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Keine Annäherung im öffentlichen Dienst: Extrem zähe Tarifverhandlungen
Auch am vierten Tag der Verhandlungen in Potsdam ist eine Verständigung von Verdi mit Bund und Kommunen nicht in Sicht. Die Arbeitgeber sträuben sich gegen freie Tage.
Stand:
Wer erklärt das Scheitern der Verhandlungen und ruft die Schlichtung an? Um diese Frage drehten sich am Montagnachmittag die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst in Potsdam.
Am frühen Abend näherten sich beide Seiten langsam an, wie es aus Teilnehmerkreisen hieß. Doch nun wurde die Zeit knapp. Spätestens am Dienstagmorgen um 3 Uhr müssen die Vertreter der Gewerkschaften, von Bund und Kommunen das Kongresshotel am Templiner See räumen.
Seit Freitag bemühen sich die Arbeitgeber der Kommunen und des Bundes mit Verdi vergeblich um eine Lösung des Tarifkonflikts. Beim Thema zusätzlicher freier Tage und Langzeitkonto für mehr individuelle Arbeitsflexibilität stellten die Kommunen auf stur.
Für mehr als drei Millionen Angestellte, Beamte und Pensionäre des öffentlichen Dienstes der Kommunen und des Bundes hatten Verdi und Beamtenbund monatlich acht Prozent mehr Geld, mindestens aber 350 Euro gefordert sowie höhere Zuschläge für Schichtarbeitende. Ferner wollten die Gewerkschaften drei zusätzliche freie Tage im Jahr sowie einen weiteren Tag für Gewerkschaftsmitglieder.
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Bereits vor zwei Jahren rief Verdi die Schlichtung an
Verhandlungen hatte es bereits im Januar und im Februar gegeben. Beim dritten Treffen wollten die Tarifparteien eine Lösung erreichen. Nach Angaben der Deutschen Presseagentur wurden im Verlauf des Montags fünf Prozent angeboten, jedoch bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von 27 Monaten. Das ist für die Gewerkschaften viel zu lang.
Wenn kein Kompromiss gelingt und eine Seite das Scheitern der Verhandlungen erklärt, beginnt ein Schlichtungsverfahren, für das mit Roland Koch, ehemals CDU-Ministerpräsident in Hessen, und Hans-Henning Lühr (SPD), einst Staatsrat in Bremen, zwei Politiker vorgesehen sind.
Bereits den vergangenen Tarifkonflikt konnten die Tarifpartner nicht lösen, vor zwei Jahren rief Verdi die Schlichtung an. Verdi möchte nur ungern zweimal nacheinander die Schlichtung anrufen, zumal dieses Mal der Vertreter der Arbeitgeber, also Roland Koch, im Falle eins Patts stimmberechtigt ist.
Das ist schlicht nicht zu stemmen und passt nicht in die Zeit.
Karin Welge (SPD), Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, über die Forderungen der Arbeitnehmer
Mit dem Verweis auf die Finanzlage der Kommunen hatten die Arbeitgeber die Forderung zurückgewiesen und nur einen Inflationsausgleich angeboten. Acht Prozent höhere Gehälter für 2,5 Millionen Angestellte der Kommunen kosten etwas mehr als zehn Milliarden Euro.
Zur Finanznot kommt der Personalmangel
Zuzüglich der drei freien Tage wären es fast 15 Milliarden Euro, rechnet die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) vor. „Das ist schlicht nicht zu stemmen und passt nicht in die Zeit“, argumentiert Karin Welge (SPD), Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen, die für die VKA die Verhandlungen führt. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vertritt den Bund.

© dpa/Christophe Gateau
Zur Finanznot komme der Personalmangel. Die Lücken ließen sich nur schließen, wenn der öffentliche Dienst im Wettbewerb um die Fachkräfte mithalten könne, argumentiert Verdi. 550.000 Stellen seien derzeit nicht besetzt, darunter 115.000 in der Alten- und Krankenpflege, jeweils 100.000 in Schulen und Kitas und 110.000 in den Kommunalverwaltungen.
Tarifabschluss für 2023 und 2024 war der höchste seit Jahrzehnten
Obgleich die Tarifeinkommen im öffentlichen Dienst seit 2015 etwas stärker gestiegen sind als in der Wirtschaft insgesamt, gebe es noch immer Nachholbedarf: Die Tarifvergütungen bei Bund und Kommunen sind Verdi-Chef Frank Werneke zufolge seit 2000 um 72 Prozent, in der Gesamtwirtschaft dagegen um 76,7 Prozent gestiegen. Vor allem beim letzten Mal gab es erheblich mehr Geld.
Der Tarifabschluss für die Jahre 2023 und 2024 war der höchste seit Jahrzehnten gewesen: Die Beschäftigten bekamen Inflationsausgleichsgeld sowie von März 2024 an eine monatliche Entgelterhöhung um mindestens 340 Euro.
In ähnlicher Größenordnung fiel Ende 2023 das Tarifergebnis für die Bundesländer mit 850.000 Beschäftigten aus. Im kommenden Herbst stehen die nächsten Verhandlungen mit den Ländern an.
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