zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Landwirtschaft: "Die Agrarsubventionen verfehlen das Ziel"

Der neue Preiskampf in der deutschen Lebensmittelindustrie untergräbt nach Ansicht des Grünen-Europa-Abgeordneten Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf die Bemühungen einer Umorientierung in der Landwirtschaft. Baringdorf sagte dem Tagesspiegel, der Wettbewerb um Niedrigstpreise verstärke erneut den Zwang zur agrarindustriellen rationalisierten Produktionsweise.

Der neue Preiskampf in der deutschen Lebensmittelindustrie untergräbt nach Ansicht des Grünen-Europa-Abgeordneten Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf die Bemühungen einer Umorientierung in der Landwirtschaft. Baringdorf sagte dem Tagesspiegel, der Wettbewerb um Niedrigstpreise verstärke erneut den Zwang zur agrarindustriellen rationalisierten Produktionsweise. Dabei sei die Politik dazu aufgerufen, hier gegenzuhalten und den Öko-Anteil der Agrarproduktion auszubauen. Bundesweit liegt der zurzeit bei nur knapp drei Prozent. Vorreiter in der EU ist Österreich mit zehn Prozent.

Baringdorf kritisierte, dass nach wie vor nur 20 Prozent aller Betriebe rund 80 Prozent der Produktion erwirtschafteten. Zumal diese Betriebe auch am meisten von den öffentlichen Fördergeldern profitierten. "Die herkömmliche Subventionierung führt aber zu einer inakzeptablen Wettbewerbsverzerrung", sagte Baringdorf. So sei es kein Einzelfall, dass ein rationalisierter Großbetrieb pro Arbeitskraft und Jahr zwischen 75 000 und 80 000 Euro aus Brüssel erhalte. Demgegenüber erhalte das Gros der kleinen bäuerlichen Betriebe, aber auch biologisch arbeitende Großbetriebe nicht mal ein Zehntel davon pro Arbeitskraft. Die Agrarhilfen müssten endlich richtig kanalisiert werden, forderte Baringdorf.

An Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast appellierte der Grünen-Abgeordnete, hier die Möglichkeiten der Agenda 2000 (siehe Lexikon ) nach dem Vorbild anderer EU-Länder wie Großbritannien, Frankreich oder Portugal mutiger auszunutzen. Die Agenda 2000 legt den Finanzrahmen auch für die EU-Agrarpolitik bis 2006 fest. Im Rahmen der so genannten Modulation ist den EU-Mitgliedern erlaubt, einen Teil der Hilfen - bis zu 20 Prozent - an die Bauern in Projekte etwa zur Förderung der naturnahen Landwirtschaft umzulenken. Diese Projekte, die ökologischen und sozialen Aspekten stärker Rechnung tragen, müssen aber aus nationalen Mitteln kofinanziert werden. In Deutschland müssten die Bundesländer einspringen. Aus finanziellen Gründen hatte es hier Widerstand gegeben.

Auch der Deutsche Bauernverband (DBV) setzte sich zur Wehr. Gerd Sonnleitner, DBV-Präsident und gleichzeitig auch Vorsitzender des europäichen Bauernverbandes (Copa), lehnt die Modulation bis heute ab. Die durch die Agenda 2000 (siehe Lexikon) bedingten Preissenkungen im Agrarbereich seien nur zu 50 bis 60 Prozent durch höhere direkte Zahlungen an die Bauern ausgeglichen worden, rechtfertigt Sonnleitner seine Position. Seit 1992, erinnert DBV-Sprecher Michael Lohse, hätten die Bauern Einkommenseinbußen hinnehmen müssen: "Weitere Einkommenskürzungen seien bei Durchschnittseinkommen von 4000 Mark brutto nicht drin."

Nach langwierigem Tauziehen sollen die Ausgleichszahlungen für die deutschen Bauern vom 1. Januar 2003 an nun doch gekürzt werden - vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesrates Anfang Februar - aber nur um zwei Prozent. Das ist weniger als Künast ursprünglich wollte. Nicht nur der Grünen-Fraktion im EU-Parlament, auch der EU-Agrarkommission geht das nicht weit genug. Agrarkommissar Franz Fischler erwägt nun, die EU-Länder auf die Modulation zu verpflichten. In seiner Zwischenbilanz zur Agenda 2000, die dieses Jahr vorbereitet wird, will er das zur Diskussion stellen. Schon 1999 hatte Fischler diesen Vorschlag gemacht, war aber unter anderem am Widerstand der Deutschen gescheitert. Wie Baringdorf bezeichnet es auch Fischler als krasses Missverhältnis, dass nur zehn Prozent der Hilfen zur Föderung des ländlichen Entwicklung und des Umweltschutzes genutzt werden: "Das müssen wir überwinden."

mo

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false