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Karstadt: Kein Geld mehr

Für die Filialen der Tochter Karstadt muss der Konzern jeden Monat 23 Millionen Euro überweisen – jetzt ist Schluss damit.

Berlin - Was einst als Befreiungsschlag gefeiert wurde, würden sie bei Arcandor heute gerne ungeschehen machen. 23 Millionen Euro muss der Konzern laut „Spiegel“ jeden Monat den Eigentümern der Karstadt-Immobilien überweisen. Das ist nun offenbar zu viel für das vor der Pleite stehende Unternehmen. Ab sofort stellt Arcandor die Mietzahlungen ein. Das musste Medienberichten zufolge Konzernchef Karl-Gerhard Eick bei einem Krisentreffen am Freitag im Wirtschaftsministerium einräumen. Ein Arcandor-Sprecher wollte sich dazu am Samstag nicht äußern. Nach einem Bericht der „Bild am Sonntag“ läuft jetzt ein 30-tägiges Mahnverfahren, an dessen Ende die Vermietungsgesellschaft einzelne Karstadt-Filialen verkaufen kann.

Um sich der Schuldenlast zu entledigen, verkaufte der damals noch unter Karstadt-Quelle firmierende Konzern 2006 zunächst 51 Prozent der damals 90 Karstadt-Immobilien an einen Fonds der Investmentbank Goldman Sachs. Die restlichen 49 Prozent gingen im März 2008 an ein Konsortium der Immobilientöchter der Deutschen Bank sowie der italienischen Unternehmen Pirelli, Generali und Borletti. Die Beteiligungen sind bei der Immobiliengesellschaft Highstreet gebündelt.

Der Schachzug des damaligen Chefs Thomas Middelhoff spülte 3,7 Milliarden und im zweiten Schritt 800 Millionen Euro in die Kasse – 400 Millionen aus der zweiten Tranche stehen nach Konzernangaben noch aus. Zu einem anderen Ergebnis kommt ein Gutachten von Price Waterhouse Coopers (PWC), das dem „Handelsblatt“ vorliegt. Demnach brachte das zweite Paket nur 645 Millionen Euro ein, wovon 115 Millionen noch ausstehen. Unabhängig davon leidet der Konzern heute unter der Kehrseite des Deals, den enormen Mietausgaben. Karstadt-Chef Stefan Herzberg bezifferte sie auf neun Prozent des Umsatzes – fast doppelt so viel wie normal. „Die Miete, die bei Warenhäusern seit Jahrzehnten üblich ist, liegt bei fünf Prozent“, sagt Christoph Meyer vom Immobilienberater Atisreal.

Die hohen Mieten hängen mit dem Verkaufspreis zusammen, der damals ausgehandelt wurde und der auch eine Mieterhöhung ab 2009 vorsah. In der Branche heißt es, Warenhäuser in guten Lagen werden oft für das Zwanzigfache der Jahresmiete verkauft. „Es ist allgemein sehr verführerisch, eine hohe Miete anzusetzen“, bestätigt Meyer. Dazu kommt, dass die Mieten der Karstadt-Filialen früher an die Umsätze gekoppelt waren. Seit dem Verkauf gibt es feste Mietpreise – bei allgemein sinkenden Umsätzen. „Aus heutiger Sicht hätten wir die Immobilien nicht verkaufen dürfen“, sagt ein Arcandor-Aufsichtsrat, der ungenannt bleiben will.

Einen Beigeschmack haben die hohen Mieten für fünf Häuser, die Karstadt 2003 an den Oppenheim-Esch-Fonds verkauft hatte. Einer der größten Zeichner des Fonds ist laut „Spiegel“ Middelhoff selbst. An einer Karstadt-Filiale in Potsdam sollen er und seine Frau mit 23 Prozent beteiligt sein. Ein Teil der Mietausgaben von Arcandor fließt also in seine Tasche. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat daher ihre nordrhein-westfälische Amtskollegin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) gebeten, Ermittlungen gegen ihn zu prüfen. „Ich würde es sehr begrüßen, wenn durch die zuständige Justiz Ihres Landes Klarheit über die juristische Bewertung der Vorgänge geschaffen werden könnte“, schrieb sie. Middelhoff zeigte sich am Samstag gelassen. Der Sachverhalt sei von Wirtschaftsprüfern und Anwälten „intensiv“ geprüft worden.

Um der Insolvenz zu entgehen, erwartet Arcandor auch einen Beitrag der Hauseigentümer. Von 50 Millionen Euro pro Jahr ist bei PWC die Rede. Allerdings kann die Hilfe nicht über Mietminderung erfolgen, weil die Gesellschaft Highstreet ihre Mietforderungen größtenteils an Investoren weiterverkauft hat, wie ein Arcandor-Sprecher bestätigte. Stattdessen gebe es direkte Zahlungen der Eigentümer an Arcandor. Die Deutsche Bank wollte das nicht kommentieren. Allerdings hieß es aus Kreisen der Immobilienbesitzer, an einer Insolvenz Arcandors habe niemand Interesse. David C. Lerch

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