zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Löcher im Netz

Gasprom leitet weiter Erdgas durch seine Exportpipelines, hat aber hinter der Grenze keinen Zugriff

Berlin - Das Fernsehn war live dabei, die Bilder waren weltweit zu sehen: Menschen mit Pelzmützen, die an Kurbelrädern von Gasleitungen drehen. Mit dem tatsächlichen Lieferstopp für russisches Gas an die Ukraine hat das jedoch nichts zu tun. „Mit solchen Rädern kann man höchstens kleine Leitungen blockieren“, erklärt Michael Sasse vom deutsch-russischen Gasunternehmen Wingas. „Die großen Anlagen werden elektronisch gesteuert.“ Und der entscheidende Knopf wurde in den Schaltzentralen von Gasprom am 1. Januar unbeobachtet von der Weltöffentlichkeit gedrückt.

Die Reaktion der Ukrainer wiederum ließ nicht lange auf sich warten. Sie zweigen nun für den Eigenbedarf Gas aus den Exportleitungen ab, die über ihr Territorium von Russland nach Westeuropa führen. Durch die Ukraine verlaufen drei dieser Pipelines. Eine weitere gibt es in Weißrussland. „Die Entnahme erfolgt an den Verdichterstationen“, erklärt Sasse. Denn dort sind ohnehin Ventile für den Abfluss von Gas vorhanden. In normalen Zeiten werden dort geringe Mengen Gas entnommen, die die nötige Energie liefern, um den Druck in der Pipeline aufrechtzuerhalten. „Ohne Druck würde das Gas nicht fließen, sondern einfach in der Leitung stehen“, sagt Sasse. Die Stationen gibt es jeweils im Abstand von 150 bis 200 Kilometern.

Auch das ukrainische Gasnetz ist über diese Verdichterstationen mit der russisch-europäischen Pipeline verbunden. „Das Ableiten des Gases dürfte also kein großer technischer Aufwand sein“, erklärt Sasse. Die Verbindung zwischen Exportpipelines und den Leitungen zur Inlandsversorgung ist gewollt, heißt es bei Gasprom. So sei man gewappnet, wenn bei den planmäßigen Wartungsarbeiten oder durch Ausfälle eine Umleitung für das Gas nötig werde. Gasprom habe aber weder auf die Verdichterstationen noch die jeweiligen Pipelinesysteme in der Ukraine eine Zugriffsmöglichkeit, sagte ein Konzernsprecher. Abgestellt worden sei auf russischer Seite nur die Belieferung des ukrainischen Inlandsnetzes.

Dass die Ukrainer aber ihre Zugangsmöglichkeiten zu dem Exportnetz schnell genutzt haben, konnten die Empfänger am westlichen Ende der Pipelines feststellen: Der Druck sank.

Die Probleme, die jetzt die Gaswirtschaft hat, erwartet die Ölindustrie nicht. Da läuft zwar auch ein Großteil der Lieferungen über Pipelines. Und mittlerweile liefern die GUS-Staaten – allen voran Russland – mehr als 40 Prozent des deutschen Erdölbedarfs. Doch gibt es beim Öl eine Transportalternative: Mit Hilfe von Tankschiffen könnte eine Blockade auf dem Festland schnell umgangen werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false