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Leere Bordelle: WM verdirbt Prostituierten das Geschäft

Anders als bislang erwartet sind die Umsätze im Rotlichtmilieu zur WM deutlich gesunken. "Für käuflichen Sex haben die Fans weder Geld noch Zeit", heißt es.

Hannover/Hamburg - Gelangweilte Prostituierte und leere Bordelle prägen derzeit das Bild im Rotlichtmilieu vieler WM-Städte. Anders als erwartet hat die Fußballweltmeisterschaft den Professionellen offenbar das Geschäft verdorben. «Die WM ist ein Happening und eine Riesenparty, die durchs Land rollt, aber für käuflichen Sex haben die Fans weder Geld noch Zeit», konstatiert Stephanie Klee vom Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen e.V. (BSD) nach der Hälfte der Weltmeisterschaft. Die WM habe der Branche drastische Einbrüche beschert. Etliche Prostituierte, etwa Pendlerinnen aus anderen Bundesländern oder Polen und den Niederlanden, seien schon nach den ersten Tagen wieder abgereist, sagt Klee. In WM-Städten wie Hamburg stünden die ersten Häuser leer.

Zumindest die Ordnungshüter sehen diese Entwicklung positiv. Denn mit der Flaute im «horizontalen Gewerbe» ist auch die befürchtete Welle eingeschleuster Zwangsprostituierter ausgeblieben. «Wir verzeichnen insgesamt sogar einen Rückgang», sagt ein Sprecher der Hamburger Polizei. «Es gibt weniger Prostitution als zu normalen Zeiten, und die Tendenz deutet eher weiter nach unten. Fußball geht ganz offensichtlich vor.» An mancher der so genannten Modellwohnungen verkündeten Zettel sogar «Ich mache Urlaub während der gesamten WM».

Langeweile schieben die Prostituierten auch an Hannovers Vergnügungsmeile Steintor. «Das Geschäft läuft eher noch schlechter als an normalen Tagen», sagt Michelle, die in einem Eros-Center am Steintor arbeitet. Selbst Stammfreier seien zum größten Teil in den Urlaub gefahren, um dem WM-Trubel zu entgehen. Und die wenigen, die es vom Fan-Fest in die Arme einer Prostituierten ziehe, seien meist einfach viel zu betrunken, bedauert Michelle. An den gewohnten Verdienst komme kaum eine Kollegin heran.

Die transsexuellen Prostituierten, bei denen das Geschäft allgemein besser läuft, klagen dabei ebenso wie die Damen aus der Ludwigstraße hinter dem Hannoveraner Bahnhof. In der kurz «L» genannten Straße feilt sich manche Frau im Schaufenster vor lauter Langeweile die Nägel oder liest ein Buch. Das neueste Bordell Hannovers in der Georgstraße gegenüber der Oper hat zumindest einen Standortvorteil: Das Etablissement liegt mitten auf der Fanmeile, und der eine oder andere Fan kehrt hier schon vor dem Spiel ein.

An Werbung für die Clubs und die Frauen zumindest mangelt es in Hannover nicht. Werbetafeln, Flugblätter oder Aufschriften auf Taxis machen auf die käufliche Liebe aufmerksam. Auch die Annoncenseiten in einschlägigen Zeitungen sind so gefüllt wie nie mit Anzeigen von Professionellen, Clubs und Hobbyprostituierten - männlich wie weiblich.

«Aber es gibt auch ein Leben nach der Weltmeisterschaft, da sammeln wir lieber unsere Kräfte», sagt Stephanie Klee und versucht damit, der Flaute etwas Positives abzugewinnen. Sie ist selbst Prostituierte und Initiatorin der Aufklärungskampagne «Freier sein». Und der Kampagne zumindest bringe die ausgelassene Stimmung zur WM einen großen Vorteil: «Die Männer sind gut drauf und damit offener für Gespräche.» Und das nutzen die Aktivistinnen von «Freier sein» nicht nur dazu, um mit dem Verteilen von Kondomen und Infomaterial für Saver Sex zu werben.

Sie sprechen gezielt männliche Fans an, um sie vor allem für mehr Respekt vor den Frauen und ihrem Gewerbe zu gewinnen. Und dies sei bislang ein voller Erfolg. So zeige sich unter anderem, dass Freier nach den Gesprächen viel eher bereit seien, Kondome zu nutzen. Das bislang einzigartige Bündnis war im Vorfeld der Weltmeisterschaft gemeinsam mit Prostitutions-, Drogen- und Migrantenberatungsstellen sowie Behörden und Institutionen in allen zwölf WM-Städten ins Leben gerufen worden. «Wenn ein Vater dann gleich noch um ein Kondom mehr für seinen Sohn bittet, haben wir doch schon etwas erreicht», sagt Klee. (tso/dpa)

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