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Jobs & Karriere: Auf dem Weg nach oben

Das Bildungsministerium vergibt 1500 Stipendien an Berufstätige, die studieren wollen. Was die Förderung bringt

Am meisten fürchtet er sich vor dem Alter. Davor, dass sein Gedächtnis nachlässt, das Lernen zur Qual wird. Matthias Holk ist 43 Jahre alt. Eigentlich in den besten Jahren. „Doch für einen Studenten ist das schon ungewöhnlich“, findet er. Selbst wenn die Zweifel groß sind – sein Wunsch nach akademischer Bildung ist stärker. Dieses Jahr beginnt er neben einer Vollzeitstelle als Techniker beim Deutschen Wetterdienst in Potsdam ein Fernstudium zum Ingenieur für Elektrotechnik an der Tüv Rheinland Akademie. Mentale Unterstützung dafür erhält er von seiner Frau, bei den Finanzen hilft das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Matthias Holk ist nämlich einer der ersten 500 Berufstätigen, die ein so genanntes Aufstiegsstipendium erhalten haben.

Bis Ende 2009 sollen 1500 dieser Stipendien an Meister, Techniker und andere beruflich Begabte vergeben werden, um sie aus dem Job an die Hochschule zu locken. Die Kandidaten müssen eine Ausbildung oder Aufstiegsfortbildung mindestens mit der Note 1,9 abgeschlossen haben und zwei Jahre Berufserfahrung vorweisen. Bewerben können Sie sich ausschließlich über das Internet. Dort durchlaufen sie zwei Phasen, bevor sie zum Gespräch nach Bonn eingeladen werden.

Berufserfahrene Studenten wie Matthias Holk sind ausdrücklich erwünscht. Drei Viertel der bisher Ausgewählten sind älter als 25 Jahre. Gerade für sie ist das Stipendium eine finanzielle Erleichterung. Denn wer den Zuschlag bekommt, erhält bei einem Vollzeitstudium neben monatlich 730 Euro für Unterhalt und Bücher auch eine Kinderbetreuungspauschale. Sie beträgt 113 Euro für das erste Kind und jeweils 85 Euro für jedes weitere. Die Förderdauer richtet sich nach der Regelstudienzeit, das Stipendium muss nicht zurückgezahlt werden.

Da Matthias Holk seinen Beruf nicht aufgegeben hat und nach Feierabend studiert, kann der Vater einer fünfjährigen Tochter von den Familienzuschüssen jedoch nicht profitieren. Wer sich als Teilzeitstudent einschreibt, erhält pauschal 1700 Euro jährlich. „Damit kann ich einen Teil der Studiengebühren von 3600 Euro im Jahr finanzieren“, sagt Holk. Und immerhin: Da die Tüv-Akademie Präsenzveranstaltungen in Berlin anbietet, kann er alle 14 Tage mit der S-Bahn zum Campus fahren.

So leicht hat es Yasin Yüksel nicht. Rund 600 Kilometer Autobahn trennen den 25-jährigen Industriemechaniker aus Abstatt in Baden-Württemberg von seinem Studienort, der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) in Berlin. Auch er hat ein Aufstiegsstipendium erhalten, für ein Fernstudium im Fach „Mechanical Engineering“. Die Gebühren von 860 Euro pro Jahr sind zwar überschaubar. Dafür haben es die Reisekosten in sich.

„Zwei Mal im Monat fahre ich nach Berlin, muss für Sprit und die Übernachtung in einer Pension zahlen“, sagt Yüksel. Um zu sparen, bildet er mit einem Kommilitonen eine Fahrgemeinschaft. „Wenn ich nicht in Vollzeit arbeiten würde, könnte ich mir das Studium nicht leisten.“ Das Geld aus dem Stipendium hat er daher in einen neuen Laptop gesteckt, den er für die Seminare braucht.

Was Matthias Holk und Yassin Yüksel geschafft haben, gelingt derzeit nur wenigen Berufstätigen. Lediglich fünf Prozent der Studierenden in Deutschland haben sich ohne allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife Zugang zu akademischer Bildung verschafft. Die 1500 Stipendien sollen nun Berufstätigen einen Anreiz geben, es mit dem Studium zu versuchen. Doch erste Kritik an dem Programm kommt aus der Wissenschaft.

„Nur ein weiteres Signal“ seien die Stipendien laut Bernd Kepplinger, wissenschaftlichem Mitarbeiter am Bundesinstitut für Berufsbildung (Bibb). „Ob Bafög, Begabtenförderung oder Aufstiegsstipendien – derzeit existieren viele Förderprogramme nebeneinander“, sagt er. „Als erstes bräuchten alle Berufstätigen eine umfassende Beratung, um sich einen Überblick verschaffen zu können.“ Eine solche zentrale Anlaufstelle gibt es jedoch nicht. Je nach Programm sind berufliche Kammern , Stiftungen oder Studentenwerke zuständig (siehe Kasten).

Daher rechnet Dieter Dohmen, Direktor des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (Fibs), vor allem mit Mitnahmeeffekten. „Das Aufstiegsstipendium dürfte zurzeit insbesondere von Berufstätigen genutzt werden, die sich ohnehin schon für ein Studium entschieden haben“, vermutet er. „Wichtiger wäre es, möglichst viele Menschen vom Studieren zu überzeugen und die Kapazitäten der Hochschulen entsprechend zu erhöhen.“

Auch für Matthias Holk und Yasin Yüksel war klar, dass sie die Hochschule besuchen – ob mit oder ohne Stipendium. „Es war reiner Zufall, dass ich von dem Förderprogramm erfahren habe“, so Holk. „Nachdem ich mich im letzten Sommer an der Tüv-Akademie beworben hatte, hörte ich im Radio davon.“ Im Internet forschte er nach – und bewarb sich auf der Stelle. Yasin Yüksel bekam von dem Programm sogar erst mit, als er schon im zweiten Semester war. „Das war zum Glück kein Problem, erst ab dem dritten Semester hätte es mit der Förderung nicht mehr geklappt.“

In einem sind sich die beiden Stipendiaten einig: Ein Netzwerk zum Austausch untereinander hätte ihnen manche Sorgen vor dem Studium genommen. „Insbesondere bei der Orientierung an der Universität und während der Vorbereitung einer Abschlussarbeit ist die Unsicherheit unter den Aufsteigern groß“, sagt Bernd Kepplinger vom Bibb. „Studenten, die aus einem akademischen Elternhaus kommen, sind hier klar im Vorteil.“ Das Bildungsministerium arbeitet bereits daran.

„Noch in diesem Jahr ist der Aufbau eines solchen Netzwerks geplant“, sagt Andreas von Nahl, Sprecher der Stiftung Begabtenförderungswerk berufliche Bildung (SBB), die für Vergabe und Organisation der Stipendien zuständig ist. „Zudem sind inhaltliche Veranstaltungen und Wochenendseminare für die Stipendiaten vorgesehen.“ Den Spagat zwischen Studium und Beruf zu meistern – das kann dagegen das beste Förderprogramm den Studenten nicht abnehmen. Für Matthias Holk könnte sich die Mühe lohnen. Bei abgeschlossenem Studium hat er Chancen auf eine Beschäftigung im höheren Dienst.

Lesen Sie nächste Woche, für welche Fortbildungen Sie das neue Meister-Bafög verwenden können.

Philipp Eins

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