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Bis zu 30 Häuser könnten im Zuge der Sanierung geschlossen werden, heißt es aus dem Karstadt-Aufsichtsrat.

© p-a/dpa

Das Geld wird knapp: Karstadt beginnt mit Personalstreichungen

Ein internes Papier zeigt: Die Reserven bei Karstadt schwinden, die finanziellen Mittel reichen nur bis März 2016. Investor René Benko muss sich beeilen. Und will 3400 Stellen streichen.

Von Maris Hubschmid

Berlin - Karstadt hat viel Geld verloren – und noch mehr Zeit: Wenn die Geschäfte weiter laufen wie bisher, sind die finanziellen Mittel des Unternehmens im März 2016 aufgebraucht, rechnet die neue Konzernführung ihren Managern in einem internen Schreiben vor. Und bei der Gelegenheit ordentlich mit Ex-Eigentümer Nicolas Berggruen ab: Von verfehlten Investitionen, mangelnder Marktkenntnis und hausinternen Fehlentscheidungen soll die Rede sein, heißt es aus Branchenkreisen über den Brief, der Ende der Woche an sämtliche Filialleiter verschickt und am Wochenende in Teilen öffentlich bekannt wurde. Dass der neue Investor René Benko niemand ist, der Entscheidungen auf die lange Bank schiebt, haben bereits die schnellen Personalentscheidungen ahnen lassen: Nicht nur Interimschef und Arbeitsdirektor Kai- Uwe Weitz hat den Konzern nach Benkos Übernahme im August verlassen, auch Rüdiger Hartmann ist als Leiter des operativen Geschäfts inzwischen ausgeschieden.

Jeder fünfte Job wird gestrichen

Jetzt will die Signa-Gruppe, deren Eigentümer Benko ist, in einem ersten Schritt etwas über 200 Millionen Euro einsparen. Mittelfristig fehlt viel mehr: Die Verluste, die Karstadt unter Nicolas Berggruen schrieb, lagen Jahr für Jahr in dreistelliger Millionenhöhe. Wie aus der Aufsichtsratssitzung am Donnerstag vergangener Woche bekannt wurde, sieht das Sanierungskonzept bereits deutliche Personaleinsparungen bis hin zu Häuserschließungen vor. Mehr als jede dritte Filiale könnte geschlossen werden, heißt es: bis zu 30 Häuser. Betriebsrat Hellmut Patzelt sagte am Montag der Nachrichtenagentur dpa, die Konzernspitze habe als Zielmarke einen Abbau von 20 Prozent aller Stellen vorgegeben. Das wären 3400 Jobs. Ziel der Arbeitnehmervertreter sei nun, in Verhandlungen "von dieser Größenordnung herunterzukommen".

In dieser Woche stehen Tarifgespräche an

Die Beschäftigten bangen, wie sie seit Jahren bangen. „Bei Karstadt wird man es müde, Erwartungen zu formulieren“, hatte es Gewerkschafter Arno Peukes, der für Verdi im Aufsichtsrat der Warenhauskette sitzt, unlängst in einem Interview mit dem Tagesspiegel ausgedrückt. „Wir leben in stetiger Anspannung“, sagte eine Kassiererin in der Berliner Filiale am Kurfürstendamm kurz nach dem Abgang von Geschäftsführerin Eva-Lotta Sjöstedt. 2000 Arbeitsplätze wurden schon gestrichen, im Jahr 2012, seither haben die Beschäftigten auf reichlich Lohn verzichtet. Seit Mai 2013 befinden sie sich in einer Tarifpause, die zunächst bis 2015 befristet ist. Am kommenden Freitag stehen zum ersten Mal seit langem wieder Tarifverhandlungen in Essen an, die ersten unter der neuen Führung. Die neuerliche Ankündigung über die Dringlichkeit von Einsparungen dürfte unter den Beschäftigten keine all zu großen Hoffnungen geweckt haben.

Wird Benko auch Geld in die Hand nehmen?

Gewerkschaft und Analysten weisen derweil auf die Bedeutung einer inhaltlichen Neuausrichtung hin. Der Brite Andrew Jennings, Geschäftsführer vor Sjöstedt, hatte das Warenhaus zu einem Tempel internationaler Topmode umbauen wollen. Der Plan ging schief. Sjöstedt verfolgte einen anderen Gedanken: „Sie wollte einen stärkeren regionalen Bezug für die jeweiligen Häuser schaffen, den Standorten mehr Gestaltungsfreiraum geben. Aus unserer Sicht ein richtiger Ansatz“, sagt Peukes. Die neue Führung scheint da auf der gleichen Linie zu sein, wie sie andeuteten ließ. Ob mit der Neupositionierung im Zuge der Sanierung aber auch größere Investitionen verbunden sein könnten, ist bislang unklar: Branchenkenner sprechen von „deutlich über einer Milliarde Euro“, die nötig ist, um Karstadt wieder wettbewerbsfähig zu machen. Sjöstedt war im Juli nach nicht einmal fünf Monaten im Amt nicht zuletzt deshalb gegangen, weil Berggruen zu Investitionen nicht bereit gewesen war.

Der Rückstand auf die Konkurrenz ist groß

Der Produktivitätsrückstand auf der Verkaufsfläche gegenüber Wettbewerbern betrage fast 30 Prozent, erfuhr das „Handelsblatt“ aus Kreisen des Unternehmens. Wird Benko deshalb in erster Linie Fläche reduzieren oder nach aktiveren Wegen suchen, die Produktivität zu erhöhen? Belastbare Antworten liefert wohl erst die nächste Aufsichtsratssitzung am 23. Oktober, auf die alle konkreten Entscheidungen beim Treffen vergangener Woche vertagt worden sind. Ein Vertrauter René Benkos wird in dem Bericht mit den Worten zitiert: „Wir werden nicht noch mehr Benzin in ein brennendes Haus schütten“.

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