zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Kanzler erzwingt rasche Gesundheitsreform Arbeit von Regierung und Rürup-Kommission soll enger verzahnt werden / Kassen drohen neue Probleme

Berlin / Wörlitz (asi/mfk/pet). Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) will die angekündigten Reformen im Gesundheitsbereich offenbar schneller umsetzen als bisher geplant.

Berlin / Wörlitz (asi/mfk/pet). Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) will die angekündigten Reformen im Gesundheitsbereich offenbar schneller umsetzen als bisher geplant. „Noch vor der Sommerpause“, sagte Regierungssprecher Bela Anda am Freitag, erwarte man den Bericht der RürupKommission. Die für das Frühjahr angekündigten Strukturreformen des Gesundheitsministeriums sollten „eng verzahnt“ werden mit dem Rürup-Bericht. Eile scheint auch deshalb geboten, weil den Krankenkassen – nur wenige Tage nach den jüngsten Beitragserhöhungen – neue Einnahmeausfälle drohen.

Schon im Mai soll der Kommissionsvorsitzende Bert Rürup nach Informationen aus Regierungskreisen eine Richtung der angestrebten Reformen der Einnahmeseite im Gesundheitswesen vorlegen. Denn deren Auswirkungen auf die Sozialkassen und öffentlichen Haushalte muss Bundesfinanzminister Hans Eichel spätestens am 21. Mai der EU-Kommission vortragen. Am Mittwoch hatte die Kommission der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Defizitverfahren dieses Ultimatum gesetzt. Der Kanzler hatte Bundessozialministerin Ulla Schmidt am Donnerstagabend eigens ins Kanzleramt einbestellt, wie Regierungssprecher Anda sagte. Dabei sei „Einvernehmen“ erzielt worden, dass die geplante Strukturreform eng mit den Ergebnissen der Rürup-Kommission verzahnt werden solle. Als Belohnung für das Entgegenkommen stärkte der Kanzler seiner Ministerin am Freitagmorgen vor der Fraktion demonstrativ den Rücken. Sie mache einen „verdammt guten Job“ unter schwierigsten Bedingungen, lobte der Kanzler.

Ulla Schmidt muss ihren Reformfahrplan jetzt deutlich straffen. Sie hatte für 2003 die Strukturreform angekündigt, die sich nur mit der Ausgabenseite im Gesundheitswesen befassen sollte. Dabei geht es darum, wie die gesetzliche Krankenversicherung ihre Kosten senken kann. Die Rürup-Kommission sollte sich hingegen mit der Einnahmeseite befassen, also dem Erschließen neuer Finanzquellen für die Kassen. Ihr Ergebnis war für Herbst 2003 angekündigt und sollte ab 2004 in Gesetze gegossen werden.

Ob nun beide Reformen in einem gemeinsamen Gesetzespaket noch dieses Jahr geregelt werden sollen, wollten weder Anda noch Schmidts Sprecherin Ilona Klug sagen. Anda sagte, in einer „ersten Phase“ der Reform gehe es um Verbesserungen im System durch mehr Transparenz und Markt, also Schmidts Strukturreform. „Gleichzeitig“ gehe es aber auch um die nachhaltige Finanzierung des Systems, also den der Rürup-Kommission übertragenen Teil der Reform. Das Kanzleramt hatte Schmidt bereits mit dem im Dezember bekannt gewordenen Strategiepapier unter Druck gesetzt. Die darin genannten Pläne gingen für die Strukturreform weiter als Schmidts Pläne – etwa bei Grund- und Wahltarifen sowie Bonussystemen bei den Krankenkassen.

Unterdessen drohen die Einspareffekte durch das Beitragssicherungsgesetz, das Anfang Januar in Kraft getreten ist, deutlich geringer zu werden als erhofft. Mit diesem Notgesetz will Ulla Schmidt 2003 rund drei Milliarden Euro einsparen. Doch gegen das Gesetz formiert sich Widerstand: Als erster Betroffener hat der Pharmagroßhändler Gehe einen Antrag auf einstweilige Verfügung vor dem Bundesverfassungsgericht gestellt, um das Gesetz zu stoppen. Es sieht unter anderem vor, dass Pharmahersteller, -großhändler und Apotheker den Kassen höhere Rabatte einräumen. Dadurch sollen die Kassen 1,4 Milliarden Euro mehr einnehmen. Auch die Baden-Württembergische Landesregierung hat am Montag Verfassungsklage gegen das Spargesetz der Gesundheitsministerin eingereicht. Bis zu 5000 Apotheker wollen ebenfalls Ende Januar nach Karlsruhe ziehen. Doch das Notgesetz, das auch den Krankenhäusern eine Nullrunde verordnet hatte, droht durch Ausnahmeregelungen weiter verwässert zu werden.

So ist die Zahl der Kliniken, die eine Ausnahmegenehmigung beantragt haben, mit 1500 viel größer als erwartet. Ob sie mit dem Antrag durchkommen, entscheidet der Bundesrat im Februar. „Sollte das genehmigt werden, wäre das ein Riesenproblem für die Kassen“, sagte Michaela Gottfried vom Verband der Angestellten-Krankenkassen dem Tagesspiegel. „Dafür müssten sicherlich Kompensationen geschaffen werden.“

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false