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Klimaopfer: Hitze, Trockenheit und Schädlinge haben wie hier im Sauerland vor allem Fichten vernichtet.

© imago images/Jochen Tack / Imago Images/Jochen Tack

Klimaretter, Erholungsort, Holzlieferant: Wie die Regierung den Wald retten will

Die Waldeigentümer bekommen 900 Millionen Euro für den ökologischen Umbau des Waldes. Doch das Geld ist mit Auflagen verknüpft, das sorgt für Ärger.

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Karl-Joachim Baron von Brandenstein erinnert sich noch lebhaft an den Jahresanfang. Vier Orkane seien über seinen Wald hinweg gefegt, erzählt er. Die ersten drei hätten die Wurzeln der Bäume gelockert, der vierte habe das Werk seiner Vorgänger vollendet. Aus Kiefern, Fichten, Lärchen oder Douglasien, die Brandenstein eigentlich als Bauholz verkaufen wollte, wurde so minderwertiges Schadholz.

Große Flächen sind vernichtet

Das ist kein Einzelfall. 4300 Hektar Wald sind allein in diesem Jahr verbrannt. Schlimmer noch wüten Stürme, Dürren und der Borkenkäfer: Seit 2018 haben sie noch viel größere Flächen vernichtet, auf 450.000 Hektar müssen Waldeigentümer neue Bäume pflanzen. Häufig sind es Privatleute wie Brandenstein. Fast die Hälfte der 11,4 Millionen Hektar Wald sind in Privathand – oft seit Generationen. Die Waldbesitzer leben von den Erträgen, die das Holz abwirft. Jahrzehntelang hat das gut funktioniert, jetzt klappt es nicht mehr.

Viel Holz: Das Geschäft ist schwierig, der Holzpreis sinkt.

© Arnulf Stoffel/dpa

Denn die Holzpreise sinken. Statt 120 Euro gibt es für Fichtenstammholz derzeit nur 70 bis 80 Euro, sagt Brandenstein. Das reicht nicht. Hinzu kommt die schwache Baukonjunktur. Die Baugenehmigungen sinken, seit Februar hat er ein Fünftel weniger Nadelholz für den Bau verkauft. Und auch der Export nach China, das in der Coronazeit selbst für Schadholz gutes Geld gezahlt hat, ist derzeit wegen hoher Kosten für Logistik keine Lösung. Statt 1400 Euro würde ein Container jetzt 4000 bis 5000 Euro kosten, sagt Brandenstein.

900 Millionen Euro vom Staat

Der Bund bietet den Waldbesitzern nun jedoch eine weitere Einnahmemöglichkeit. 900 Millionen Euro stehen bis zum Jahr 2026 zur Verfügung. Geld, das die Waldbesitzer für den ökologischen Umbau ihrer Wälder erhalten können. 100 Euro pro Hektar sind drin, das Geld soll Jahr für Jahr fließen. Das neue Förderinstrument soll in den nächsten Tagen in Kraft treten.

Doch das Programm mit dem sperrigen Titel „Honorierung der Ökosystemleistung des Waldes und von klimaangepasstem Waldmanagement“ ist an Bedingungen geknüpft. Um das Geld zu bekommen, müssen die Forstbesitzer einen Katalog von elf beziehungsweise zwölf Kriterien erfüllen. Dazu zählen unter anderem der Verzicht auf Kahlschlag im Wald und auf den Einsatz von Dünger. Pflanzenschutzmittel werden nur ausnahmsweise erlaubt. Totholz soll liegen bleiben, Biotopbäume – alte, dicke Bäume, in denen Vögel besonders gern brüten – sollen erhalten bleiben. Waldeigentümer, die 100 Hektar Wald und mehr besitzen, sollen zudem fünf Prozent ihrer Fläche der Natur überlassen und nicht bewirtschaften – und zwar für 20 Jahre. Vielen stößt das bitter auf.

Viele Waldeigentümer sind verärgert

„Ideologisch“ sei das, ärgert sich Hubertus Freiherr von Knigge – und es sei auch falsch. Denn Bäume speichern Kohlendioxid besonders gut, so lange sie jung sind. Daher sei es auch unter Umweltgesichtspunkten richtig, den Wald regelmäßig zu verjüngen statt Flächen stillzulegen. Knigge bewirtschaftet Wald im Süden von Hannover, es ist ein Mischwald aus Nadel- und Laubbäumen. Um seinen Wald zukunftsfest zu machen, will Knigge Douglasien, Roteichen, Weißtannen und Esskastanien pflanzen. Brandenstein setzt im Kampf gegen Hitze und Dürre auf die genügsame Roteiche, die aus Amerika kommt, und auf Eichen aus der Balkangegend.

Die Politik setzt auf heimische Baumarten

Doch das passt nicht zu den Vorstellungen der Politik. Denn Bundesagrar- und -umweltministerium wollen möglichst heimische Baumarten gepflanzt wissen, Eichen, Linden, Hainbuchen und Esskastanien. Die Waldeigentümer sollen sich bei der Verjüngung des Waldes an die Anbauempfehlungen der Länder oder der zuständigen forstlichen Versuchsanstalt halten. Viele Waldeigentümer empfinden das als Bevormundung. „Wir müssen mutig sein“, sagt Brandenstein, „und auch mal fremde Baumarten ausprobieren.“ Statt ständig neue Förderkriterien aufzustellen, sei es an der Zeit, dass die Forstwirtschaft für ihre ökologischen und gesellschaftlichen Leistungen honoriert werde.

Nur jeder fünfte Baum ist gesund

„Wälder sind Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise“, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, Manuela Rottmann, am Dienstag auf dem Waldsymposium der Waldeigentümer in Berlin. Wälder speichern Kohlendioxid, sorgen für gute Luft und sauberes Wasser und dienen den Menschen als Erholungsort. Das können sie aber nur, wenn sie gesund sind.

Glaubt man dem jüngsten Waldzustandsbericht, steht es jedoch um den deutschen Wald nicht gut. Nur ein Fünftel der Bäume hat eine intakte Krone, alle anderen haben mehr oder weniger große Probleme. Das neue Förderprogramm zum Umbau der Wälder soll helfen. Zudem arbeitet die Bundesregierung auch an einer Reform des Bundeswaldgesetzes, die die Wälder artenreicher und klimaresilienter machen soll. All das ist mit Vorgaben für die Forstwirtschaft verbunden.

Grüne Lunge: Der Wald - hier der Naturwald in Klingberg bei Scharbeutz - speichert Kohlendioxid.

© Christian Ohde/Imago

Auch Holz als Baumaterial ist Teil der Regierungsstrategie. Anders als Zement ist Holz klimafreundlich, weil es Kohlendioxid speichert – zumindest so lange es nicht verbrannt wird oder verrottet. Doch seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine wird Holz auch als Brennmaterial interessanter. Viele Menschen haben sich Kamine oder Öfen angeschafft.

„60 Prozent des Buchenholzes wird verbrannt“, sagt Sven Selbert vom Naturschutzbund Deutschland. „40 Prozent gehen nach China.“ Dort wird das Holz etwa zu Parkett verarbeitet und kehrt zurück nach Deutschland.

Rottmann warnt davor, Raubbau zu betreiben: Man müsse auch den nachfolgenden Generationen Holzvorräte hinterlassen, mahnt sie. „Nirgendwo sieht man die Klimakatastrophe so deutlich wie im Wald und nirgendwo ist auch die Lösung so deutlich wie im Wald“, sagt sie.

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