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Segeln und denken. Gründerin Paula Schwarz (Zweite von links) auf ihrem ersten Törn vor der Insel Samos im August.

© Startup Boat

Initiative aus Berlin: Das "Startup Boat" hilft Flüchtlingen

Um Flüchtlingen zu helfen, versammelt eine Berlinerin junge Profis aus Technologie- und Internetbranchen, Medien und Beratungsfirmen auf dem „Startup Boat“.

Noch immer erreichen an manchen Tagen bis zu 4000 Flüchtlinge die griechische Ferieninsel Lesbos. Es fehlt an Unterkünften, Lebensmitteln, Medikamenten, psychologischer Betreuung, Informationen. Die Deutsch-Griechin Paula Schwarz aus Berlin will helfen – allerdings nicht nur Decken oder Getränke verteilen. Sie gründete die Initiative „Startup Boat“. Die Idee: Sie bringt kluge Köpfe aus Technologie- und Internetbranchen, Medien und Beratungsfirmen zusammen – auf einem Boot. Dort, unter der Sonne der Ägäis, diskutieren die jungen Profis Probleme der Flüchtlinge und Helfer und versuchen, Lösungen zu entwickeln.

Massenmigration sei ein Phänomen des 21. Jahrhunderts, das neu gedacht werden müsse, sagt Schwarz. Dabei sei es entscheidend, fähige Menschen zusammenzubringen, die Lösungen entwickeln. „Nichtregierungsorganisationen und öffentliche Institutionen leisten wichtige Arbeit. Allerdings fehlt es ihnen an Dynamik. Sie sitzen in Strukturen fest und besitzen eine zu niedrige Reaktionsfähigkeit, um schnell auf neue Herausforderungen zu reagieren“.

Die Idee des „Startup Boat“ hat Schwarz während ihrer Mitarbeit am Projekt „Venture Bus“ in Afrika entwickelt. Dort bewerben sich ebenfalls junge Spezialisten auf einen Platz im Bus, touren durch afrikanische Länder, analysieren Probleme und entwickeln gemeinsam mit Einheimischen Lösungen. Natürlich gefällt diese Art der Hilfe nicht jedem. Manche halten das für Tourismus unter dem Deckmantel von Bürgerengagement oder gar Voyeurismus. Damit habe das nichts zu tun, argumentiert Schwarz. „Die Teilnehmer sind Querdenker. Am positiven Wandel mitzuarbeiten empfinden sie als sinnstiftend.“ Die Teilnehmer trügen Anreise, Unterkunft und eine Gebühr selbst.

An Bord: Mitarbeiter von Facebook, McKinsey und Lufthansa

Unter den 18 Teilnehmern der ersten viertägigen Bootstour vor der griechischen Insel Samos im August befanden sich Mitarbeiter von Unternehmen wie Facebook, McKinsey und Lufthansa. Andere stammten von Sozialunternehmen wie Make Sense. Expertise in der Flüchtlingsthematik brachten die Gründer der Berliner Kiron University, der ersten digitalen Universität für Flüchtlinge, sowie ein Flüchtling aus Afghanistan mit. Auch eine Übersetzerin fürs Arabische war an Bord. „Wir wollten das Projekt methodisch einwandfrei angehen und jegliche Perspektiven auf Migration abdecken“, sagt Paula Schwarz – mit Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Technologie, PR und Forschung.

Bei der Samos-Tour identifizierten die segelnden Krisendenker den Informationsmangel als größte Herausforderung für die Flüchtlinge. Ihre Antwort darauf lautete: Firstcontact.org, eine Webseite, die die nächsten Schritte erklärt: Registrierung auf der Insel, Buchung einer Fähre nach Athen, eine Liste wichtiger Adressen von Krankenhäusern, Polizeistationen und Notunterkünften. Das Smartphone gilt als Schlüsselinstrument für Flüchtlinge, um schnell an Informationen zu kommen. In den ersten Tagen verzeichnete die Initiative mehr als 8.000 Zugriffe von der griechisch-türkischen Grenze auf die Webseite.

Nach Samos ging es Anfang Oktober zur Insel Lesbos, weitere Bootstouren sind für andere griechische Inseln und Jordanien geplant. Die Gruppe hat auch analoge Kommunikationsmittel entwickelt, zum Beispiel Übersetzungskarten mit wichtigen Fragen wie „Wo finde ich eine Apotheke?“ auf Englisch, Arabisch, Farsi und Griechisch. Der Bürgermeister von Lesbos schenkte der Initiative ein Haus. Dort richtete die Initiative einen „Migration Hub“ ein, einen gemeinsamen Arbeitsraum für Menschen, die Lösungen für die Flüchtlingskrise entwickeln wollen. So eine Einrichtung gibt es auch in Berlin-Schöneberg. „Nach dem Ende der ersten Bootstour war uns klar: Wir müssen die Kraft und Motivation von der Tour weitertragen und die Akteure besser vernetzen“, sagt Schwarz. „An einem psychischen Ort, der für alle offen ist, wird das ermöglicht“.

Crowdfunding-Kampagne geplant

Die Büroräume des Migration Hub werden vom Eigentümer des Hauses, der nicht genannt werden will, kostenlos zur Verfügung gestellt und von Organisationen wie „Refugees on Rails“, „Volunteer Planner“ und „Flüchtlinge Willkommen“ genutzt. Schwarz hat für ihr Projekt zahlreiche Partner gewonnen. Die Schifffahrtsgesellschaft Hellenic Seaways stellte die Fähre für die zweite Bootstour zur Verfügung. In den Schöneberger Büros bietet das weltweit größte Beratungsunternehmen für den sozialen Sektor „180 Degrees Consulting“ Kurse für angehende Berater an.

Eine Crowdfunding-Kampagne, mit der Paula Schwarz Spenden für ihr Projekt sammeln will, ist auch geplant. Dabei verfolgt sie eine für Start-ups typische Denkweise: „Man muss sozialen Impact und Profit nicht trennen. Langfristig wollen wir, dass sich unsere Projekte refinanzieren. Wir entwickeln innovative Ideen, haben aber nicht den Anspruch, diese zu Ende zu bringen. Jeder, der fähig ist, kann sie übernehmen und weiterentwickeln.“

Paula Schwarz studierte Politikwissenschaft an der Freien Universität in Berlin. Nach dem Masterstudium in Finanzen und Wirtschaft in Athen absolvierte die 15-jährige Berlinerin ein Traineeprogramm in Investment Management an der Stanford University in den USA. Anschließend widmete sie sich der Finanzierung sozialer Projekte. Dabei baute sie das Impact Investoren Netzwerk „The Exponential Network“ auf, in dem sie Investoren mit Unternehmern zusammen bringt. Das Startup Boat gründete sie im Sommer 2015, nachdem die Flüchtlingskrise einen neuen Höhepunkt in Griechenland erreicht hatte.

Der Migration Hub befindet sich in der Potsdamer Straße 144 in Berlin Schöneberg und kann von interessierten Menschen genutzt werden. Eine öffentliche englischsprachige Informationsveranstaltung über die zweite Bootstour des Startup Boat in Lesbos findet am Freitag, den 30.Oktober, von 19:00 bis 22:00 unter dem Titel „Refugees at the Gate – An update on the situation in Greece“ statt.

Weitere Informationen finden sich unter www.startupboat.eu sowie http://www.migrationhub.eu/

Hannah Hübner

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