäudes für die Öffentlichkeit wieder zugänglich wird.“

Die rote Farbe steht unter Denkmalschutz

Ob das nun eine Einrichtung wie Kneipe oder Bar sein müsse, sei dahingestellt. „Und noch einen Punkt haben wir herausgestellt: Auch die ursprüngliche rote Farbe steht unter Denkmalschutz.“ Die Genehmigung für den bunten Anstrich habe nur für kurze Zeit gegolten. Der jetzige bunte Zustand dauere bereits eindeutig zu lange. „Wir sehen noch einen Zeitrahmen bis März, dann sollte konkret etwas passieren“, sagt die studierte Rechtsanwältin Schellenberg. Sie habe zwar den Eindruck gewonnen, dass Geschäftsführer Bering und die Schlossturm GmbH zufrieden wären, wenn sie den Turm verkaufen könnten. Gleichzeitig gehe sie davon aus, dass „Herr Bering noch andere Ideen hat“.

Bering: "Wir können uns auch ein kleines Hotel vorstellen"

Die hat Axel Bering allerdings. Angesichts kniffliger Aufgaben hat sich der Bankfachwirt, ehemals Direktor bei der Berliner Volksbank, schließlich selten verzagt gezeigt. Selbst ein Monster-Objekt wie die NS-Hinterlassenschaft Prora auf Rügen konnte Bering bändigen, indem er Teile des Monumentalbaus kaufte, in Ferienimmobilien umwandelte und – vermutlich – ein gutes Geschäft gemacht hat. Die Herausforderung „Bierpinsel“ mag da zunächst so einfach wie der Verkauf einer Molle im Fußballstadion erscheinen. Ganz ohne Tücken ist die wirtschaftliche Nutzung der Immobilie jedoch offenbar nicht.

„Ja, wir hatten ein sehr gutes Gespräch mit dem Bezirksamt“, bestätigt Bering auf Anfrage zunächst den Eindruck der Stadträtin. Der Bezirk wünsche sich zwar eigentlich weiterhin den gesamten Turm mit gastronomischen Einrichtungen. „Das ist jedoch nicht machbar, hat sich ja auch in der Vergangenheit nicht als wirtschaftlich erwiesen.“ In der Tat sind verschiedene Wirte in dem 47 Meter hohen Turm immer wieder gescheitert.

„Wir haben im Prinzip zwei Varianten: zum Einen ein office to go für Start-up-Unternehmen. Da gibt es durchaus Bedarf auch von Firmen, die sich wegen der Brexit-Problematik von London nach Berlin orientieren. Andererseits können wir uns auch ein kleines Hotel vorstellen, so im Zwei- bis Drei-Sterne-Segment“, erläutert Bering. Ihm sei von einem Experten des Bezirksamts Hoffnung gemacht worden, dass es mit den Brandschutzauflagen keine unüberwindbaren Schwierigkeiten gäbe. Dass das kategorische Nein des Bezirksamts in Bezug auf Wohnen auch auf einen Beherbergungsbetrieb zutreffen könnte, „habe ich so nicht aus dem Gespräch mitgenommen“, sagt Bering. Das sei korrekt, bestätigt Stadträtin Schellenberg, „für die Zulässigkeit eines Vorhabens macht es einen Unterschied, ob dauerhaftes privates Wohnen oder Beherbergung im Sinne eines gewerblichen Hotels stattfindet“. Zusätzlich wäre auf einer Etage ein kleiner gastronomischer Betrieb möglich, sagt Bering, „wo die Leute sich mal hinsetzen und aus dem Turmfenster schauen können“.

Bei der Neugestaltung des Umfelds unterhalb des Turms dürfen viele mitreden

In Bezug auf eine Neugestaltung des schaurigen Umfelds unterhalb des Turms sieht das Bezirksamt übrigens vor allem den Eigentümer des Gebäudes in der Pflicht. „Aber bei einer eventuellen Neugestaltung dürfen viele mitreden, auch die BVG“, warnt Maren Schellenberg.

Was die notwendige Investition in Millionenhöhe angeht, sieht Bering unterschiedliche Ansätze, je nachdem welche Nutzung letztlich infrage kommt. Die Schlossturm GmbH als Eigentümerin werde jedoch weder das office to go noch ein Hotel betreiben. Man wolle die Räume als Rohbau übergeben, irgendwelche Innenausbauten wären dann Sache einer entsprechenden Vertragsgestaltung. „Erste Gespräche mit Interessenten haben wir schon geführt.“ Ob sich aus der Gemengelage noch Stoff für eine Netflix-Serie ergibt, will Bering nicht versprechen.

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